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Humanitäre Hilfe für den GazastreifenIsrael entlarvt sich selbst

Lisa Schneider
Kommentar von Lisa Schneider

Israel will keine Hilfslieferung nach Gaza schicken, weil die in die Hände der Hamas fallen könnten. Das zeigt, dass das Kriegsziel unerreichbar ist.

Am Grenzübergang Kerem Shalom warten LKWs mit Hilfsgütern auf Einreise in den Gazastreifen, 20. Mai Foto: Ohad Zwigenberg/ap

N ach über zwei Monaten Blockade lässt Israel wieder Hilfsgüter in den Gazastreifen. Nicht zu früh freuen: Premierminister Benjamin Netanjahu betonte gleich, es handele sich um ein „Mindestmaß“, das „aus praktischen und diplomatischen Gründen“ geliefert würde. Offizielle Begründung für die seit Anfang März für die Lieferung humanitärer Güter geschlossene Grenze: Man wolle nicht, dass sie in den Händen der Hamas landeten.

Auch der israelische Botschafter in Deutschland, Ron Prosor, betonte im Deutschlandfunk: „Hilfe für die Zivilbevölkerung – ja, für die Terroristen – nein.“ Niemand habe ein Interesse daran, dass die Bevölkerung hungert. Daraus lassen sich zwei mögliche Schlüsse ziehen: Nimmt man die Begründung der israelischen Regierung hin, so ist die Hamas nach über 19 Monaten Krieg, Zigtausenden zivilen palästinensischen Toten, Hunderten im Kampf gefallenen israelischen Soldaten noch immer derart in Kontrolle, dass eine Lieferung an ihr vorbei nicht möglich zu sein scheint.

Dafür, dass Teile der Hilfslieferungen entwendet wurden – von wohl Hamas-nahen Gruppen oder der Miliz selbst –, gibt es Belege. Dafür, dass einige Hilfsgüter auf den Märkten verkauft statt verteilt werden, auch. Rechtfertigt das, die Bevölkerung eines ganzen Küstenstreifens in eine absolute Mangellage zu stürzen? Natürlich nicht – da sind sich die internationale Gemeinschaft und viele Völkerrechtler einig. Der andere mögliche Schluss: Israel führt Krieg gegen die Hamas, aber auch gegen die Zivilbevölkerung.

Mit dem Ziel, nicht nur die Hamas zu vertreiben, sondern auch die Zivilistinnen und Zivilisten. Passende Aussagen dazu gibt es aus den Reihen der israelischen Regierung genug. Eines ist sicher: Die Kriegsstrategie Israels funktioniert nicht. Sie besiegt nicht die Hamas, sie stärkt sie sogar. Das Militär schickt die Bevölkerung nicht hinter die Frontlinie, wo sie – im Einklang mit dem Völkerrecht – versorgt werden könnte, sondern immer wieder in die Kontrolle der Miliz.

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In den sozialen Medien häufen sich Videos: Menschen aus der Stadt Chan Junis protestieren gegen den Krieg und die Hamas. Was macht Israel? Vertreibt sie weiter nach al-Mawasi, wo das Militär einst Hamas-Kommandeur Muhammad Deif tötete – in einem Lager voll Vertriebener. Es ist richtig, dass nun Frankreich, Großbritannien und Kanada die absurde Kriegsführung auf Kosten der Palästinenser wie Geiseln nicht mehr hinnehmen wollen.

In einer Erklärung sprechen sie von „konkreten Konsequenzen“. Bleibt es bei fünf Lkws an Hilfslieferungen, müssen sie folgen. Und bleibt Israel bei seiner Kriegstaktik, auch.

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Lisa Schneider
Redakteurin für Nahost
Redakteurin für Westasien & Nordafrika.
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4 Kommentare

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  • Tja, und was tut der Rest der Welt, der das alles ganz schrecklich findet?



    Welche konzertierten Aktionen gibt es um die Radikalislamisten in Gaza zu neutralisieren? Den iranischen Einfluss zurückzudrängen?

    • @metalhead86:

      Ein Anfang wäre es, der Hamas das ideologische Wasser abzugraben, indem Israel die illegalen Siedlungen zurückbaut und die Palästinenser dort schützt.

  • Man kann eine Terrororganisation bekämpfen, jedoch lässt sich eine Ideologie nicht bekämpfen.

    Israel befeuert mit ihrem Handeln nur diese. Inzwischen werden mehr als 100 Tsd. Palästinenser durch den Krieg gestorben sein, direkt und indirekt. Das heisst jeder 20ste Palästinenser im Gazastreifen. Somit wird fast jede Familie einen Toten beklagen, was diese schürt und mit den Kindern denen ihre Eltern geraubt wurden wächst eine neue Generation heran die aus ihren Schmerz heraus der Ideologie leicht verfallen wird.

    • @M.D:

      Zumindest scheint schwer nachvollziehbar, was die israelische Regierung davon hat, die Bevölkerung, nachdem sie schon gegen die Hamas protestiert, die sich ("der Widerstand") ganz offen für etwas Besseres und ihre Bedürfnisse für vorrangig hielt, mit denen in eine Schicksalsgemeinschaft zu zwingen.