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Aktuelle Politik in ItalienKlare Uneinigkeit bei doppelter Spaltung

Der Streit um die Aufrüstungspläne der EU und des Umgangs mit Trumps Zöllen spaltet Melonis Regierungskoalition wie die Opposition gleichermaßen.

Demonstration am Samstag in Rom gegen die Aufrüstungspläne der EU und von Ministerpräsidentin Georgia Meloni Foto: Andrew Medichini/ap

Rom taz | „No al riarmo!“ („Nein zur Aufrüstung!“): Unter diesem Slogan zogen am Samstag 40.000 De­mons­tran­t*in­nen durch Rom. Gerufen hatte die 5-Sterne-Bewegung (M5S), mobilisiert hatten aber auch die radikale Linke der Alleanza Verdi-Sinistra (AVS – Grün-linke Allianz) und pazifistische und linke Organisationen. „Weniger für Waffen, mehr für das Gesundheitswesen“, hieß es auf Plakaten. M5S-Chef Giuseppe Conte geißelte den bei der Abschlusskundgebung den „Wahnsinn“ des von Ursula von der Leyen vorangetriebenen 800-Milliarden-Programms ReArmEu.

Doch nicht nur von links hagelt es Kritik an der EU wie auch an der Regierung Giorgia Melonis. Als in Rom die Fünf Sterne demonstrierten, öffnete gleichzeitig in Florenz Melonis Koalitionspartner Matteo Salvini den Parteitag seiner Lega.

So viel Sympathie Salvini dort für Donald Trump hatte, so schlecht kam auch bei ihm Ursula von der Leyen weg. Schon zuvor hatte Salvini gefordert, die EU-Kommissionspräsidentin solle ihren 800-Milliarden-Aufrüstungsplan revidieren. Europa müsse ins Gesundheitswesen und Arbeitsplätze investieren, statt „Munition zu kaufen“.

Die parallelen Ereignisse vom Samstagnachmittag in Rom und Florenz zeigen vor allem: Zum Thema Aufrüstung verlaufen in Italien die politischen Gräben derzeit nicht zwischen Regierung und Opposition, sondern quer durch beide Lager.

Ja, nein und jein

In den Reihen der Opposition trommelt die kleine Mittepartei Azione unter ihrem Vorsitzenden Carlo Calenda unermüdlich für steigende Verteidigungsausgaben. Auf der anderen Seite stellen sich das M5S ebenso wie die radikal linke AVS gegen weitere Rüstungsausgaben.

Und dann ist da noch die gemäßigt-linke Partito Democratico (PD), die mit 24 Prozent bei den Europawahlen 2024 stärkste Oppositionspartei wurde. Unter ihrer Vorsitzenden Elly Schlein nimmt sie eine Mitteposition ein: für Aufrüstung, aber nur als gemeinsames Programm hin zu einer europäischen Armee – und ist deshalb gegen von der Leyens Pläne.

Dabei hat Schlein genug zu tun, ihre eigene Partei zusammenzuhalten: Der rechte Minderheitsflügel sympathisiert offen mit den Plänen der EU-Kommission. Als am 11. März das Europaparlament über ihn abstimmte, wollte Schlein eine Enthaltung der PD – doch 10 der 21 Abgeordneten stimmten für die Kommission.

Am Samstag schickte Schlein eine Delegation von PD-Spit­zen­po­li­ti­ke­r*in­nen zur M5S-Demo. Doch ihre Partei mobilisierte nicht. Und sie selbst erschien auch nicht.

Nicht minder gespalten präsentiert sich das Regierungslager. Die in der EU zur EVP gehörende Berlusconi-Partei Forza Italia unter ihrem Chef, Außenminister Antonio Tajani, betont immer wieder, sie sei „proeuropäisch“. Sie stimmte im EP für von der Leyens Plan, während Salvinis Lega mit Nein votierte und gegen die EU-Kommission mobilisiert.

Auch Meloni hat gewisse Vorbehalte gegen ReArmEU

In der Mitte steht das Schwergewicht der Rechten, Ministerpräsidentin Meloni. Sie beschwerte sich über den in ihren Augen unglücklichen Namen „ReArmEU“ und hat Vorbehalte dagegen, künftig Verteidigungsausgaben aus den Vorgaben des EU-Stabilitätspakts herauszurechnen. Das würde Italien bei seinem Schuldenberg von 135 Prozent des BIP sowieso nichts nützen.

Erschwerend ist für Meloni die Spaltung ihrer Koalition gegenüber Trumps-Zolloffensive. Forza Italia will, dass Italien gemeinsam mit der EU reagiert, Salvinis Lega verlangt separate Verhandlungen ohne die EU, und Meloni will erst mal in Washington ihren Freund Donald gnädig stimmen.

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3 Kommentare

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  • Und wo sind denn die Friedensdemonstranten in Deutschland.



    Grüne und Linke Pazifisten das war



    ein mal.



    Aber wir sind Alle gegen Rechts.



    Das ist ja das wichtigste.



    Ob Krieg oder Frieden ist doch egal.



    Wo sind die Klimakleber die sich vor Rheinmetal auf die Straße kleben.



    Milliarden für Rüstung, ach ja auch ein wenig für die Infrastruktur,da ist ja alles in Butter.



    Schönen Frühling Euch

  • Italien nun endgültig am Scheideweg ??



    weil Meloni ein dickes Problem hat zwischen Freund und Feind zu unterscheiden?

    Elon Musk, der momentan Meloni besucht, ist offizieller Berater von Trump und versucht seit dessen Wahlsieg zunehmend, mit Äußerungen auf verschiedenen Kanälen auf die Politik in Europa Einfluss zu nehmen. Dafür steht er massiv in der Kritik.

    Meloni will ein abhörsicheres Kommunikationssystem für Regierung und Militär anschaffen - und verhandelt mit Elon Musk über sein Starlink System.

    Meloni hat mit Sicherheit den Schuss aus der Ukraine nicht gehört als Elon Musk verkleidet als Mafiaboss mit dem Abschalten des Starlink Systems in der Ukraine Selensky erpresst hat.

    Starlink -- ein abhörsicheres Kommunikationssystem ? -- da lachen ja die Hühner - - aber offensichtlich sehen diesen Punkt und die Erpressbarkeit durch Musk -- Faschisten und Libertäre anders.

  • Das Nein zur Aufrüstungspolitik und Militarisierung Europas quer durch alle politischen Lager hindurch ändert doch grundsätzlich nichts an den politisch-ideologischen Grundhaltungen und Grenzziehungen zwischen den verschiedenen Parteien zur Rechten wie zur Linken. In Italien ist die politische Landschaft halt noch weitaus zerklüfteter als hierzulande.



    Dass man auf der linken Seite eher antimilitaristischen und pazifistischen Traditionen folgt, liegt wohl auf der Hand - wenn Nationalisten und Faschisten, denen der Militarismus doch in die DNA geschrieben ist, plötzlich gegen höhere Militärausgaben plädieren, macht das misstrauisch und bedarf einer tieferen politischen Analyse. Eine bloße Aufzählung, wer hier für eine bestimmte Agenda eintritt, ist mir da einfach zu wenig.



    Also muss diese Analyse (wohl wieder mal) die Linke selbst leisten - sie muss plausibel begründen, inwieweit sich ihre friedenspolitischen Konzepte von entsprechenden Vorstellungen auf rechter Seite unterscheiden UND sie sie muss auch glasklar sagen, dass es mit rechten „Friedensfreunden“ - das gilt nicht bloß für die AfD, sondern auch für das BSW - keinerlei Bündnisse geben kann.