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Nutzung der WindkraftGrößer, höher, leichter vermittelbar

Windräder werden immer gigantischer. Sie können aber in Industriegebieten aufgestellt werden, wo sie niemanden stören.

Auch Normalo-Windräder sind heute schon deutlich größer und leistungsfähiger als zur Jahrtausendwende: Anlage in Rheinland-Pfalz Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

Freiburg taz | Die größte und leistungsstärkste Windkraftanlage der Welt steht nun im dänischen Offshore-Testfeld Østerild. Aufgebaut hat sie der deutsch-spanische Hersteller Siemens-Gamesa. Der Rotor hat einen Durchmesser von 276 Metern. Zum Vergleich: Das ist, als würde sich dort oben der Hamburger Heinrich-Hertz-Fernsehturm im Kreis drehen. Die Nennleistung der Anlage beträgt 21,5 Megawatt.

Damit überbietet sie den bisherigen Rekord von 20 Megawatt einer Anlage der Firma Mingyang Smart Energy, die seit dem vergangenen August in der chinesischen Provinz Hainan läuft. Die Anlage in Dänemark wurde von der EU unter dem Projektnamen Hippow (Highly Innovative Prototype of the Most ­Powerful Offshore Wind Turbine Generator) mit 30 Millionen Euro gefördert.

Allerdings dürfte auch der neue Weltrekord nicht allzu lange Bestand haben: Das chinesische Unternehmen Dongfang hat bereits eine Turbine mit einer Kapazität von 26 Megawatt vorgestellt, die allerdings bislang noch nicht instal­liert ist.

Damit schreitet die technische Entwicklung in einer Weise voran, die Branchenkenner sich in den frühen Jahren der modernen Windkraft niemals hätten vorstellen können. Als um die Jahrtausendwende in den Planungsabteilungen der großen Windturbinenbauer Anlagen mit bis zu 5 Megawatt entwickelt wurden, ließen sich Wissenschaftler noch mit den Worten zitieren, man sehe sich nun „nahe am oberen Ende der Fahnenstange“.

Nach wenigen Jahren waren die Anlagen jedoch etabliert und die Entwicklung zu noch größeren Maschinen ging ungebremst weiter. Heute lassen sich Windkraftingenieure in der Regel nicht mehr zu Prognosen über technische Grenzen hinreißen.

Auch an Land sind Windräder stetig gewachsen

Wenn es denn ein Limit gibt, so gilt das ohnehin eher im Binnenland als Offshore – aus Gründen der Transportlogistik. Aber auch dort sind die Anlagen in der Vergangenheit noch stetig gewachsen. Allein in den letzten zehn Jahren hat sich auch an Land die Leistung der durchschnittlichen Neuanlage verdoppelt. In Deutschland liegt sie aktuell zwischen 5 und 6 Megawatt.

Die Projekte erfordern aufwendige Transportkonzepte: Bis zu 85 Meter lange und 130 Tonnen schwere Teile müssen durchs Land bewegt werden. Das führt dazu, dass die Komponenten speziell an Standorten in Mittelgebirgen, wo die Zufahrten oft über kurvige Waldwege führen, nur noch mit allergrößter Mühe anzuliefern sind.

Wenn die Rotoren eines Tages ein Größenlimit erreicht haben, halten Ingenieure auch ganz neue Konzepte für denkbar. Ein Thema ist in jüngster Zeit wieder die Tragstruktur: Multirotoranlagen, die an Versuche aus der Frühzeit der Windkraft anknüpfen, werden wieder öfter diskutiert. Bei dieser Bauart hat man nicht mehr nur eine Maschine, die auf dem Turm sitzt, sondern viele Rotoren an einer ausgefeilten Tragstruktur.

„Keine windschwachen Gebiete mehr“

Unterdessen entsteht in Klettwitz in der brandenburgischen Lausitz seit vergangenem September eine ungewöhnliche Anlage: Mit einer Gesamthöhe von 365 Metern wird sie die höchste Windkraftanlage der Welt sein – und nach dem Berliner Fernsehturm sogar das zweithöchste Bauwerk Deutschlands. Das Projekt kostet zwischen 20 und 30 Millionen Euro und wird von der Bundesagentur für Sprung­innovationen (Sprind) finanziert.

Ungewöhnlich ist dabei gar nicht der Rotor, denn der stammt aus der Serienfertigung. Es handelt sich um eine 3,8-Megawatt-Anlage des saarländischen Herstellers Vensys mit 65 Meter langen Rotorblättern – das ist leistungsmäßig doch eher Mittelmaß.

Die Innovation steckt in dem hohen Gittermaststurm. Mit diesem will man in Höhen vorstoßen, in denen jeder Standort gute Windverhältnisse bietet: „Es gibt dann praktisch keine windschwachen Gebiete mehr“, sagte Martin Chaumet, Geschäftsführer der Beventum GmbH, einer 100-Prozent-Tochter der Sprind, im Herbst nach der Grundsteinlegung. Man könne dann mit den Anlagen zum Beispiel auch in die Industriegebiete gehen, was weniger Widerstand bei Bürgern hervorrufen dürfte.

In Nabenhöhe kalkulieren die Planer in der Lausitz mit einer mittleren Windgeschwindigkeit von 8,5 Metern pro Sekunde, verglichen mit 6,3 Metern in Standardhöhe. Der Jahresertrag soll sich dadurch von 8 bis 12 Millionen Kilowattstunden auf etwa 18 Millionen erhöhen. Mit einem Rotor und Maschinenhaus in der heute marktüblichen Größe wären auf dem hohen Turm sogar Jahreserträge von mehr als 30 Millionen Kilowattstunden möglich.

In Teleskop-Bauweise wird der Turm errichtet. Zwar brauche man für den Aufbau mehr Arbeitskräfte als bei klassischen Anlagen, heißt es bei Beventum, dafür spare man aber Material und komme mit preisgünstigen Stahlqualitäten aus. Hingegen geht bei den Offshore-Maschinen die Materialschlacht weiter: Bei den derzeit größten Windkraftanlagen der Welt wiegt allein die Gondel, das Maschinenhaus, an die 1.000 Tonnen.

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13 Kommentare

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  • Das Höhenproblem für die Kollision mit Vögeln kann bei den neuen Giganten am Himmel vielleicht reduziert werden.



    Das Problem der Stromtrassen bleibt dennoch.



    "In dem Großprojekt griffen die mehr als 50 Forscher auf GPS-Daten von fast 1500 Vögeln von 27 überwiegend großen Arten zurück. Diese Informationen glichen sie ab mit Windparks und Stromtrassen in und um Europa, also auch in Nordafrika und im Nahen Osten. Dabei achteten sie insbesondere auf die Flughöhen der jeweiligen Arten: Als gefährdet durch Stromtrassen galten Flughöhen in 10 bis 60 Metern Höhe, durch Windkraftanlagen in 15 bis 135 Metern Höhe."



    Quelle



    www.geo.de/natur/t...-auf-31778188.html



    Thema Zugvögel und Windkraft

  • Interessant ist, das trotz das wir deutlich mehr PV Anlagen, WKA und Wasserkraftwerke haben das die Stromproduktion deutlich runter gegangen ist. Es hilft nicht wenn wir Deutschland damit zukleistern aber es regnet zu wenig, der Wind ist zu wenig und erst Recht die Sonne. Ökotechnik hin oder her, fehlt die Natur, können wir die Dinger nicht gebrauchen

  • Gittermaststurm? Gittermastturm, vermute ich eher.

    Autobahnen (bei deren hoffentlich nahem Zurückbau dann auch gerne in die Mittelfahrbahnen), entfichtete Harzhänge, Bielefeld, ... Orte gibt es genug - und wer sich nicht künstlich aufregen will, kann Windräder auch ignorieren.



    Vergessen wir bei alledem nicht, fossile Energie runterzufahren, statt z.B. AI-Spielchen zu verdaddeln.



    Erst dann ist das Ziel erreicht.

  • Größer, höher, leichter vermittelbar?



    ----



    Ja, die "feuchten Träume" von Ing's & Betreibern! ;-(



    Wo bleibt die IDEE, dass "dezentrale Anlagen & Erzeugung" massiv "Transportkapazitäten" einsparen, das Netz entlasten uvam. & damit KOSTEN einsparen!



    Mein Fazit dazu: "Eine gute Idee wird so lange transformiert & verbogen, bis die "alten Macht- & Gewinnverhältnisse" damit erhalten bleiben können!" :-(

  • Auch wenn es viele nicht hören/lesen wollen: Der Luftverkehr (zivil/militärisch) spielt eine nicht zu unterschätzende Rolle bei den Bau von WKA.



    Nähe zu Flugplätzen, Höhe von MVA (auch zivil/militärisch), An- und Abflugstrecken etc.

  • Da muss ich doch gleich wieder an Bauer Gerhard aus dem Osten denken. Der AfD wählt und natürlich (Zitat) "gaaanz viel über Windkraft erzählen kann". Möge er es seiner Mistgabel mitteilen.

  • Für sinnvoll halte ich Windkraftanlagen in ehemaligen Tagebaugebieten.



    Angesichts der Wasserknappheit, die bereits sichtbar ist und deren Verschärfung, die prognostiziert wird, sind große Seen zukünftig unrealistisch.



    Eine Renaturierung kombiniert mit Windnutzung wäre ein zukunftsorientietes Konzept.



    Hinzu kommt, dass neben vielen Braunkohlegebiet Anlagen zur Kohleverstromung stehen.



    Leitungskapazität ist somit vorhanden.

    • @Philippo1000:

      Für sinnvoll halte ich Windkraftanlagen in ehemaligen Tagebaugebieten.



      ----



      Gute Standortwahl? So einen "Turm" in einem Loch von bis zu 200m Tiefe aufzustellen hat was! :-)

      • @Sikasuu:

        Natürlich sollte der Turm, wenn möglich, auf die Abraumhalde des ehemaligen Tagebaus.

      • @Sikasuu:

        Sie scheinen Zweifel zu haben.



        Ganz Anders sehen das große Energieversorger.



        Die balgen sich förmlich schon um Genehmigungen für Windkraft und Solar auf diesen Flächen.



        Für die Energieversorger zählt in erster Linie Wirtschaftlichkeit, weshalb auch Keiner mehr Interesse an AKWs hat.



        Ziel muss nun sein, dass die Renaturierung nicht zu kurz kommt und auch die Regionen und AnwohnerInnen an der Entwicklung zur Regenerativen Energie teilhaben.

  • 365m Höhe sollen in Industriegebieten leichter akzeptiert werden? Wo gibt es denn Industriegebiete, die so ausgedehnt sind, dass die Größe nicht auffällt? Es wird eher umgekehrt sein. So hohe Anlagen machen Industriegebiete noch sichtbarer.



    Trotzdem werden WKA gebraucht.



    Kostenlos ist der Strom wohl aber auch nicht, wenn die Anlagen schon Zuschüssevon 30 Mio benötigen.

    • @fly:

      Zum ersten Punkt: Erstens gibt es durchaus sehr große Industriegebiete wo die Dinger nicht auffallen (BASF, Leunawerke, Hamburger Hafen ...). Zweitens sollte trotzdem selbst in kleinen Gewerbegebieten die Akzeptanz höher sein als mitten in der Natur. Zwar wird von bestimmten Winkeln aus das Gewerbegebiet vielleicht sichbarer sein, aber ganz versteckt, so dass man sie nur durch hohe Strukturen sieht (etwa in einer Senke) sind diese ja nur sehr selten.

      Zum zweiten Punkt: Das scheint ja ein Pionierprojekt zu sein, deswegen ist es auch nicht so extrem teuer, weil noch keine Skaleneffekte da sind (auch "reguläre" Windräder kosten Millionen €).

      Daher bin ich da tatsächlich recht optimistisch, dass dieser Ansatz den Zubau voranbringen kann. Ein Allheilmittel ist er natürlich trotzdem nicht.

  • Endlich mal Fortschritt bei der Windenergie. Leider muss man sagen, dass es bei Windenergie immer massive Widerstände gibt und so richtig schön sind die Dinger ja wirklich nicht. Aber ein Kern-, Gas- oder Kohlekraftwerk ist auch nicht schön und der Wind weht kostenlos und man muss ihn nicht importieren...

    Hätten wir schon lange Wind- und Solarenergie massiv ausgebaut, wären wir jetzt nicht in der Zwickmühle, billiges Gas vom Arsch im Osten oder teures Gas vom Arsch im Westen kaufen zu müssen.

    Das ist einer der Punkte, in der alle Regierungen in Deutschland immer wieder systematisch versagt haben, und jetzt stehen wir ziemlich blöd da.