Sondierung zwischen Union und SPD: Nicht zu Ende gedacht
Das Sondierungspapier von Union und SPD beweist Kompromissbereitschaft. Bei vielen Fragen bleibt jedoch Luft nach oben – etwa bei der Finanzierung.

F ür Friedrich Merz wird das Ergebnis der Sondierungen reichen, zumindest erst einmal. Der Kanzler in spe steht auch intern unter Druck, weil er gleich zu Beginn der Gespräche mit der SPD zwei zentrale Wahlversprechen der Union spektakulär einkassiert hat: keine neuen Schulden und keine Reform der Schuldenbremse. Deshalb, so hieß es aus der Union, müsse er besonders bei Migration und beim Bürgergeld nun liefern. Das hat er. Das Sondierungspapier sieht deutliche Verschärfungen in beiden Bereichen vor, für die Betroffenen wird das massive Folgen haben.
Von dem, was Merz insbesondere in seinem Fünf-Punkte-Papier zur Migration großspurig als „nicht verhandelbar“ angekündigt hat, ist es allerdings weit entfernt. Seinen wichtigsten Punkt hat Merz vor allem rhetorisch gemacht: Die Zurückweisungen an der Grenze auch von Asylsuchenden stehen im Sondierungspapier. Dort steht aber auch, dass dies „in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn“ geschehen soll. Weil die das bekanntermaßen nicht wollen, könnte das ganze Unterfangen ein Rohrkrepierer sein. Auch alle vollziehbar Ausreisepflichtigen sollen nun nicht mehr in Abschiebehaft gesteckt werden, wie Merz getönt hatte. Dies wird auf einzelne Gruppen wie Gefährder*innen beschränkt.
Allerdings heißt das nicht, dass die vorgesehenen Verschärfungen – von Einschränkungen beim Familiennachzug über das Ende freiwilliger Aufnahmeprogramme bis zur Abschaffung des sogenannten Amtsermittlungsgrundsatzes im Asylrecht – harmlos sind. Im Gegenteil. Aber sie werden nicht nur Widerspruch bei den Gegner*innen produzieren, sondern eben auch Enttäuschungen bei denen, die scharfe Einschnitte beim Asylrecht begrüßen. Und sie sind für die Scharfmacher*innen in und rechts von der Union eine Steilvorlage, um Merz weiter vor sich herzutreiben. Für die Befriedung der Gesellschaft ist das fatal. Wieder einmal hat der vermutlich künftige Kanzler die Dinge nicht bis zu Ende gedacht.
Grundsätzlich gut ist aber, dass Union und SPD es geschafft haben, sich zwei Wochen nach der Wahl auf ein Sondierungspapier zu einigen, in dem keine der beiden Seiten als Verliererin dasteht. Sie sind zu Kompromissen in der Lage. Das ist Grundlage für eine trag- und handlungsfähige Koalition, die das Land angesichts der Bedrohungen von außen und innen dringend braucht. Inhaltlich aber muss Schwarz-Rot bei den nun anstehenden Koalitionsverhandlungen dringend nachbessern.
Geschenke an die Klientel
Dass bei diesen Kompromissen Klimaschutz bestenfalls eine marginale Rolle spielt, bestätigt die schlimmsten Befürchtungen. Es gibt ein allgemeines Bekenntnis zu den Klimazielen, mehr nicht. Stattdessen plant Schwarz-Rot kontraproduktive Maßnahmen wie die Erhöhung der Pendlerpauschale und die Wiedereinführung der Agrardiesel-Rückvergütung. Wie die „Vollendung der Mütterrente“ (Söder) und die Mehrwertsteuer-Ausnahmen für die Gastronomie sind das Geschenke an die eigene Klientel.
Geschenke, die zudem nicht gegenfinanziert sind. An größere Einsparungen oder Steuererhöhungen hat sich Schwarz-Rot bislang nicht herangetraut. So droht das so dringend nötige Infrastruktur-Sondervermögen zu einem Verschiebebahnhof zu werden. Schulden ohne die dringend notwendigen zusätzlichen Investitionen in die Infrastruktur wären ein massiver Fehler, den Preis dafür müssten die Jungen tragen. Sie könnten – auch mit Blick auf die Rente – zu weiteren Verlierer*innen dieser Koalition werden.
Bislang sind das vor allem die Schwächsten der Gesellschaft: Geflüchtete und Bürgergeldempfänger*innen. Die Union wollte genau das sehr gezielt. Die SPD hat einiges verwässert, verhindert hat sie es nicht.
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