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Studie zu ImpfungenBesserer Schutz vor plötzlichem Kindstod

Die Keuchhusten-Impfung hilft dabei, Todesfällen bei Säuglingen zu verhindern. Eine deutsche West-Ost-Studie liefert neue Belege.

Impfen kann Leben retten Foto: Ute Grabowsky/imago

Luftig soll das Baby schlafen – ohne Kissen, Decken und gepolsterte Wände. Aber vor allem auf dem Rücken. Zu kaum einem Thema erhalten junge Eltern eindringlichere Ratschläge als dazu, wie man Kinder sicher schlafen lässt, um den plötzlichen Kindstod zu vermeiden. Und kaum eine Sorge bringt sie erfolgreicher um den Schlaf. Dabei ist einer der wichtigsten Hinweise bisher kaum bekannt: Lasst impfen!

Die Studie

Zu diesem Schluss kommt eine zum Jahresanfang im Fachjournal BMC Pediatrics erschienene Studie. Sie geht einer Vermutung nach, die die Wissenschaft schon länger hegt. Nämlich, dass Keuchhusten eine der Ursachen für den plötzlichen Kindstod sein könnte. Immerhin gehört Schlafapnoe zu den bekannten Nebenwirkungen der Infektion und auch Muskelkrämpfe in der Kehlkopfregion wurden schon beobachtet.

Um den Verdacht zu bestätigen, nutzen die Forschenden ein natürliches Experiment. Im impfskeptischen Westdeutschland wurde die Impfempfehlung für Keuchhusten von 1974 bis 1991 ausgesetzt, in Ostdeutschland nicht.

Und tatsächlich: In der BRD, wo zeitweise nur zehn Prozent aller Kinder geimpft wurden, finden die Forschenden über die 1980er einen starken Anstieg der Todesfälle. Von etwas mehr als einem Säugling unter 1.000, die am plötzlichen Kindstod sterben, auf 1,68. Währenddessen bleibt der Anteil in Ostdeutschland bei nur 0,79. Das heißt, im Westen sterben zeitweise mehr als doppelt so viele Kinder wie im Osten. Nach der Wiedereinführung der Impfempfehlung kehrt sich der Trend um und auch im Westen sinkt die Zahl wieder auf 1,18. Ein Rückgang um rund 30 Prozent!

Auch Krankenhausaufzeichnungen aus dieser Zeit zeigen, dass Babys im Westen gerade dann gefährdet waren, wenn viel Keuchhusten grassierte.

Was bringt’s?

Impfen rettet Leben. Auch heute noch, und manchmal entdeckt die Forschung erst im Nachhinein weitere positive Effekte einer Impfung. So findet sie beispielsweise gerade erst heraus, welche Impfungen gegen „Kinderkrankheiten“ später auch vor Demenz schützen. Gleichzeitig zeigt die Studie, wie schnell es bei gesundheitspolitischen Entscheidungen um Leben und Tod geht.

Mit der Empfehlung zum Rückenschlaf und der Impfauffrischung für Jugendliche um die Jahrtausendwende sinkt die Zahl der Todesfälle weiter. Heute betrifft der plötzliche Kindstod eher eine von 10.000 jungen Familien. Seit 2020 wird in Deutschland auch die Keuchhustenimpfung für Schwangere empfohlen, doch in der Zwischenzeit verweigern auch hier wieder mehr Eltern den Schutz. In den USA stutzte Trump unterdessen Budgets für globale Impfkampagnen und Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. bestärkt Impfgegner. Über das Ausmaß der katastrophalen Folgen dieser Politik werden uns Studien vielleicht in 30 Jahren aufklären.

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1 Kommentar

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  • Gab es in der DDR auch den unseligen Zwang zur Bauchlage? Ich erinnere mich bis heute an den totalitären Furor mit dem in Elternkursen jede Rückenlage verteufelt wurde. Bis heute hat sich kein Vertreter im Namen des medizinischen Establishments für die hunderte unnötig gestorbenen Kinder entschuldigt. Und bis heute leide ich, obwohl meine Tochter es überlebt hat, unter meinem schlechten Gewissen. Bevor sie sich selbst umdrehen konnte, war sie mir ausgeliefert, aber sie hat sich mit aller Kraft gegen die Bauchlage gewehrt und mich ihr Leiden darunter deutlich spüren lassen. Ich habe mich der damaligen Propagandamacht gebeugt und ich habe mitgemacht -- so viele andere Eltern auch. Wie sich heute die fühlen, deren Kinder nicht überlebt haben, möchte ich mir nicht vorstellen.