Sprechen über den Krieg in Gaza: Ein Renegat entdeckt das G-Wort
Hamed Abdel-Samad tat sich früher mit „islamkritischen“ Äußerungen hervor. Jetzt spricht er vom „Genozid“ in Gaza. Einstige Fans sind enttäuscht.
Mit solchen plumpen und fragwürdigen Thesen stieg Hamed Abdel-Samad in Deutschland zum beliebten Bestseller-Autor auf. Der Deutsch-Ägypter wurde 1972 in der Nähe von Kairo als Sohn eines Imams geboren. Als Student liebäugelte er nach eigenen Angaben mit den Muslimbrüdern. 1995 zog er nach Deutschland, kehrte seiner Religion den Rücken und konvertierte zum radikalen Renegaten. Der nach rechts abgedriftete Publizist Henryk M. Broder nahm Abdel-Samad 2010 für eine satirisch gemeinte ARD-Sendereihe unter seine Fittiche. Zur gleichen Zeit startete dieser seine Karriere als „islamkritischer“ Autor.
In diesen Jahren, in denen ein Thilo Sarrazin seine größten Erfolge feierte, dürstete das deutsche Publikum nach Kronzeugen wie Abdel-Samad, die verbreitete Ressentiments gegen Muslime bedienten und gängige Vorurteile bestätigten. Diese Publizistik bereitete den Weg für die „Alternative für Deutschland“, die 2013 gegründet wurde und sich von Ressentiments wie solchen nährte. Konsequenterweise trat Abdel-Samad in den Anfangsjahren der AfD ein paar Mal bei deren Veranstaltungen auf und verteidigte sie gegen Kritik. „Wenn die AfD sagt, die Sonne scheint heute, dann würde ich nicht widersprechen“, sagte er einmal in der ARD.
Ein Narziss, dem es vor allem um sich selbst geht
Nun hat Abdel-Samad viele seiner Fans gegen sich aufgebracht. „Es gibt nur ein Wort, das das, was gerade in Gaza passiert, genau beschreibt: Genozid“, schrieb er am vergangenen Freitag auf seinen Social-Media-Kanälen X und Facebook. „Schande über alle, die das unterstützen oder relativieren!“ Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten. „Ihre Worte schmerzen“, schrieb die rechte Pro-Israel-Aktivistin Malca Goldstein-Wolf. „Dass sie die Seiten wechseln, tut mir richtig weh.“
„Ziemlich umständlicher Weg, ‚Hamas Forever‘ zu schreiben“, ätzte die Kolumnistin und Influencerin Marie von den Benken („regendelfin“). „Wurde der Account gehackt?“, fragten manche entsetzt. Andere suchten rassistische Erklärungen. „Auf Dauer können diese Typen ihre DNA nicht verstecken“, meinte eine Dana Weinstein. „Er ist halt immer noch Araber“, ein anderer. Er sei „bereit, alle Konsequenzen zu tragen“, schrieb Abdel-Samad auf Facebook pathetisch. Prompt sagten die Veranstalter eine geplante Lesung mit ihm ab, die kommende Woche in Seligenstadt stattfinden sollte, einer Kleinstadt zwischen Frankfurt und Aschaffenburg.
Warum Abdel-Samad gerade jetzt das G-Wort bemüht, um den Krieg in Gaza anzuprangern, darüber kann man nur spekulieren. Hat er sein Gewissen entdeckt, wie manche nun jubeln? Oder erträgt er die Bilder aus Gaza einfach nicht mehr? Schwer zu sagen. Denn Hamed Abdel-Samad ist ein Narziss, dem es vor allem um sich selbst geht – davon zeugen viele Bilder auf seinen Social-Media-Profilen, die hauptsächlich ihn zeigen: in Talkshows, auf Bühnen, mit seinem Buch. Er ist ein Opportunist, der sein Fähnchen gern in den Wind hängt. Möglicherweise denkt er, dass der Wind sich gedreht hat – und hofft darauf, bald wieder bei Markus Lanz zu sitzen, um über seinen neuesten Sinneswandel zu sprechen.
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