Dokumentarfilm „Pink Power“: Mehr als nur paddeln
Der Dokumentarfilm „Pink Power“ dreht sich ums friesische Drachenbootteam der „Küsten-Pinkies“. Alle Besatzungsmitglieder sind Brustkrebspatientinnen.
Was hat das Paddeln mit Brustkrebs zu tun? Es gibt medizinische Forschungen, nach denen diese Sportart einen therapeutischen Nutzen für betroffene Frauen hat. Darum entwickelte sich weltweit eine Bewegung, bei der Frauen mit Brustkrebsdiagnosen zusammen Bootteams bilden und gegeneinander Rennen austragen, für die sogar Europa- und Weltmeisterschaften veranstaltet werden.
Eines dieser Teams sind die „Küsten Pinkies“ in Wilhelmshaven. Durch persönliche Kontakte lernte die Filmemacherin Chiara Kempers einige Frauen in diesem Drachenbootteam kennen. Sie war von ihnen so fasziniert, dass sie zusammen mit der Produzentin Marianna Martens einen Film über sie machte.
Nun folgen Sportfilme, egal ob fiktiv oder dokumentarisch, immer der gleichen Dramaturgie: „Pink Power“ bildet da keine Ausnahme. Es muss einen spannenden Wettbewerb geben, bei dem wir mit jenen Sportler*innen mitfiebern, die wir im Laufe des Film kennengelernt haben. Können wir uns am Schluss über ihren Sieg freuen oder müssen wir uns über ihre Niederlage ärgern?
Tatsächlich begleitet Chiara Kempers die friesischen Frauen auf ihrer Reise ins italienische Ravenna, wo das Team an den Europameisterschaften teilnimmt. Und tatsächlich gibt es als Finale das entscheidende Rennen, bei dem sich zeigt, ob sie oder das favorisierte und bei den Wilhelmshavenerinnen als „arrogant“ verschrieene Team aus Hannover Siegestänze aufführt.
Konni, 71, Pink-Paddlerin
Aber diese Dramaturgie ist hier eher die Karotte, die dem Esel (sprich: dem Publikum) vor die Nase gehalten wird, denn in „Pink Power“ geht es um viel mehr als darum, wer schneller paddeln kann. „In meinem Leben vor der Krankheit habe ich nur funktioniert – jetzt lebe ich bewusst“, sagt zum Beispiel die 71 Jahre alte Konni. Wenn man sieht, mit wie viel positiver Energie sie sich im Sportteam engagiert und wie zärtlich sie sich um ihren pflegebedürftigen Ehemann kümmert, begreift man, was sie damit meint.
Im Film wird sie in alltäglichen Situationen gezeigt und die Intimität dieser Familienszenen macht deutlich, wie viel Vertrauen die Protagonistinnen zu der Filmemacherin haben. Die 45 Jahre alte Jasmin hat sogar ihre Zustimmung dazu gegeben, dass die Kamera bei einer Nachsorge-Untersuchung im Behandlungszimmer des Arztes dabei sein darf. Diese Filmbilder sind so sorgfältig komponiert, dass man die Anspannung der Patientin angesichts der für sie lebensentscheidenden Diagnose spüren kann, ohne ihr dabei zu nah zu kommen.
„Pink Power“. Regie Chiara Kempers. Deutschland 2025. 70 Minuten. Kinostart am 2. Oktober.
Vorführungen mit den Filmemacherinnen und mit den Protagonistinnen: Wilhelmshaven, 29. 9., UCI, 19.30 Uhr; Oldenburg, 30. 9., Casablanca, 19.30 Uhr; Jever, 1. 10., Lokschuppen, 19.30 Uhr mit dem #mammobis75-Team; Hannover, 8. 10., Kino am Raschplatz, 20.30 Uhr; Braunschweig, 9. 10., Astor Cinema, 19.45 Uhr
Die beiden Protagonistinnen machen deutlich, wie der Sport ihr Leben verändert hat – wie sie die Gemeinschaft des Paddelteams genießen und die Freude am Sport sie intensiver leben lässt. Die Reise nach Ravenna ist schließlich ein großes Abenteuer, bei dem Lieder von Vicky Leandros und Johanna von Koczian im Reisebus mitgesungen werden, die Trainerin verzweifelt den neuen, noch nicht gelieferten T-Shirts hinterhertelefoniert und frau sich über die Unsportlichkeit der Konkurrenz (diese Hannoveranerinnen schon wieder!) empört.
Das wird launig erzählt. Mit seiner elektronischen Retro-Filmmusik zeigt Robin Alberding, dass der Krautrock aus den 1970er-Jahren zurzeit bei Filmmusiker*innen eine Renaissance erlebt.
Ein Drachenbootteam, das aus ostfriesischen Frauen besteht ist natürlich auch ein Kuriosität. Chiara Kempers macht deutlich, wie komisch diese kulturelle Annäherung sein kann. So wird in einer Sequenz ein neues Boot mit einer taoistischen Zeremonie geweiht und dabei fällt der Blick auf den Namen des Boots unter dem geschnitzten Drachenkopf am Bug: Frau Meyer.
Mit einer Laufzeit von 68 Minuten hat Chiara Kempers einen schlanken, sportlich schnellen Film gedreht. „Pink Power“ ist eine inspirierende Dokumentation über Amateursportlerinnen geworden, die zeigt, dass Siege nicht nur bei Wettbewerben gewonnen werden und Sport, ähnlich wie Musik, eine Lebenskraft sein kann.
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