piwik no script img

Reiches Energie-MonitoringDie simulierte Bremse

Eine Studie bereitet Argumente gegen das Energiemonitoring des Wirtschaftsministeriums vor. Ministerin Reiche mahnt „Realismus“ an.

Erneuerbare Energien sind wichtig für die Zukunft Foto: Paul Langrock

Berlin taz | Wenn sich der Ausbau der erneuerbaren Energien verlangsamt und weniger E-Autos und Wärmepumpen verfehlt werden, als von der Bundesregierung anvisiert, könnten die Emissionen im Verkehrs- und Gebäudesektor bis 2035 um 28 bis 35 Millionen Tonnen CO2 jährlich steigen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Beratungsinstituts Enervis, die von Greenpeace und der Energiegenossenschaft Green Planet Energy in Auftrag gegeben wurde und der taz vorliegt.

Mit der Studie will Greenpeace dem Energiemonitoring zuvorkommen, das das Bundeswirtschaftsministerium von Katherina Reiche (CDU) beim EWI Essen in Auftrag gegeben hat. Im Monitoring soll der künftige Strombedarf Deutschlands geschätzt werden. Kommt das RWI zu dem Ergebnis, dass die bisherigen Schätzungen zu hoch ausgefallen waren – weil es zum Beispiel mit weniger grünem Wasserstoff, E-Autos und Wärmepumpen rechnet -, könnte das die Ausbauziele von Wind- und Solaranlagen gefährden.

Man müsse ein „Stückchen mehr Realismus“ wagen, sagte Reiche am Montag. Es müsse weiter in Erneuerbare investiert werden, aber „wir brauchen eine Zeitenwende, wenn Sie so wollen, in der Energiepolitik“. Sophia van Vügt, Energieexpertin bei Greenpeace fürchtet ein „fossiles Comeback“ und hält dagegen: „Statt die Ziele runterzuschrauben, sollte die Bundesregierung alle Anreize auf eine schnelle Elektrifizierung ausrichten.“

Für die Studie hat Enervis ein Szenario mit den aktuellen Ausbauzielen und Schätzungen für den Strombedarf verglichen mit Strombedarf-Schätzungen von industrienahen Gruppen wie dem Bund der Deutschen Industrie und EnBW. Damit wollen die Stu­di­en­au­to­r*in­nen dem Energiemonitoring nahekommen, falls es den Strombedarf kleinrechnet.

Dabei haben sie auch herausgefunden: Ein langsamerer Ausbau von Wind und Solar bei geringerem Strombedarf würde für 79 Prozent Erneuerbaren-Anteil am Strommix sorgen, nur drei Prozent weniger als unter den derzeitigen Zielen. Aber falls der Verkauf von Wärmepumpen und E-Autos noch anzieht, würden jährlich 5,6 Millionen Tonnen CO2 mehr ausgestoßen als unter den aktuellen Ausbauzielen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Ahnt man denn schon was bei der Überprüfung der Energiewende durch Ministerin Reiche herauskommen wird, wenn man sich jetzt schon dagegen wappnet? Warum jetzt schon gegen etwas sein, was noch gar nicht publiziert ist, was also unbekannt ist?



    Dass der Energiewende der Makel anhaftet, dass Sie statt mit einem Plan nur mit Wunschzielen angegangen wurde, das wurde der Ampelregierung während deren Amtszeit gleich 3 mal sozusagen aus den eigenen Reihen (Expertenkommission und Bundesrechnungshof) vorgeworfen. Geht es darum?

  • Vielleicht haben es einige Menschen noch nicht gemerkt. Im Winter ist die Photovoltaik fast ein Totalausfall. Je mehr Photovoltaikanlagen gebaut werden, umso größer wird die Energielücke im Winter.



    Deshalb müssen leider verstärkt Gaskraftwerke für den Winter gebaut werden. Das wird natürlich teuer.

  • Hier die zugehörigen Links: Blogeintrag [1], Studie [2].



    Wieder mal werden solche Binsen wie Versorgungssicherheit, erforderliche Flautenkraftwerke, Langzeit- u.a. Speicher, Netzausbau, Kosten noch nicht einmal erwähnt.



    Da warte ich lieber auf Reiche: "Ziel ist es zu überprüfen, ob und wie die Klimaschutzziele kosteneffizient und unter Gewährleistung der Versorgungssicherheit erreicht werden kann." [2]



    [1] green-planet-energ...iewende-monitoring



    [2] green-planet-energ...chwindigkeiten.pdf

  • Aus allen Aktivitäten der neuen CDU/CSU/SPD-Regierung kann man herauslesen, daß ihr einziges unstrittiges Ziel ist, die AfD endlich an die Macht zu bringen. 33 läßt schön grüßen, dann kann Deutschland hundertjähriges Jubiläum feiern.

    • @Alberta Cuon:

      Haben Sie sich bei der Kommentierung im Artikel geirrt? Wenn die gegenwärtige Regierung den Windkraftausbau verlangsamt weil der Windenergieüberschuss nicht ökonomisch sinnvoll gwnutzt werden kann profitiert die AFD,, welche



      die Windkraftŕäder schwachsinnigerweise am liebsten ganz abschaffen will?

  • Es ist zum Verzweifeln.



    Wir brauchen eine Zeitenwende? Zum Teufel, wir befinden uns inmitten einer.



    Von den fossilen hin zu erneuerbaren Energieformen.



    Wie kann es sein dass Lobby-gesteuerte Partikularinteressen hier zur Bundespolitik gemacht werden?