Französischer Schauspieler: Gérard Depardieu wegen sexueller Gewalt verurteilt
Schauspieler Gérard Depardieu wurde zu 18 Monaten auf Bewährung verurteilt. Ihm werfen etwa 20 Frauen Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung vor.

Noch im Prozess Ende März hatte Gérard Depardieu die Anschuldigungen der beiden Klägerinnen wegen sexueller Aggressionen rundweg abgestritten. Verstand er nicht, was ihm da angelastet wurde, oder glaubte er sich in seiner Welt sexistischer Wertvorstellungen im Recht, bei Dreharbeiten eine Regieassistentin und eine technische Mitarbeiterin zu betatschen? Denn so lange war das toleriert worden, weil er halt „so“ war und weil es sich nicht um irgendwen handelte, sondern um den größten Star des französischen Films.
Jetzt aber stürzt diese Welt wie ein Kartenhaus zusammen: Gérard Depardieu ist vom Pariser Strafgericht wegen sexueller Aggression schuldig befunden und zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, wie dies die Staatsanwaltschaft beantragt hatte. Zudem verliert der Schauspieler für 2 Jahre seine bürgerlichen Ehren und sein Name wird in das Register der Sexualtäter eingetragen. Ein „Monstre sacré“, wie man in Frankreich männliche Idole bezeichnet, wird damit vom Sockel gestürzt. Es ist das erste Urteil gegen Depardieu wegen sexueller Gewalt. Insgesamt werfen etwa 20 Frauen dem Star Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung vor. Eine der beiden aktuellen Klägerinnen zeigte sich erleichtert: Sie habe eine „Achterbahn der Gefühle“ erlebt, sagte sie.
Laut seinen Anwälten akzeptiert er den Schuldspruch nicht, er wolle Berufung dagegen einlegen. Der heute 76-Jährige war nicht zur Urteilsverkündung erschienen. Er ahnte wohl, dass er in diesem Prozess nicht ungestraft davonkommen würde. Bisher hatten insgesamt rund 20 Frauen gegen ihn geklagt, und in den allermeisten Fällen wurden sie entweder abgewiesen oder die Strafuntersuchung wurde wegen Verjährung eingestellt.
Das Urteil ist eine Wende seit dem Beginn der #MeToo-Kampagne in der Film- und Medienwelt. Für Depardieu steht demnächst ein weiterer Prozess an, dieses Mal wegen der Vergewaltigungsklage einer jungen Schauspielerin. In den Medien wird zudem weiterhin wegen einer Fernsehreportage über eine Reise nach Nordkorea diskutiert, in deren Verlauf Depardieu sich in sehr obszöner Weise über junge Reiterinnen geäußert haben soll.
Depardieu war für ein solches Verhalten seit Langem, und nicht nur im Filmmilieu, bekannt. Vielleicht gehörte das sogar zu seinem Image und zu seiner Lebensgeschichte, die er in seiner Autobiografie mit allen Alkohol- und anderen Exzessen beschrieben hat. Und auch zu seiner Sympathie für Diktatoren. Von seinem Kumpan Wladimir Putin schrieb er, sie hätten sich beide quasi auf den ersten Blick verstanden. Logisch: „Beide hätten wir als Gangster enden können“, meint Depardieu in Anspielung auf Putins Werdegang und liefert dann ein ungeschöntes Selbstbildnis: „Ich glaube, was er sofort an mir liebte, war meine Hooligan-Seite, dass ich ins Flugzeug pisse, einem Paparazzo in die Fresse haue oder betrunken auf der Straße eingesammelt werde.“
Manche waren schockiert, doch andere liebten ihn trotzdem oder sogar auch deswegen. Denn eines war unbestritten: Depardieu ist ein großer Schauspieler. Die Liste seiner Hauptrollen ab 1970 ist lang: von Cyrano de Bergerac bis Obelix. Ein Regisseur, der sich Depardieu leisten konnte, konnte sich sicher sein, dass sein Film genug Geld einbringen würde. Heute gehen die Regisseure, die mit ihm gearbeitet haben, auf Distanz. Fanny Ardant ist, neben Brigitte Bardot, eine der wenigen, die weiterhin zu ihrem „Freund“ hält und ihn gerade den Anschuldigungen zum Trotz für ihren derzeit in Portugal produzierten Film engagiert hat.
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