Studie über Deutschkenntnisse: Willkommensklassen verzögern Spracherwerb
Junge Geflüchtete lernen am besten Deutsch, wenn sie schnell in eine Regelklasse kommen. Passiert das nicht, leidet ihr Spracherwerb langfristig.

Der Studie zufolge gehen lange Wartezeiten bis zur Einschulung auch Jahre später noch mit schlechteren Deutschkenntnissen einher. „In vielen Bundesländern beginnt die Einschulung erst dann, wenn die Zuweisung der Flüchtlingsfamilie zu einer Kommune erfolgt ist“, erklärte Oliver Winkler vom Institut für Soziologie der Universität. Als Folge warteten schulpflichtige Flüchtlingskinder oft deutlich länger als ein halbes Jahr auf ihre Einschulung und hätten in dieser Zeit keinen Kontakt zu deutschsprachigen Mitschülerinnen und Mitschülern.
Dieser mangelnde Kontakt zu gleichaltrigen Nichtgeflüchteten ist aus Sicht der Forschenden offenbar auch ein Grund dafür, dass die in vielen Bundesländern eingerichteten Willkommensklassen kaum einen positiven Effekt haben. „Wir haben festgestellt, dass ehemalige Schülerinnen und Schüler von Willkommensklassen auch Jahre später noch geringere Sprachkenntnisse als jene Flüchtlinge haben, die von Anfang an Regelklassen besuchten“, erklärte Winkler. In den Vorbereitungsklassen gelänge es offenbar nicht ausreichend, Anfangsunterschiede beim Sprachniveau auszugleichen.
Zusammenhang zwischen Asylstatus und Sprachkenntnissen
Wie die Studie weiter zeigt, hängen Sprachkenntnisse offenbar auch vom Asylstatus ab. Geflüchtete, die mit dem latenten Risiko lebten, abgeschoben zu werden, haben demnach schlechtere Deutschkenntnisse, Wer nicht wisse, ob er bleiben dürfe, investiere womöglich weniger in seine Deutschkompetenzen, erklärten die Forschenden.
Der Politik empfehlen die Studienautoren daher, für eine möglichst schnelle Einschulung und eine rasche Integration in den Fachunterricht zu sorgen. Insbesondere in den Grundschulen sollte auf separierende Vorbereitungsklassen verzichtet werden.
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