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Parkinsonkrankheit durch PestizideBauern kritisieren Bauernverband

Die Organisation lobbyiert gegen Hilfen der Berufs­genossenschaft für wohl durch Pestizide an Parkinson Erkrankte. Andere Verbände widersprechen.

Ein Traktor mit Spritze versprüht Pflanzenschutzmittel auf ein Feld Foto: Florian Gaertner/photothek/imago

Berlin taz | Mehrere Agrarorganisationen kritisieren den Widerstand des Deutschen Bauernverbandes gegen die Anerkennung von „Parkinson-Syndrom durch Pestizide“ als Berufskrankheit. „Die Anerkennung von Parkinson als Berufskrankheit in der Landwirtschaft ist sachgerecht“, sagte Gerald Wehde, Geschäftsleiter Agrarpolitik und Kommunikation des größten deutschen Ökobauernverbandes, Bioland, am Montag der taz.

Die entsprechende Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats Berufskrankheiten beim Arbeitsministerium sei „wissenschaftlich fundiert“, ergänzte Hans Foldenauer, Sprecher des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. Bernd Schmitz, Vizebundesgeschäftsführer der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), verwies zum Beispiel auf die Vergleichsstudien der Professorin Beate Ritz von der University of California Los Angeles zwischen Menschen mit wenigen und vielen Pestizidkontakten.

Der Bauernverband dagegen hatte die Anerkennung in seinen „Kernanliegen“ zur Bundestagswahl 2025 als Beispiel „nicht fachlich begründbarer Entscheidungen“ angeführt. Der Verband, der die meisten der rund 260.000 Agrarbetriebe in Deutschland organisiert, beruft sich vor allem auf eine an der Pestizidzulassung beteiligte Behörde. Ihr zufolge ist nur bei zwei in der EU nicht mehr zugelassenen Wirkstoffen belegt, dass sie Parkinson auslösen können. Patienten mit anerkannter Berufskrankheit können von der gesetzlichen Unfallversicherung teils großzügigere Leistungen als von den Kranken- oder Pflegekassen bekommen. Dafür erhöhte die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft die Beiträge der Agrarbetriebe.

„Ich kann nachvollziehen, dass man versucht, seine Mitglieder zu schützen vor steigenden Beiträgen, die sie bald nicht mehr finanzieren können. Da bin ich beim Bauernverband“, sagte AbLer Schmitz. Aber das dürfe die Organisation nicht tun, indem sie die wissenschaftlichen Belege infrage stelle. Stattdessen solle sie darauf drängen, die Pestizidhersteller zur Kasse zu bitten. „Sie könnten zum Beispiel in einen Fonds dafür einzahlen“, so Schmitz. Es dürfe nicht sein, dass die Gewinne privatisiert und die Kosten sozialisiert werden.

Menschen mit Vorerkrankungen besser schützen

„Der Bauernverband kann diese Forderung nicht unterstützen, weil er der Industrie zu nahe steht, die diese Mittel herstellt“, ergänzte Milchbauer Foldenauer. Agrarfachmedien etwa, die oft dem Bauernverband gehören würden, seien auf Werbeeinnahmen der Konzerne angewiesen.

Bioland verlangte, Ökobauern von der Finanzierung der Hilfe für wegen Ackergiften an Parkinson Erkrankte auszunehmen. „Besonders die landwirtschaftlichen Betriebe, die immer auf den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide verzichtet haben und diese Leistung daher nie in Anspruch nehmen könnten, dürfen nicht zusätzlich belastet werden“, so Bioland-Funktionär Wehde. Foldenauer forderte, ebenfalls Milchviehbetriebe, die überwiegend Grünland bewirtschaften, von den Beitragserhöhungen zu verschonen. Denn auf Wiesen und Weiden würden kaum Pestizide eingesetzt.

Wehde sieht den Fall auch als Beleg dafür, „dass chemisch-synthetische Pestizide gravierende gesundheitliche Folgen haben können“. Insbesondere verletzliche Bevölkerungsgruppen wie Kinder oder Menschen mit Vorerkrankungen müssten besser geschützt werden vor direkter Pestizid-Abdrift.

Bis Anfang April hat die Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft keinen Fall von „Parkinson durch Pestizide“ als Berufskrankheit anerkannt, wie die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau der taz mitteilte. Knapp 5.200 Fälle lehnte die Versicherung demnach bereits ab. Rund 3.000 prüfe sie noch. Für die erwarteten Kosten nahm sie nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr insgesamt 100 Millionen Euro an Beiträgen zusätzlich ein. Das trug dazu bei, dass der durchschnittliche Mitgliedsbetrieb 114 Euro oder 17 Prozent mehr Jahresbeitrag zahlen musste als 2023.

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3 Kommentare

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  • "Knapp 5.200 Fälle lehnte die Versicherung demnach bereits ab. Rund 3.000 prüfe sie noch. Für die erwarteten Kosten nahm sie nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr insgesamt 100 Millionen Euro an Beiträgen zusätzlich ein."

    Warte warte warte....100Mio mehr an Beitragszahlungen aber gleichzeitig wurde JEDER Antrag bisher abgelehnt? Ist das nicht Betrug? Die nehmen sich Geld für eine Leistung, die sie dann nicht erbringen? Kann da mal genauer nachgeforscht werden?

  • Die Spitzen des Bauernverbands sitzen mit am Tisch der Agrarkonzern-Vorstände.



    Wes Brot ich ess, des Lied ich träller.

  • Die Betriebe einer Berufsgenossenschaft sind in verschiedene gefahrenklassen eingeteilt nach denen sich der Beitrag richtet. Demnach würden Bio landwirtInnen niedriger eingestuft werden können. Der Bauernverband möchte jedoch sicher nicht, dass die Gefährlichkeit von Pestiziden durch die Aufnahme in die Berufskrankheitenverordnung anerkannt wird.



    Denn dann dürften Pestizide als Präventivmaßnahme vor Berufskrankheiten nicht mehr eingesetzt werden. Ein langer Weg, siehe Asbest.