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Protestwelle und Sportevents in den USANormalisierung von Faschismus

Klub-WM und Gold Cup starten parallel zu den massiven Protesten in Los Angeles gegen die US-Regierung. Wo aber bleibt aber die Kritik aus dem Sport?

Alles einfach nur Fußball? Ein FC Bayern-Fan begutachtet die Trophäe des neuen Wettbewerbs Foto: Sven Hoppe/dpa

E s ist eine bizarre Kulisse, vor der ab dem 14. Juni die Klub-WM und der Gold Cup beginnen: In Los Angeles schickt eine immer autoritärer agierende US-Regierung Soldaten gegen Demonstrant:innen, die Einwanderungsbehörde ICE deportiert in einer makabren Inszenierung willkürlich Tausende von Bür­ge­r:in­nen, Trump ordnet an, „dass die Demonstranten härter verprügelt werden, als sie jemals geprügelt wurden“ – und die Welt reist zum Fußball an. Schweigend.

Unter den Teilnehmenden beim Gold Cup befinden sich ausgerechnet viele Staaten aus Mittelamerika, die konkret von den US-Menschenrechtsverbrechen gegen Ein­wan­de­re­r:­in­nen betroffen sind oder diese unterstützen. Gleich gar nicht thematisiert werden die schweren Kriegsverbrechen in Gaza, wo die US-Regierung offen eine ethnische Säuberung vorantreibt, oder die heftige Diskriminierung von trans Menschen. Die deutschen Klubs Bayern und Dortmund finden zu alledem keine Worte. Und deutsche Medien sorgen sich vorwiegend um die Sicherheit mitreisender Fans. Was ist los mit den Leuten?

Das Schweigen der Klubs ist nicht überraschend. Große Wirtschaftsunternehmen wie BVB und Bayern, die sich vor allem auf Druck engagierter Fans Menschenrechte in den „Code of Conduct“ geschrieben haben, sind keine verlässlichen Partner im Kampf gegen den autoritären Kapitalismus. Sie werden ihre Menschenrechts- und Diversitätsbekenntnisse in der Sekunde fallen lassen, in der sie zum wirtschaftlichen Ballast werden. Von einem System, das nur auf Transaktionen setzt und sich um Ethik nicht kümmert, kann man keine ethischen Entscheidungen erwarten.

Wirklich ärgerlich dagegen ist das Achselzucken in großen Teilen von Fanszenen und Medien. Es illustriert eine schleichende Normalisierung von Faschismus. Hätten sich dieselben Szenen und dieses Turnier während Trumps erster Amtszeit abgespielt, wäre eine Boykottdebatte die klare Folge gewesen – womöglich hätte es sie sogar ohne konkreten Anlass gegeben. Doch analog zu Friedrich Merz, der sich im Weißen Haus einschmeichelt, hat sich auch in der deutschen Öffentlichkeit etwas verändert: Grauen ist normalisiert.

Braucht es einen Turnierboykott?

Gut, dass es im US-Fußball Widerstand gibt. Im Stadion des an der Klub-WM teilnehmenden Los Angeles FC demonstrierten Fans gegen die Behörde ICE. Der Klub hat sich, wenn auch ohne direkte Regierungskritik, mit den Ein­woh­ne­r:in­nen von L. A. solidarisiert. Für das Franchise ist es offenbar noch nicht opportun, sich auf die MAGA-Seite zu stellen. Damit ist es deutlich resilienter als etwa die Tech-Branche. Auch dank dessen wird es nicht ganz gelingen, Politik aus diesem Turnier rauszuhalten.

Aber warum zeigen sich die deutschen Klubs nicht solidarisch mit dem Franchise, das sogar ein Partner des FC Bayern ist? Es braucht nicht unbedingt einen Turnierboykott, der unrealistisch ist und in diesem immer gewaltvolleren Wirtschaftssystem ohnehin für fast jeden Gastgeber gelten müsste. Aber Klubs, einzelne Spieler und mehr Fans müssen dringend Druck ausüben, Verbrechen klar benennen und mit NGOs kooperieren, statt sich nur an Kommerz und dem übervollen Spielplan abzuarbeiten. Nur sehr vereinzelt findet so etwas statt. Das allgemeine Desinteresse – nur 15 Prozent deutscher Fans finden die Klub-WM interessant – hilft sicher nicht.

Somit könnten eher die Finanzen zum mächtigsten Faktor werden. Sollten die Einnahmen der Klub-WM tatsächlich geringer ausfallen als geplant, könnte das zumindest auf Einreisepolitik und politische Bilder rund um die WM 2026 wirken. Das aber reicht nicht. Bis zur WM 2026 und Olympia 2028 ist noch Zeit, Haltungen zu entwickeln, Kampagnen zu starten, laut zu werden. Wer schweigt, normalisiert Faschismus. Mit Folgen für uns alle.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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6 Kommentare

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  • "Was ist los mit den Leuten?"

    Zum Beispiel weil jedes mal, wenn sich Sportler irgendwo politisch äußern und dabei vielleicht nicht ganz den Ton treffen, sich nicht differenziert genug und allinformiert präsentieren, ihre Aussagen von der Presse um die Ohren gehauen bekommen.



    Was wäre denn, wenn sich Fußballer X,Y zum Beispiel zu den Menschenrechtsverletzun gen in Gaza äußern würde? Es gäb den nächsten Tag zig Artikel. "Warum hat er nicht erwähnt, dass die Hamas...?", "Warum spricht er über Gaza, aber nicht über den Sudan?", "Steht es Deutschen zu, sich kritisch zu Israel zu äußern?"



    Und was würde Alina Schwärmer schreiben, wenn es vielleicht andersherum läuft und der Sportler (wie zum Beispiel Bayerns israelischer Torhüter Daniel Peretz) eher die israelische Sicht teilt?



    Es ist zu begrüßen, wenn sich Sportler politisch äußern. Aber es einzufordern, vor allem in Debatten wo man sich fast nur die Zunge verbrennen kann, ist dann doch ziemlich vermessen.

  • "die Einwanderungsbehörde ICE deportiert in einer makabren Inszenierung willkürlich Tausende von Bür­ge­r:in­nen"



    Willkürlich ist da gar nichts. Es handelt sich um Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung für die USA.



    Nur weil das in den letzten Jahren/Jahrzehnten geduldet wurde, ist es noch lange nicht geltendes Recht.



    Trump verfolgt mit seinem Vorgehen in L.A. mehrere Ziele:



    1. Will er Stärke zeigen



    2. Will er eines seiner Wahlversprechen zumindest ansatzweise einlösen



    3. Will er den kalifornischen Gouverneur Gavin Newsom, einen mutmaßlichen Kandidaten für die nächste US-Präsidentenwahl, vorführen und so demontieren



    Nach wie vor finden die Unruhen ausschließlich in L.A. statt und nach wie vor handelt es sich um ein sehr kleines Gebiet und wenige hundert Demonstranten🤷‍♂️



    Das ist kein Volksaufstand, das ist auch keine landesweite Welle, das ist ein absolut regionaler Vorfall wie der 1. Mai in Berlin oder Hamburg.



    Da passiert auch letzten Endes wenig bis nichts, aber beide politischen Lager schlachten es alljährlich für sich aus...🤷‍♂️



    So auch jetzt in L.A., das ist hässliche Innenpolitik, nur das halt die Weltpresse zugegen ist, weil die USA als Weltmacht global interessieren

  • Politiker machen Politik, Sportler machen Sport und dabei sollte es man belassen !

    • @Günter Witte:

      Und Fachidioten heißen Fachidioten, weil sie über den Tellerrand ihres eigenen Bereiches nicht hinaus sehen können oder wollen.

      So kommt die Welt gewiss weiter, wenn jede/r sich nur um seinen/ihren eigenen Kram kümmert, anstatt sich einzumischen, wo es das Menschsein gebietet, sich einmischen zu müssen.

      • @Uns Uwe:

        Ich vermisse in Ihren Beiträgen regelmäßig die Verurteilung der Hamas oder Russlands oder des Irans oder oder oder...Würde alles das Menschsein gebieten

  • In den USA werden nicht wahllos Bürger deportiert. Bürger sind Angehörige eines Staates aber die Menschen, um die es geht, haben nicht die USA Staatsbürgerschaft. Aus diesem Grund handelt es sich auch nicht um Deportationen, sondern um Abschiebungen. Das Englische Wort "Deportion" mit Deportation zu übersetzen ist nicht richtig. Mit Absicht?