piwik no script img

Debatte um EinbürgerungenKai und Co. springen übers Stöckchen

Springer und Teile der CDU fahren eine Kampagne gegen Einbürgerungen in Berlin. Mit der Realität hat das wenig zu tun.

Unheilige Allianz, von alters her: Berlins oberster CDUler Kai Wegner bei einem „Bild“-Event Foto: Eventpress Kochan/imago

Berlin taz | Bild und B.Z. fahren seit Tagen eine Schmutzkampagne gegen das seit eineinhalb Jahren in Berlin praktizierte digitale Einbürgerungsverfahren – und Teile der Union sind aufgesprungen. Die Vorwürfe: Wenn Einbürgerungsanträge nur digital gestellt werden und die Antragsteller erst zur Überreichung der Einbürgerungsurkunde bei der Behörde vorsprechen, könne man ihre Deutschkenntnisse nicht prüfen, zudem sei ihr Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zweifelhaft.

Werden da womöglich Verfassungsfeinde, Islamisten und Menschen, die kein Deutsch sprechen, eingebürgert? Mit den hohen Fallzahlen – die Behörde hat für dieses Jahr ein Ziel von 40.000 Einbürgerungen erklärt – verkomme der deutsche Pass zudem zur „Ramsch-ware“ (Bild).

Doch die Kritiker müssen sich die Frage gefallen lassen, ob es ihnen nicht um etwas anderes geht: Passt es ihnen nicht, dass die Bewerber in der Regel einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung haben – und sie darum eben nicht zu Kreuze kriechen müssen?

Der Regierende Kai Wegner teilte anfangs die Kritik, sagte dann aber im Abgeordnetenhaus, Innensenatorin Iris Spranger (SPD) habe ihm versichert, „dass Einbürgerungen auch beim digitalen Verfahren rechtssicher erfolgen und Missbrauch ausgeschlossen sei.“

Bis zu 10 Jahre Wartezeit

CDU-Fraktionschef Dirk Stettner fordert hingegen „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“. Massenhafte Einbürgerungen seien nicht das Ziel der Union. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) sagt, er könne sich „schlecht vorstellen“, dass der Verfassungstreuecheck ohne persönliche Vorsprache im Amt funktioniere.

Bis Ende 2023 waren in Berlin die Bezirke für Einbürgerungen zuständig. Auf Initiative von Rot-Rot-Grün wurde 2024 eine zentrale Einbürgerungsbehörde im Landesamt für Einwanderung (LEA) geschaffen. Denn es hatte sich ein Stau von 40.000 offenen Einbürgerungsanträgen angesammelt, während die Bezirke nur 9.000 Anträge pro Jahr bearbeiten konnten.

Antragsteller warteten nicht selten fünf oder zehn Jahre, bis sie an der Reihe waren. Wenn während der Wartejahre den Antragstellern ein Kind geboren oder die Miete erhöht wurde, mussten alle Angaben zum Einkommen der Familie erneut eingereicht und geprüft werden. Denn wer den deutschen Pass haben will, muss seinen Lebensunterhalt ohne Sozialleistungen finanzieren.

Hinzu kommt: Wer einen Antrag auf den deutschen Pass stellt, hat einen gesetzlichen Anspruch auf zügige Bearbeitung. Hört man sechs Monate nach Antragstellung nichts aus der Behörde, kann man eine Untätigkeitsklage bei Gericht einreichen. Das geschah 2024 exakt 1.321 Mal, in 2025 bereits fast 2.000 Mal. Das LEA hat fast immer verloren, denn noch immer sind nicht alle 40.000 Altanträge abgearbeitet.

Verfahren wurde beschleunigt

Um die Einbürgerungszahlen zu erhöhen, bekam das LEA mit seiner neuen Staatsangehörigkeitsbehörde eine Personalaufstockung, zudem wurde das Verfahren digitalisiert. Antragsteller müssen alle zur Prüfung benötigten Unterlagen wie Zertifikate über deutsche Sprachkenntnisse, Einkommens- und Steuerbescheide digital hochladen. Nicht jeder kommt damit klar. So gibt es längst migrantische Dienstleister, die das Sammeln und Hochladen der Belege gegen eine Gebühr von 100 Euro übernehmen. Die linke Abgeordnete Elif Eralp fordert darum, auch das Stellen von Papieranträgen wieder möglich zu machen.

Tatsächlich hat sich das Verfahren seither immens beschleunigt: Seit 2024 wurden in Berlin nach Angaben der Innenverwaltung 41.862 Menschen eingebürgert und 738 Anträge auf Einbürgerung abgelehnt. Das heißt aber nicht, dass alle vor 2024 gestellten Altanträge abgearbeitet sind, denn diese werden nicht priorisiert.

Das kritisiert der grüne Abgeordnete Jiam Omar. „Wir fordern, die ältesten Anträge zuerst zu bearbeiten, denn diese Menschen warten seit Jahren.“ Stattdessen bietet das LEA den Altantragstellern an, ihre Anträge erneut digital zu stellen, denn digitale Anträge bearbeiten sich schneller. Die Antragsteller müssen dafür allerdings ein zweites Mal 255 Euro Gebühren pro Person zahlen.

Anders als die Springer-Zeitungen hält das LEA selbst das digitale Verfahren für fälschungssicherer als das Papierverfahren. „Die Beschäftigten in der Verwaltung haben vollständigen Zugriff auf die elektronischen Ausländerakten der Einbürgerungsbewerber“, sagt eine Sprecherin der taz. Man könne beispielsweise aktuelle Angaben mit früher eingereichten Schulzeugnissen und Steuerbescheiden vergleichen.

Bekenntnis zu Israel?

Wie viel sicherer das digitale Verfahren sei, hätten exemplarisch auch die laufenden Ermittlungen gegen einen ehemaligen Mitarbeiter bewiesen, so die Sprecherin. Der Mann habe versucht, seine Geliebte einzubürgern, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorgelegen hätten. Dieses kriminelle Vorgehen, so die LEA-Sprecherin, wäre in einem Verfahren mit Papierakte deutlich leichter zu bewerkstelligen gewesen. Und da im Einbürgerungsverfahren auch Strafverfahren und Hinweise des Verfassungsschutzes herangezogen werden, könnten Islamisten und Straftäter gefunden und ihre Anträge abgelehnt werden.

Was die Behauptung der Springerpresse angeht, in Berlin sei das Bekenntnis von Einzubürgernden zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung zweifelhaft, wenn man es zu Hause am Computer ablegen könne, erklärt der Grüne Omar: „Die Einbürgerungskandidaten erhalten die Erklärung zugesandt, die sie vor der Einbürgerung im Beisein von Beamten vorlesen müssen.“

Kai Wegner erwägt, Einbürgerungen in Zukunft davon abhängig zu machen, ob sich Personen zum Existenzrecht des Staates Israel bekennen. Innensenatorin Iris Spranger erklärt allerdings der taz, das sei nicht nötig. Denn Einbürgerungsbewerbende müssten sich bereits jetzt „zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen sowie auch zur besonderen historischen Verantwortung Deutschlands für die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft und ihren Folgen, insbesondere für den Schutz jüdischen Lebens.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

19 Kommentare

 / 
  • Meine Frau lebt seit 13 Jahren hier, war immer sozialversicherungspflichtig beschäftigt, hat 5 wohlerzogenen deutsche Gymnasialkinder zu Welt gebracht und Ihr wird der Pass verweigert, weil Sie in einer 7 köpfigen Familie ein fünfstelliges Nettoeinkommen erzielen müsste. Ein Alleinstehender Einwanderer der 3 Jahre hier ist und sich mal kurz für 3 Monate anstellen lässt oder ein kurzzeitig selbständiges Einkommen generiert, dem System aber weder durch Kinder, Erziehung oder Sozialabgaben einen Beitrag hat zukommen lassen, bekommt ohne Schwierigkeiten einen Pass. Es kommt einem vor, wie wenn man das Zuverlässige verschmäht, während man dem Ungewissen die Türe aufhält. Wenn man hier ohne Papiere, ohne Namen, ohne Historie ankommt, bekommt man eine Identität. Wer aber eine Identität hat, ist scheinbar unerwünscht. Manchmal muss man glauben, daß dieses destruktive Verhalten Schule macht bzw. gewollt ist...

  • "Kai Wegner erwägt, Einbürgerungen in Zukunft davon abhängig zu machen, ob sich Personen zum Existenzrecht des Staates Israel bekennen."

    Die Frage nach dem Existenzrecht der Bewohner des Gaza-Streifens steht für Wegner aber nicht auf der Agenda, vermute ich mal?

    • @Kaboom:

      Ist doch 'nett', wie Wegner den beabsichtigten R#ssismus mit etwas scheinbar Hehrem ummantelt.



      Universal gelten Rechte, für Menschen wie Staaten (Palästinas Existenzrecht gemäß UN-Resolutionen wäre doch auch etwas)!







      Wegner hat so einiges nicht verstanden, außer aufs braune Surfbrett zu schielen.

      • @Janix:

        Dazu als kleiner Tipp: www.tagesschau.de/...nserstaat-100.html

        Israel sollte eine Politik Jitzchak Rabins und nach Meron Mendels verfolgen. Benny Gantz war mit der arabischen Liste da schon auf dem richtigen Weg.

        • @Hamburger in Istanbul:

          Die Wählermehrheit hierfür war noch unter Rabin deutlich vorhanden. Der wurde sehr bewusst von einem Rechtsextremen ermordet, dessen Positionen heute teils von Regierungsmitgliedern zu hören ist. Peres hätte damals eine sofortige Neuwahl machen müssen, um die Rechtsradikalen und ihre Likud-Freunde kleinzudrücken, dann wäre es vielleicht etwas anders gelaufen. Doch auch er war dafür und für einen gerechten Frieden wohl nicht couragiert genug.

          Die Realität einer ungerechten Ungleichheit dort verroht die Mentalität und lässt Menschen zu abwertenden Hassern der "anderen" werden, damit die kognitive Dissonanz nicht zu groß wird. Ich würde mir eine simple Lösung wünschen, ich sehe sie nicht. Vielleicht muss eine faire Realität zuerst kommen, und die Entkrampfung der Ideologien folgt erst dann. Die Gewalttreiber nach Den Haag, Rechtsprinzipien mit Druck von außen Stück für Stück wieder gewinnen, Ängste ohne Folterapparat ablegen.

  • Make fake news great - 2084



    „Jetzt wird die Christenunion sturmreif geschossen, die Brandmauer zur AfD bröckelt immer mehr, die Kampf-Springer helfen fleißig mit.



    Schon bald sehen wir eine Minderheitsregierung ohne SPD unter Duldung der Rechtsextremisten.“



    Du meine Güte, manchmal träumt man echt fürchterliche Dinge. War doch nur ein Traum, oder?

  • Fragt sich natürlich, wer in der Realität einen CDU-Bürgermeister für Berlin gewählt hat. Gibt es diese Wähler/-innen wirklich?

    • @Kommen Tier:

      Das waren die Wähler die von RRG enttäuscht waren, da nach der Wahl auch nur heiße Luft rauskam.

    • @Kommen Tier:

      Gewählt wurde die CDU in den durchaus einwohnerstarken Außenbezirken vom ehemaligen West-Berlin, also den Leuten, die überwiegend mit ihrem Auto unbehelligt in die Innenstadt fahren wollen, trotz Verkehrsinfarkt und Feinstaub bis zum Ersticken. So zumindest die Auswertung der Wahlkreise bei der Wiederholungswahl 2023. Damals war schon die Stimmung gegen die Ampel "gekippt".

    • @Kommen Tier:

      Die SPD hatte eine Gestaltungsmehrheit ohne Schwarz.



      Giffey nutzte sie nur nicht.

  • Sorry, doch geht es der Springerpresse nicht wie so häufig um eine weitere populistisch-schmierige Kampagne gegen "Ausländer", also gewisse natürlich? Um von Ausbeutung etc. abzulenken. Kampfpresse auf der falschen Seite der Front.

  • Ist schon seltsam, die Einbürgerung in Deutschland vom Bekenntnis zum Existenzrechts eines Drittstaates zu machen.

    Zumal das mit dem Existenzrecht Israels nicht so eindeutig ist, wie beispielsweise bei Liechtenstein. Und da wäre natürlich auch die Frage nach in welchen Grenzen?

  • Alle beklagen, dass in Deutschland zu viel mit Papierakten gearbeitet wird und alles digital werden soll, damit die Verwaltung schneller funktioniert. Jetzt ist es auch nicht recht.



    Hauptsache die CDU und die 'BLÖD' können ihre Migrantenfeindlichkeit ausleben. Unwürdig, einfach nur unwürdig.

  • "Kai und Co. springen übers Stöckchen" - Ich habe diesen Text jetzt mehrfach gelesen und finde dieses Stöckchen nicht...

  • Beim lesen des letzten Absatzes kamen mir sofort die AfD und ihre Sympathisanten in den Sinn. Vermutlich ist die Verfassungstreue bei den eingebürgerten Menschen deutlich ausgeprägter als bei den Rechtsextremisten.

    • @Flix:

      Da man sich ja nicht aus Langeweile einbürgern lässt, sondern häufig weil man Willkür, Verfolgung und Gewalt erlebt hat - also genau das wovor Grundgesetz und Rechtsstaat schützen - würde ich sogar sagen, dass den meisten Eingebürgerten mehr an der Verfassung liegt als dem "Durchschnittsdeutschen".

      Rechte sind da schon klar aus der Wertung, die sind schließlich oft für Willkür und Faustrecht und am Ende eben nicht für Recht und Ordnung.

    • @Flix:

      Auch absurd, dass gerade unser Recht und Gesetz mit Füssen tretender Ausländer-Maut- und Grenzschließungs-Dobrindt von einem Verfassungstreue-Check schwadroniert...

  • Da sind sie schon digital und es wird doch wieder papier gefordert...



    Ufff

  • Man darf bei BILD und Teilen der CDU durchaus ebenfalls ihr Verhältnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung anzweifeln.