Krimi-Autor über Tiersprachen: „Es gibt ein Interesse, dass Tiere nicht verstanden werden“
Ein Konzern aus China hat ein Patent zum Entschlüsseln von Tiersprachen angemeldet. In Tibor Rodes Krimi „Animal“ verstehen Mensch und Tier sich schon.

taz: Herr Rode, Sie nennen Ihre Thriller „True Science“. Wie viel Wahrheit steckt denn in Ihrer Geschichte vom Schwein Rosa, das in Hamburg einen Gerichtsprozess anstrengt?
Tibor Rode: Es geht ja darum, ob wir mit Tieren reden können. Und da steht die Forschung dank Künstlicher Intelligenz (KI) kurz vor dem Durchbruch. Tierarten wie Wale und Vögel haben komplexe Sprachen und sie haben die gleichen Sprachmuster wie die Menschen. Es gibt dazu millionenschwere Forschungsprojekte und ich rechne fest damit, dass es bis zum Ende des Jahres spektakuläre Nachrichten darüber geben wird.
taz: Haben Sie für Ihren Thriller „Animal“ also die Forschungslage recherchiert und dann ein wenig vorausgedacht?
Rode: Genau! Ich dachte mir vor zwei Jahren solch einen Plot aus und gerade jetzt im Mai kam die Meldung, dass der größte chinesische Technologiekonzern ein Patent auf die Entschlüsselung von Tiersprachen angemeldet hat. Die Idee ist, ein Halsband zu produzieren, das übersetzen kann, was das Tier gerade eigentlich will.
taz: Das wäre doch ein riesiger Markt für all die Leute, die gerne mit ihren Haustieren reden möchten.
Rode: Ja, aber andererseits gibt es auch eine riesige Industrie, die Tiere züchtet, ausbeutet und verwertet. Und da gibt es ein großes Interesse daran, dass Tiere nicht plötzlich eine Stimme bekommen und Gefühle äußern können. Und das ist natürlich für einen Thriller perfekt.
taz: In welche Richtungen wird denn zu diesem Thema geforscht?
Rode: Man forscht vor allem mit Walen, denn die haben in den 50 Millionen Jahren eine komplexe Sprache mit Gesängen und Klicklauten entwickelt. Da weiß man inzwischen schon worüber sie reden und dass sie sich etwa über Futterplätze austauschen. Sie haben sogar verschiedene Dialekte. Ein australischer Wal klingt anders als ein amerikanischer Wal. Am meisten hat mich überrascht, dass die Wale sich gegenseitig Namen geben.
taz: Und wie haben die das herausgekriegt?
Rode: Viele Wale haben auf ihrem Rücken Sender, Mikrophone und Kameras. Und die Millionen von Daten, die so entstehen, kann die KI auswerten. Und zwar nicht nur analysieren, sondern auch nachmachen.
taz: Sie können Tiere also nicht nur verstehen, sondern auch mit ihnen sprechen?
Rode: Mittlerweile kann man einen Lautsprecher ins Wasser halten, und einen gespiegelten Satz abspielen und dann kommt der Wal, weil er denkt, er würde angesprochen. Da tauchte dann auch einmal ein Wal auf und schlug irritiert mit seine Flossen, weil sich da jemand unter seinem Namen gemeldet hatte.
„Animal“ von Tibor Droste, Donnerstag, 24. 7., Die Drosterei, Pinneberg, Dingstätte 23
taz: Sie verbinden in ihrem Roman diese neue Technologie mit der Frage, wie es um die der Rechte der Tiere steht. Aber wenn man Tierprozesse googelt kommt man nur auf historische Strafprozesse gegen Tiere, die Menschen getötet oder Ernten vernichtet haben.
Rode: Da gibt es sogar einen Holzstich aus dem Mittelalter, in dem ein Schwein auf der Anklagebank sitzt.
taz: Die Chancen, dass bald ein Schwein in Hamburg einen Prozess gewinnt, sind also doch eher gering?
Rode: Tatsächlich gab es ein Urteil vom Verwaltungsgericht Hamburg, wo die Tiere der Nordsee gegen Deutschland geklagt haben, um die Verklappung von Müll zu verhindern. Und in den Urteilsgründen hat das Gericht dann gesagt, Tiere können nicht klagen, weil sie nicht vernunftbegabt und deshalb Sachen und keine juristischen Personen sind. Und genau da setze ich in meinem Buch an, denn wenn Tiere sich Namen geben und wenn eine Biene mit dem Hintern wackelt und so den anderen Bienen genau sagen kann, wo der Nektar ist, dann müssen wir solch ein Urteil neu überdenken.
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