Streit über AfD-Verbot: SPD-Innenminister zögern trotz Parteitagsbeschluss
Auf dem Parteitag hat sich die SPD dafür ausgesprochen, das AfD-Verbot zu prüfen. Viele SPD-Innenminister bleiben aber zögerlich, wie eine taz-Umfrage zeigt.
Im Beschluss des SPD-Parteitags heißt es: „Jetzt ist die Zeit, dass die antragsberechtigten Verfassungsorgane die Voraussetzungen schaffen, um unverzüglich einen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der AfD stellen zu können.“ Man wolle auf eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe hinwirken, die mit der Sammlung von Materialien beginnt, Gutachter*innen sollen das Material prüfen, ob es für ein Verbot ausreicht. Wenn ja, dann soll der Verbotsantrag gestellt werden. Den könnte neben Bundesregierung und Bundestag auch der Bundesrat stellen, wie es etwa beim zweiten NPD-Verbotsverfahren geschehen ist.
Man sollte meinen, das würde auch bedeuten, dass die SPD-geführten Innenbehörden nun beginnen würden, Erkenntnisse und Belege für die Verfassungswidrigkeit der AfD zusammenzutragen. Oder zumindest eine solche Bund-Länder-Gruppe einzufordern. Davon ist in der SPD bislang allerdings noch wenig zu sehen, wie eine Umfrage der taz in den acht Innenbehörden, die von der SPD geleitet werden, ergab.
Aus dem Beschluss folgt erst mal: nicht viel. Die SPD-Innenminister und ihre Behörden, die für Materialsammlung zuständig wären, zeigten sich in der Gesamtschau eher zögerlich. Exemplarisch: Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) etwa will zum Beschluss des SPD-Parteitags nichts sagen. Ob der konkrete Folgen für die Innenbehörde haben würde, wollte die taz wissen. Sinngemäße Antwort: Nö. Oder genauer: „Die allgemeine Diskussion über ein AfD-Verbot kommentiert der Bremer Innensenator derzeit nicht.“
Keine „unmittelbaren Konsequenzen“
Stattdessen verweist Bremen aber auf den Beschluss der Innenministerkonferenz, wo länger über das AfD-Verbot gesprochen wurde, aber formal daraus nichts folgte. Dort wurde lediglich eine Arbeitsgruppe zum Umgang mit AfD-Beamt*innen und Waffenbesitzer*innen nach der Hochstufung als „gesichert rechtsextrem“ beschlossen. „Die Prüfung eines Verbotsverfahrens ist nicht Gegenstand der Arbeitsgruppe“, unterstreicht Bremer Behörde noch einmal. Ähnlich äußerte sich Hamburg. Und auch aus Brandenburg heißt es: „Unmittelbare Konsequenzen hat dieser Beschluss für das Innenministerium des Landes Brandenburg nicht.“ Man solle sich doch an die politischen Entscheidungsträger und damit zunächst die Bundes- und Landesregierung wenden.
Auch Mecklenburg-Vorpommern plant keine konkreten, geschweige denn „unverzügliche“ Schritte und will offenbar noch die Gerichtsverfahren zur Einstufung abwarten: „Die gerichtliche Überprüfung der Einstufung als gesichert extremistische Bestrebung kann Anhaltspunkte für die Erfolgsaussichten eines etwaigen Parteiverbotsverfahrens liefern. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass ein solches Verfahren in der Regel mehrere Jahre in Anspruch nimmt (vermutlich zwei bis drei Jahre).“ Allerdings betonten Mecklenburg-Vorpommern und weitere Länder, dass vom Verfassungsschutz natürlich fortlaufend Erkenntnisse gesammelt würden.
Auf Dobrindt-Linie
Damit sind diese SPD-Behörden in dieser Frage im Grunde auf Linie mit dem Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), der sich vom Antrag des Koalitionspartners gänzlich unbeeindruckt zeigte: „Entscheidungen des Parteitags der SPD sind für den Innenminister noch kein Auftrag“, sagte dieser zu Wochenbeginn im Podcast des Newsletter-Dienstes Table Media.
Anders als ihre Genoss*innen sieht das die SPD-Bundestagsabgeordnete Carmen Wegge, die auch in der letzten Legislatur bereits eine Bundestagsinitiative zum Verbot startete. Sie sagte der taz: „Der SPD-Parteitagsbeschluss beinhaltet den klaren Auftrag an alle SPD-Mitglieder, die Teil der antragsberechtigten Gremien sind, sich für den nächsten Schritt auf dem Weg hin zu einer Überprüfung der AfD vor dem Bundesverfassungsgericht einzusetzen. Dazu gehören auch die SPD-Innenminister*innen.“
Wegge selbst werde nun auch im Bundestag offiziell die Gespräche mit dem Koalitionspartner wieder aufnehmen, sagte sie: „Es ist unsere demokratische Pflicht, die uns zur Verfügung stehenden Mittel unserer Mütter und Väter des Grundgesetzes zu nutzen, sollte unsere Demokratie in Gefahr sein.“
Etwas tatkräftiger äußerten sich immerhin die Innenministerien in Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. So forderte Daniela Behrens (Niedersachsen) angesichts der Hetze der AfD gegen Geflüchtete und Migrant*innen: „Ich erwarte vom Bundesinnenminister, dass er das Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz ergebnisoffen analysiert und intensiv prüft, ob und inwieweit sich daraus die juristischen Grundlagen für ein mögliches Verbotsverfahren ableiten lassen.“
Und aus dem Ministerium von Michael Ebling in Rheinland-Pfalz ist sogar zu hören, dass man dort bereits daran arbeite, „belastbare Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen und rechtsextreme Netzwerke zusammenzutragen“. Ein Verbotsantrag aber dürfe nicht scheitern, dafür brauche es eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit auf Bundes- und Länderebene. „Vor diesem Hintergrund befürworten wir ausdrücklich die Einsetzung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die Informationen und Erkenntnisse strukturiert zusammenführt und prüft, ob die Voraussetzungen für einen Antrag zur Einleitung eines Parteiverbots gegeben sind.“
Bereits länger fordert das bereits Thüringens Innenminister Georg Maier, in dessen Bundesland der AfD-Landesverband mit Björn Höcke besonders radikal aufgestellt ist. Er forderte auf taz-Anfrage erneut eine schnelle Einrichtung einer Bund-Länder-Gruppe zum Thema und die möglichst rasche Einleitung eines Verbotsverfahrens: „Die Radikalität der Partei ist offen zu sehen, man sollte sich in dieser Frage nicht nur auf den Verfassungsschutz fokussieren“.
Allerdings könne Maier verstehen, wenn die SPD-Innenminister es in Ländern mit weniger radikalen Landesverbänden anders sähen. Er sehe nach den Diskussionen auf der Innenministerkonferenz aber durchaus Bewegung in SPD und sogar der Union, aus der sich zuletzt etwa der Ministerpräsident Schleswig-Holsteins Daniel Günther für einen Verbotsantrag ausgesprochen habe: „Der Beschluss wird von der Union aufmerksam wahrgenommen, auch dort gebe es mehr Diskussionen zum Umgang mit der AfD.“
Die üblichen Ausflüchte von Innenminister Dobrindt, die AfD wegregieren zu wollen, ließ er nicht gelten: „Die Gegner des Verbots wollen nicht wahrhaben, dass die AfD nicht auf unserem Feld spielt, sie lügt und will die Demokratie von innen aushöhlen – politisch bekommt man das nicht klein, wie man in den USA beobachten kann.“
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