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Ermittlungen gegen Boateng eingestelltManipulative Inszenierung

Alina Schwermer
Kommentar von Alina Schwermer

Jérôme Boateng feiert auf Instagram seine vermeintliche Unschuld. Damit führt der Fußballer seine 9,5 Millionen Fol­lo­wer:­in­nen bewusst in die Irre.

Jerome Boateng feiert einen Freispruch auf Instagram, den es so nicht gegeben hat Foto: Peter Kneffel/picture alliance

J érôme Boateng hat sich am 26. März bei Instagram gefeiert. Er verkündet, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen Körperverletzung an seiner Ex-Freundin Kasia Lenhardt eingestellt hat. „All meine Aussagen waren richtig, und die Verdächtigungen gegen mich falsch.“ Der Fußballer fügte auch ein Zitat seines Anwalts an: „Jede Ermittlungshandlung im Verlauf des Verfahrens hat belegt, dass Herr Boateng die Taten nicht begangen hat und gar nicht begangen haben kann.“

Damit führt Jérôme Boateng ein beträchtliches Publikum – dem Star folgen auf der Plattform rund 9,5 Millionen Menschen – bewusst in die Irre. Denn die Ermittlungen wurden gar nicht wegen falscher Verdächtigungen eingestellt, wie hier suggeriert wird. Sie wurden eingestellt, weil Kasia Lenhardt, die nach massivem medialem Druck Boatengs Suizid beging, nicht mehr Zeugin sein kann und ihre Verletzungen zwar dokumentiert sind, aber nicht deren Entstehung belegen.

Kurz gesagt, ist es wie so oft in Fällen mutmaßlicher misogyner Gewalt: Weil es für eine Anklage nicht ausreichend Beweise gab. Im seinem Post aber spricht der Anwalt stattdessen von einer Bestätigung, dass die Vorwürfe falsch seien.

Es ist eine gute Nachricht, dass Jérôme Boateng gerade dafür scharf kritisiert wird. Das zeigt: Das Wissen rund um das Verfahren ist gewachsen. Doch die vielen Kommentare, die die vermeintlich erwiesene Unschuld des Stars bejubeln, sind auch ein ernüchterndes Zeugnis.

Sie zeigen, worauf beschuldigte Fußballprofis neben der hard power, nämlich teuren Anwälten und Macht durch ihren Überreichtum, auch noch bauen können: auf treue Fanscharen und riesige Reichweite für ihre Sicht der Dinge dank Social Media. Ein Statement der Staatsanwaltschaft wirkt klein daneben. Solcher Status ist ein bedrohliches Zeichen für eine Gesellschaft, nicht nur im Fußball.

Hinweis der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, Boateng fange als U19 Coach beim Linzer ASK an. Wie der Klub nun mitteilte, stimmt das nicht.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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7 Kommentare

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  • Erinnert an Kdl. Pell.

  • Hier bitte folgende Petition zur Causa Jerome Boateng unterzeichnen:

    mein.aufstehn.at/p...just_launched=true

  • Auch überbezahlte Fußballspieler müssen im Strafverfahren nicht ihre Unschuld beweisen, im Rechtsstaat in seiner jetzigen Form müssen die Anklagenden die behauptete Schuld beweisen.

    Zu dem gewachsenen Wissen rund um das Verfahren gehört vielleicht auch, was ausgerechnet der RBB online am 26. März berichtete:



    Demnach „hatten die Ermittler noch Anfang dieses Jahres auf einen neuen Ansatz gehofft, weil nach Angaben der Staatsanwaltschaft anonyme Mitteilungen über eine mögliche Zeugin eingegangen waren. Diese Zeugin habe sich zunächst auch dazu bereit erklärt, Angaben zu machen, sei dann aber einem vereinbarten Termin unentschuldigt ferngeblieben und inzwischen abgetaucht.“

    Da hat Herr Boateng wohl mehr Glück gehabt als Stefan Gelbhaar.

  • Kurz gesagt, ist es wie so oft in Fällen mutmaßlicher misogyner Gewalt: egal ob Ermittlungen eingestellt werden oder es einen Freispruch gibt, in der taz darf der Typ nicht unbescholten davonkommen! Irgendwas muss ja schließlich dran gewesen sein... Und wenn schon die Justiz es nicht hinbekommt, ihn zu bestrafen, dann muss es halt die "journalistische" Feder richten...

  • So ist eben der Rechtsstaat. Wer hat eine bessere Lösung?

  • Ist es denn so schwer, auch in der Berichterstattung ein paar rechtstaatliche Grundsätze einzuhalten ?

    Der Mann wurde angeklagt, aber nicht verurteilt. Warum er nicht verurteilt wurde, ob wegen Freispruch oder Verfahrenseinstellung, ist irrelevant. Schuldig ist jemand nur, wenn er auch rechtskräftig verurteilt wurde. Ansonsten hat er als unschuldig zu gelten, denn die Bewertung von Zeugenaussagen ist Aufgabe des Gerichts und nicht der Presse. Denn wer weiß, ob die verhinderte Zeugin überhaupt glaubwürdig gewesen wäre.

  • In dubio pro reo



    "Weil es für eine Anklage nicht ausreichend Beweise gab". Es man manchen aufstoßen, aber ohne Beweise darf es keine Verurteilung geben. Das ist richtig so.



    Dafür könnte man aber endlich mal das Strafmaß für häusliche/mysogyne Gewalt deutlich erhöhen, wenn es einen klaren Beweis gibt. Das Strafmaß muss einfach derart abschreckend sein, dass es wirklich abschreckt.

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