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Papst Leo und die ExorzistenHimbeergeist zum Frühstück​

Uli Hannemann
Kommentar von Uli Hannemann

Papst Leo der XIV. dankt der Internationalen Vereinigung der Exorzisten für ihren Kampf gegen das Böse. Es ist ein Zeugnis von kirchlicher Vernunft.

Bedachte die in Rom tagende Internationale Vereinigung der Exorzisten mit einer Gruß­bot­schaft:­Papst Leo XIV, hier am 3. August in Rom Foto: Yara Nardi/reuters

D er US-amerikanische Papst Leo XIV. unterscheidet sich zum Glück extrem von seinem Präsidenten Donald Trump. Denn im Gegensatz zum irrlichternden Staatschef, bewies der Kirchenfürst nunmehr Realismus, Besonnenheit und Verantwortung, indem er die in Rom tagende Internationale Vereinigung der Exorzisten (AIE) mit einer Grußbotschaft bedachte.

Als „heiklen und äußerst notwendigen Dienst der Befreiung vom Bösen“ adelte der Papst die mühselige Arbeit der etwa 300 teilnehmenden Geistlichen bei ihrem Treffen in der Nähe von Rom. Denn der Kampf gegen böse Geister und Dämonen ist ja nicht nur nervenaufreibend, sondern überdies auch nicht ganz ungefährlich: So mancher in die Enge getriebene Spukgeist soll seinem wackeren Austreiber böse Fleischwunden durch Bisse oder Klauenhiebe zugefügt haben. Es ist nicht überliefert, ob Leo XIV. auch dieser Märtyrer speziell gedacht hat.

Die Exorzisteninnung mit ihren Mitgliedern in ungefähr dreißig Ländern bildet wunderbarerweise auch Exorzisten aus. Denn in der bekannt vernunftbetonten katholischen Kirche wird nichts dem Zufall überlassen. Alles in ihr folgt ja seit jeher einer bewundernswerten Ratio: Ob Reliquien oder Marienwunder, Selig- oder Heiligsprechungen, Anbetung aller Arten von Schutzheiligen, die beim Löschen, Klauen, Brotbacken oder weiß der Fuchs was helfen, symbolischer Kannibalismus („Leib Christi“) oder konsequente Verachtung von Frauen, Homosexuellen, Andersgläubigen – you name it.

Signature Item ist Faktentreue

Das alles ist so wunderbar logisch und versteht jeder, umso mehr in unseren Tagen eines gottlosen, linken Zeitgeistes, der immer mehr jungen Menschen die rechte Orientierung raubt, und Dämonen aller Art als Einfallstor in die bereits angeschlagenen Seelen der Gläubigen dient.

Oder nehmen wir bloß die Kreuze in bayerischen Klassenzimmern, um die Teufel draußen im Schulflur zu halten, wo sie mit unartigen Schülern um die Wette heulen können, die man vor die Tür gesetzt hat, weil sie mit hohlen Tintenkillerhülsen Papierkügelchen oder gar Stecknadeln auf die Klassenkameraden verschossen haben. Wenn wir diese Kruzifixe nicht hätten, würden die Kinder vor lauter Schwefelqualm die Tafel nicht erkennen.

Ein absolutes Signature Item der seit wenigen Jahren vom Vatikan offiziell anerkannten Exorzistenvereinigung ist die Faktentreue. Die Herren Geisterbekämpfer machen es sich nicht leicht. Man will ja nicht versehentlich Tourette-Betroffene, Drogenkonsumenten oder Epileptiker einem Exorzismus unterziehen. Dieser ist immerhin aufwändig, teuer und bindet geistliches Fachpersonal.

Es braucht starke Nerven und Expertise

So ist es besonders in Berlin oft schwierig, von Dämonen Besessene und weltliche Verhaltensgestörte gewissenhaft auseinanderzuhalten. Wenn jemand auf dem Bahnsteig der U8 mit heiserer Stimme in Endlosschleife schreit, „Fick die Fotze deiner Mutter, du versiffter Schwanzlutscher“, bedarf es neben starker Nerven auch extremer Expertise, um diese so grundverschiedenen Gemengelagen beweisfest zu bestimmen.

Und handelt es sich am Ende wirklich zweifelsfrei um das unselige Wirken von Dämonen, muss ja auch der zugrunde liegende Dämonentypus identifiziert werden – u. a. Walddämon, Himbeergeist, Bergdschinn, Springteufel oder Internettroll –, um auf dieser Grundlage schließlich die entsprechenden exorzistischen Maßnahmen zu ergreifen: Das bis auf die Stelle nach dem Komma richtig temperierte Weihwasser aus der jeweils passenden Quelle, sowie die Wahl des adäquaten Rosenkranzes: Den 8er Kranz aus Perlmutt oder aus Silber? Oder besser ein 5er Kranz aus Edelholz? Das sind Entscheidungsprozesse, von denen auch die Golfspielerin ein Lied singen kann.

Bei diesen Mitteln (Weihwasser, Beten, Handauflegen) belassen es die modernen Gespensterjäger heute zumeist. Doch immer noch müssen manche Exorzisten übertreiben, und greifen zu anderen Mitteln wie Waterboarding, Auspeitschen, Ersticken, Verbrennen, Verhungern, Vergiften – aber an solcherlei Overkill ist natürlich weder das Grußwort des Papstes noch die AIE schuld, oh nein, denn wenn Gemeinschaften, in denen Aberglauben und Naturreligionen in Verbindung mit dem Christentum ganz neue Sumpfblüten ausbilden, wäscht sich der vatikanisch geprägte Katholizismus die Hände in Unschuld.

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Uli Hannemann
Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.
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2 Kommentare

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  • Auch in diesem Forum konnte man gelegentlich das Wort "Sekte" im Zusammenhang mit der katholischen Kirche lesen. Dem schließe ich mich in vollem Umfang an. Eines aber stört mich klolossal, nämlich dass man einem solchen Hokuspokus viel zu viel Raum in der öffentlichen Wahrnehmung überlässt.

  • Ich muss ja sagen, die Welt ist derzeit so schräg, da erscheint mir der Dank des Papstes an Exorzisten geradezu als Akt des rationalen, wissenschaftlichen Denkens und der Aufklärung.