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Jobwechsel von Constantin SchreiberImmer dem Herzen folgen

Constantin Schreiber wechselt von der „tagesschau“ zu Springer, während dort gerade andere gehen müssen. Wem nutzt die neue Liebesbeziehung?

„Wohin du auch gehst, geh mit deinem Herzen.“, meint Constantin Schreiber

Ein chinesisches Sprichwort lautet: Wohin du auch gehst, geh mit deinem Herzen. Ich finde, das ist ein guter Rat“, hat Constantin Schreiber in seiner letzten „tageschau“ am vergangenen Sonntag gesagt. Und wo geht er jetzt mit seinem Herzen hin? Zu Springer, und das ist ja wohl wirklich das Letzte. „Na ja, eigentlich brauchen sie diese Leute mit Herz, dass der Laden von innen heraus heilen kann“, sagt die Mitbewohnerin.

Na gut, so ein Herzchen wie ihn empfangen sie in der Premium-Gruppe beziehungsweise beim „Axel Springer Global Reporters Network“ natürlich mit offenen Armen. Während andere bei Springer ihre Arme gerade zum Raustragen ihres persönlichen Krams brauchen, weil sie ihre Arbeitsplätze räumen dürfen. Schreiber rein, Kayhan Özgenç raus zum Beispiel. Also der Mann, der Business Insider ein bisschen groß gemacht hat und jetzt eben nicht mehr Chefredakteur ist.

Wobei das „Axel Springer Global Reporters Network“ natürlich auch eine Mogelpackung ist, weil alle Insassen nebenbei noch ein paar andere Jobs im Springer-Reich haben. Formal ist Schreiber der Welt und damit der seriös wirkenden „blauen Gruppe“ bei Springer zugeordnet, hat der Konzern schon mitgeteilt. Passt, dann kann er seine seriösen blauen ARD-Anzüge einfach weitertragen.

Dass die ARD so ein Multitalent wie Schreiber ziehen lässt, hinterlässt jedenfalls auch jede Menge Fragezeichen. Ja klar, ARD aktuell, die Redaktion hinter „tageschau“ und „tagesthemen“ ist ein zäher Laden mit noch ziemlich jungen Chefs. An denen nach oben vorbeizuziehen, dürfte es schwer sein. Und die Miosga-Lücke bei „tt“ ist schon verfüllt.

Aber hatte keine der anderen Anstalten ein attraktives Angebot? Chefredakteur beim RBB zum Beispiel, das würde Schreiber locker rocken. „Nee, dieser Laden muss anders von innen heilen“, sagt die Mitbewohnerin. Aber Schreiber hat doch schon in Nahost für den libanesischen Daily Star über die Hisbollah geschrieben und kennt sich in verminten Gebieten aus.

Geld regiert die Welt

Und besser als das Sprecherhonorar pro „Tageschau“ zahlt selbst der klamme Hauptstadtsender. Auskunft erteilen diverse Berater, die dem RBB auf der Tasche liegen. Aber Springer bietet mit Sicherheit mehr, da gilt immer noch ungeniert „Geld regiert die Welt“. Auch wenn sich das gleichnamige Blatt das immer bei der roten Bild-Schwester leihen musste. Aber jetzt wird ja alles zur Premium-Gruppe zusammengelegt, und weil die Standardkräfte gehen müssen, reicht vielleicht Kohle.

Fragt sich natürlich noch, wie es um die nichtmonetären Werte bestellt ist. Mit Springers Essentials dürfte Schreiber locker klarkommen. Und wenn sich sein kritisch-kundiger Blick auf Nahost, Islam und den ganzen Rest auch im üblichen Springer-Gegeifere durchsetzt, wäre das sogar 'ne positive News. Und würde ganz nebenbei auch konstruktiven Journalismus darstellen.

So lange gilt, was Kayhan Özgenç zum Abgang seiner Truppe ins Redaktionspoesiealbum geschrieben hat: „Glaubt an euch und denkt auch immer wieder daran, dass ihr einen ganz besonderen Beruf ausgewählt habt. Journalisten haben die Aufgabe, den Mächtigen in Politik und Wirtschaft auf die Finger zu schauen, und notfalls auch zu hauen.“ Notfalls auch springerintern, das Herz muss nur auf dem richtigen Fleck bleiben!

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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13 Kommentare

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  • In Israel wird Schreiber sicherer sein als in Deutschland. Wo ihm der arabische Taxiführer vor einigen Monaten nach der Fahrt zuraunte: "Jetzt wissen wir wo du wohnst!".

    Schreiber hat Familie und kann diese nicht der Gefahr aussetzen weiter in Deutschland zu bleiben. Wo nahezu jeder Islamkritiker seit Jahren 24 Stunden am Tag unter massivem Polizeischutz steht.

    Schreiber ist durch frühere Jobs in verschiedenen arabischen Ländern bestens über die dortigen Verhältnisse informiert, war längere Zeit im Auswärtigen Amt tätig und hat auch hier ausgezeichnete Recherchearbeit geleistet.

    Ein ausgesprochen talentierter Journalist.

    Für seinen herausragenden Mut, sein journalistisches Können und seine Integrität vielen Dank!

    Mein Respekt und alles Gute in Tel Aviv!

  • Constantin Schreibers Abschiedssatz in der Tagesschau – „Wohin du auch gehst, geh mit deinem Herzen“ – wurde als „chinesisches Sprichwort“ zitiert.

    Doch genau darin liegt das Problem. Der Satz ist kein authentisches chinesisches Sprichwort, sondern ein westliches Pseudo-Zitat, das eine klischeehafte Vorstellung von fernöstlicher Weisheit bedient. Solche kulturellen Projektionen mögen gut gemeint sein, reproduzieren aber stereotype Bilder von „dem spirituellen Osten“. In einem Format wie der Tagesschau, das für journalistische Genauigkeit steht, wirkt diese Zuschreibung unreflektiert. Zudem vermischt Schreiber persönliche Meinung mit Berichterstattung – ein Bruch mit journalistischer Neutralität, auch wenn es sein Abschied war.

    Gerade in Zeiten globaler Spannungen sollte kulturelle Sensibilität oberstes Gebot sein. Wer Weisheit zitieren will, sollte sie nicht anderen Kulturen andichten, sondern bei der Wahrheit bleiben.

    • @Ice-T:

      Wie schafft man es aus einem einfachen Satz "seinem Herz zu folgen" ein Problem zu generieren?

      Der ferne Osten hat kein Monopol auf die Weisheit des Herzens. Finden Sie schon bei Aristoteles.

      Okay, 300 Jahre nach Buddha, Lao-Tse & Co., jetzt müsste man wissen ob er abgeguckt hat. Nun zur Zeit Buddhas und Lao-Tses finden Sie auch Sokrates, fast ein ähnliches Kaliber, für den Klugheit das A und O war. Klugheit allerdings geht nicht ohne Herz. Sonst ist man einfach nur clever.

      Kulturelle Sensibilität funktioniert am besten wenn man auf sein Herz hört. Grade in Zeiten globaler Spannungen.

      Allerdings, ich gebe es zu, das Ultimo an Weisheit kommt aus dem fernen Osten. Nehmen wir Krishna. Da finden Sie dann auch Humor und Tanz. Lebensfreude.

      Wie wäre es denn mal mit ein bisschen Humor?

  • „ ,Na ja, eigentlich brauchen sie diese Leute mit Herz, dass der Laden von innen heraus heilen kann', sagt die Mitbewohnerin."



    --



    Geht wohl nur so bei Institutionen und Organisationen, die nicht verschwinden werden. Ist so wie bei CDU/CSU. - Wichtig ist beim „Marsch durch die Instanzen" mehr tanzen und das „M" nicht vergessen.

  • Ich würde wohlwollend vermuten, dass Schreiber wieder ungebremst journalistisch und buchschreibend unterwegs sein wollte, nicht bei jedem Interview an das Tagesschau-Image denken wollte. Er kommt vom Fachjournalismus und war auf seine Nahost-Kenntnisse sichtlich stolz.

    ... Aber doch nicht zu den Springers? Liebe Taz, fragt ihn an und rettet ihn aus den Klauen der Döpfners dieser Welt.

    • @Janix:

      Neiiiiiin! Der passt ganz und gar nicht in die TAZ. Macht das nur nicht libe TAZ, bitte!!

      • @Perkele:

        Er passt nicht, aber bevor der Arme noch unter der Schabrackenbrücke der Springerpresse nächtigen muss ...

  • Ich habe Herrn Schreiber bisher nicht über den Weg getraut.



    Jetzt weiss ich auch warum.

    • @So,so:

      Mein Vertrauen in Schreiber war und ist sehr groß, und ich wusste immer warum.

      Ein sehr guter Journalist mit hoher Integrität.

  • Konstatin Schreiber, durchaus eine Person die man mit Ambivalenz betrachten kann. Wenn man ihn zum ersten mal sieht und seine schwierigen Bücher kennt, überwiegt erstmal Skepsis. Von der Person her muss man aber durchaus sagen, dass er durchaus Sympathie und Redegewandheit besitzt. Die Frage ist nun, wie geht man sinnvoll damit um? Vielleicht mit Schreiber in die kritische Diskussion gehen und fragen warum er seine teils problematische "Kritik" am Islam teilt und die Hintergründe beleuchten (bitte ohne Tortenangriffe die eher kontraproduktiv für eine kritische Auseinandersetzung sind). Was Springer und ihn angeht ist starke Kritik angebracht. Allerdings kann man über Welt und co einiges Lernen: Ideologisch und politisch ist WELT problematisch, von den außenpolitischen Schwerpunkten hat die Springer und auch FAZ-Gruppe eine der stärksten außenpolitischen Redaktionsdichten in der Welt. Wobei hier gerade Politico und Leute wie Yücel gute Arbeit machen. Schreiber passt hier gut hinein, weil er vom journalistischen Handwerk gute Erfahrungen und gute arabische Sprachkenntnisse mitbringt. Nur die politische Interpretation von ihm ist schwierig. Bei letzterer sollte man kritisch sein.

    • @Hamburger in Istanbul:

      Wenn Sie "seine schwierigen Bücher" kennen, wieso müssen Sie dann fragen warum er seine "teils problematische Kritik" am Islam teilt?

      Hätten Sie seine "schwierigen Bücher" gelesen, wüssten Sie es.

    • @Hamburger in Istanbul:

      Inwiefern sind Schreibers Bücher "schwierig"? Er hat darauf hingewiesen, dass in vielen Moscheen oft äußerst fragwürdiges Zeug gepredigt wird, das sich mit den Werten einer liberalen Demokratie nicht verträgt. Das unterscheidet sich aber keinen Jota von dem, was etwa liberale Muslime wie Eren Güvercin oder Murat Kayman sagen.

  • Mir fällt dazu nur ein Zitat von Frank Zappa ein :"I'm only in it for money".