Alkoholkonsum und Moskau-Connections: Nichts ist so ernüchternd wie Putins deutsche Genossen
Der SPD-Politiker Ralf Stegner hat Vertraute Waldimir Putins getroffen. Und auch sonst kann man gar nicht so viel saufen, wie man kotzen möchte.
E s ist ein ruhiger Abend in Mitteleuropa. Wer sich mit den Moskauer Mördern getroffen hat, um die Kanäle offen zu halten, in denen das Blut der überfallenen Ukrainerinnen und Ukrainer schneller abfließen kann, sitzt wieder friedlich zu Hause. Und ich denke an meinen besten Freund, der immer, wenn es anliegt, erklärt: Wenn ich nicht kiffen würde, hätte ich mich schon längst totgesoffen.
Saufen, schon gar sich totsaufen, ist inzwischen sehr out. Auf allen Kanälen wird einem erklärt, dass es nicht nur ohne Alkohol, sondern ohne ihn sogar besser gehe. Ein Spirituosengeschäft in meiner Nähe wehrt sich noch mit dem Spruch: „A party without alcohol is just a meeting“, aber das ist lame, das wird es nicht reißen. Der neue Standard soll sein, dass es allen gut geht und dass alle immer voll da sein sollen und dass alle immer etwas Sinnvolles zu tun haben.
Angefangen hat die Sache natürlich wie immer bei den Künstlern. Wie sie einst das Saufen propagiert haben, propagieren sie nun die Nüchternheit. Und sogar ich kann bestätigen, dass es während einer künstlerischen Arbeit, zum Beispiel, wenn man einen Roman schreibt, empfehlenswert ist, nichts oder jedenfalls sehr wenig Alkohol zu konsumieren: Man schläft und träumt dann anders, und ich habe im kreativen Prozess immer sehr viel aus meinen Träumen gezogen.
Aber nicht immer ist man mit so einer kreativen Arbeit beschäftigt. Die Nüchternheitsideologie will uns weismachen, dass unser stinknormaler Ausbeutungsjob – egal ob wir nun gerade mehr ausgebeutet werden oder mehr ausbeuten – so wichtig sei wie eine tatsächlich erfüllende Tätigkeit. Aber unser Job ist eben nur ein Job; den gut zu machen, wahrscheinlich glücklicher macht, als ihn nicht gut zu machen, aber die Menschen sind da verschieden.
Wer sich helfen lässt, ist wohl nicht verantwortlich
Mir fällt das immer auf – und manchmal macht es mich schon am Morgen fertig –, wenn ich in meinem Wohnhaus nur die Treppe runtergehe. Unter uns ist eine psychotherapeutische Gemeinschaftspraxis, die sich kein Wartezimmer leistet, die Klienten stehen im Treppenhaus. 90 Prozent dieser Leute sehen sympathisch aus. Fast alle grüßen, sogar wenn man sie nach ihrer Sitzung mit verheulten Augen trifft, lächeln sie einen noch an.
Das ist so untypisch für Berlin, dass man den Schluss ziehen kann: Diejenigen, die sich Hilfe für ihre Probleme suchen, sind nicht diejenigen, die diese Probleme verursachen. Die Drecksäcke richten völlig unbeschwert Unheil an; und ihre Opfer, nette, liebenswerte und zur Selbstreflexion fähige Menschen, suchen sich dann Hilfe. Und denken möglicherweise noch, sie wären selbst schuld an ihrem Unglück.
Die SPD-Fraktion im Bundestag hat mit Matthias Miersch einen Chef, der nichts dabei findet, den Kumpel eines Massenmörders zu ehren, nämlich den Putin-Buddy Gerhard Schröder. Bei den bis zu den jüngsten Enthüllungen geheimgehaltenen Kreml-Kontakten des SPD-Bundestagsabgeordneten Ralf Stegner steht der Verdacht des Geheimnisverrats im Raum. Solange solche Leute nicht sehr tief fallen, bleibt Politik nicht nur ein notwendig hartes, sondern ein ekelhaftes Geschäft, in dem man sich schon die Hände schmutzig macht, wenn man nur die falschen schüttelt.
Aber vielleicht sind solche Typen am Ende ja ein gutes Argument für Nüchternheit: Wenn man eh nicht so viel saufen kann, wie man kotzen möchte – dann kann man es auch gleich lassen.
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