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Privat finanzierter WohnungsbauHamburg will die Baubranche wieder zum Bauen bringen

Wohnungsbau soll um ein Drittel weniger kosten – durch niedrigere Standards und schlanke Verfahren. Was bei Mie­te­r:in­nen ankommt, bleibt fraglich.

Fußbodenheizung schön und gut – aber im Flur wird's auch ohne warm genug Foto: Eduard Goricev/YAY Images/Imago

Hamburg taz | Hamburg will die Baukosten deutlich drücken, damit der eingebrochene Wohnungsbau wieder in Schwung kommt. Um das zu erreichen, sollen einerseits Baustandards abgesenkt und Planungsprozesse optimiert werden, andererseits wollen sich die Behörden zu einer zügigeren Bearbeitung von Bauanträgen verpflichten.

Der privat finanzierte Wohnungsbau ist im Stadtstaat im vergangenen Jahr fast zum Erliegen gekommen. Der SPD-geführte Senat hatte das Ziel ausgerufen, insgesamt jährlich 10.000 Wohnungen zu errichten, was auch in mehreren Jahren gelang. 2022 waren es immerhin noch über 9.000. Doch 2023 brach die Zahl auf 6.000 Wohnungen ein.

Als Grund hat die Stadt vor allem die Baukosten identifiziert. Die seien seit 2020 sprunghaft gestiegen auf derzeit durchschnittlich 4.600 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, sagte Hamburgs Bausenatorin Karen Pein (SPD) bei einer Pressekonferenz am Montag. Das bedeute eine Einstiegsmiete von nicht unter 18 Euro. Ihr Ziel sei es deshalb, die Baukosten mindestens um ein Drittel zu senken. Dazu hat sie die „Initiative kostenreduzierendes Bauen“ aus Wohnungsbau-Praktiker:innen, Behörden und Wis­sen­schaft­le­r:in­nen ins Leben gerufen die nun ihre Ergebnisse vorgestellt hat.

Der von ihnen entwickelte „Hamburg Standard“ ist ein Bündel von Maßnahmen, in dessen Zentrum die Absenkung von baulichen und technischen Standards und Anforderungen an Barrierefreiheit, Schall- und Brandschutz steht. Vorformulierte Vertragsklauseln sollen sie rechtssicher machen. Beispiele sind etwa die Trittschall-Isolierung auf Balkonen oder Fußbodenheizungen in Fluren. Zusammen soll der Bereich 600 Euro Einsparung pro Quadratmeter einbringen.

Konflikt mit der SPD-Wahlkampfstrategie

Sogar bis zu 1.000 Euro Einsparpotenzial sollen in den Bereichen Planung und Ausstattung zu heben sein. Die größten Posten sind hier der Verzicht auf Tiefgaragen und Keller, auch bei der Fassadengestaltung und bei Architektenwettbewerben soll noch Luft sein. Könnte also sein, dass diese Einsparungen auch zu Lasten der ästhetischen Qualität und damit des Stadtbildes gehen.

Hinzu kommt, dass die SPD im laufenden Bürgerschafts-Wahlkampf gerade angekündigt hat, Ausnahmen von der Stellplatzpflicht zurückzunehmen, weil sie den Zorn der Autofahrer fürchtet.

Rund 400 Euro sollen optimierte Prozesse und schnellere Planungsverfahren einsparen. Hier kommt die Stadt selbst ins Spiel: Die Bauämter sollen sich verpflichten, bei Bauanträgen künftig die Antwortfrist von vier Wochen auch tatsächlich einzuhalten – bislang eher die Ausnahme als die Regel, wie es bei dem Pressegespräch hieß. Eine „Projektuhr“ soll anzeigen, wie viel Kosten jeder verlorene Tag verursacht.

Komplexere Bauprojekte sollen künftig mit einer Antragskonferenz beginnen, in der Behörden ihre Anforderungen schon vor Stellung des Bauantrags formulieren können. Danach soll „niedrigschwellige digitale Kommunikation“ mit dem Bauamt möglich sein. Auch die Dauer von Bebauungsplanverfahren will Hamburg perspektivisch von derzeit etwa drei auf anderthalb Jahre verkürzen.

Der Markt soll zu niedrigeren Mieten führen

Insgesamt haben die Fachleute sogar mehr Sparpotenziale ausgemacht als von der Senatorin gefordert: Um bis zu 2.000 Euro günstiger könnte der Quadratmeter Wohnfläche gebaut werden, wenn alle Vorschläge umgesetzt würden. Nach Peins Rechnung könnte das dazu führen, dass die Nettokaltmiete nur noch zwölf Euro je Quadratmeter kosten müsste.

Noch ist das alles Theorie. Die Stadt Hamburg sieht sich als Pionier, weil sie es zumindest versucht. Aber wie will sie sicherstellen, dass die Unternehmen die Einsparungen an die künftigen Mie­te­r:in­nen weitergeben und nicht einfach mehr Gewinn einstreichen? „Da setzen wir auf das Gesetz von Angebot und Nachfrage“, sagt Senatorin Pein.

Man wolle „durch erhöhte Branchenaktivität in eine ausgeglichene Marktlage kommen“, springt ihr Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bei. Es müsse so sein, dass man auch mal zu einer Wohnung „nein“ sagen könne, weil es eine andere Option gebe. Erst dann sei es auch möglich, dass ältere Menschen große Wohnungen frei machten und in kleinere umzögen, ohne dass es für sie teurer würde. Tschentscher räumte allerdings ein: „Dafür brauchen wir wahrscheinlich noch 100.000 Wohnungen.“ Also in etwa so viele, wie seit Beginn der SPD-Wohnungsbauoffensive 2012 gebaut wurden.

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13 Kommentare

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  • Auf (fast) allen Kosten liegen 19% Umsatzsteuer. An den hohen Baukosten verdient der Staat erstmal ordentlich was. Dazu Lohnsteuer der legal beschäftigten Handwerker...



    Sicher 30% der Baukosten (ohne Schwarzarbeit) sind direkte Einnahmen des Staates. Das Bauland der Komune bei mir auf dem Land sind weitere 10 bis 20% der Neubaukosten beim EFH.



    In den Baustoffen stecken weitere Abgaben, z.B. Energie- und CO2-Steuern bei Beton und Dämmstoffen.

    Sehr guter Vorschlag zur "niedrigschwelligen Mailkommunikation mit dem Bauamt". Wenn man da anruft, kommt nur Unfreundlichkeit zurück und der Rat, zum Anwalt zu gehen, wenn es einem nicht passt.

    Das Amt müsste beschleunigen und den Bauherr*innen aktiv Hinweise geben, wie es schneller, besser und billiger genehmigt werden kann.

  • Wie @Fraquin schreibt: "Die Vonovia hat 2023 den Bau von 60.000 Wohnungen auf Eis gelegt, weil es sich für die Aktionäre nicht lohnte".







    Das ist der Punkt: solange sich alle Möglichen Leute und Konzerne die Taschen voll machen..auf Kosten der Mieter❤️innen, wird sich an der angespannten Lage nichts Grundsätzliches ändern.



    Denn das ist das goldene Kalb. Egal wie man es dreht und wendet. Entweder sind die Mieten zu hoch..oder es" lohnt" sich nicht zu bauen...







    Der beste Beweis für diese These findet sich in der Stadt Wien, in der es einen relativ entspannten Wohnungsmarkt gibt. Der Grund: Wien setzt stark auf Wohnungsbaugenossenschaften.

  • Die stadteigene Saga macht aufgrund des hohen Mietspiegel 200. Millionen Euro Gewinn im Jahr, nutzt diesen aber nicht, um Mieten der Sagamieter zu senken.

    Stattdessen werden Saga-Standarts (Zahl der Hausmeister, Pflege der Grünflächen und Gebäude) im Vergleich zu anderen Genossenschaften gesenkt und der 200. Millionen Euro Saga-Gewinn an den Haushalt der Stadt Hamburg abgeführt.



    Genau nach diesem Prinzip werden auch private Investoren vorgehen, wenn die Stadt keinen Weg findet, die Mieten bei Neubauwohnungen gesetzlich zu deckeln.

    Von Fritz Schuhmachers Diktum "Nur wenn wir lernen, die Stadt als Gemeingut zu betrachten und zu behandeln, können wir künstlerisch und sozial die Probleme zu lösen beginnen, die sie uns stellt.", hat sich die neoliberale Baupolitik der Hamburger SPD seit langem verabschiedet.

    Der Markt soll es richten! Folge: Hamburg hat kein Konzept, um genügend neue Wohnungen - vor allem auch Sozialwohnungen - zu bauen. Es fehlt der politische Wille, damt die Stadt mit genügend Geld - also neuen Schulden, zum sozialen Bauherren im Sinne Schuhmachers wird.

  • Ein Wohnungsmarkt setzt voraus, dass die Anbieter bei hohen Preisen mehr auf den Markt bringen, was zu geringeren Preisen führt.



    Beim Wohnungsbau geht das nicht, weil die Kommunen das Monopol auf die Ausweisung von Bauland haben.



    Außerdem geht es nicht, wenn trotz hoher Preise keine hohen Gewinne erzielt werden.



    Die Vonovia hat 2023 den Bau von 60.000 Wohnungen auf Eis gelegt, weil es sich für die Aktionäre nicht lohnte. Im gleichen Jahr kaufte die Quarterback Immobilien AG, Tochter der Deutschen Wohnen und mittlerweile von Vonovia übernommen, die Röderland GmbH, einen Agrarbetrieb in Brandenburg, für Geld, das auch in den Wohnungsbau hätte fließe können. Hätte sich nur mehr lohnen müssen, als das Agrarbuiseness.



    Bis auf weiteres bleiben der Verkauf und die Vermietung von Wohnraum einer Börse überlassen, auf der ein knappes Gut meistbietend gehandelt wird.



    Der Hamburger Standard greift also an den richtigen Punkten an - Baulandausweisung und Gewinnmarge erhöhen -.



    Schön, wenn die Politik beginnt, den Kapitalismus und die Marktwirtschaft zu verstehen, aber es wird ewig daueren, bis das wieder einen Wonungsmarkt herstellt.

    • @Franquin:

      mag ja sein, dass sie es versuchen zu verstehen, allein der Markt wird es nicht regeln, da Bauland nicht ewig zur Verfügung steht und somit nicht endlos weitergebaut werden kann.



      Und 12€ pro Quadratmeter kann auch nicht jeder bezahlen auch nicht im mittleren Dienst der öffentlichen Hand.

  • "Die größten Posten sind hier der Verzicht auf Tiefgaragen und Keller, auch bei der Fassadengestaltung"



    Ja na klar wer braucht schon n Keller oder ne Tiefgarage...



    Und Fassaden sind völlig überbewertet, das Auge isst bekanntlich niemals mit...



    Deshalb wollen ja überall die Menschen im öden Plattenbau der 80er wohnen und keiner in den schmucken Altbauten mit Stuck und Dielen...



    Mal Satiremodus ausgeschaltet - das 'Drücken' der Baukosten durch Leistungsabspeckung ist kein Drücken. Es wird schlicht weniger geliefert, dann wirds logischerweise billiger.



    Tatsächlich müssen die Baukosten aber real gedrückt werden. Und das kriegt man nur hin durch schlankere Bürokratie und das aufweichen der teils völlig überzogenen Umwelt/ und Energievorschriften.

    • @Farang:

      Den Verzicht auf Tiefgaragen halte ich für eine exzellente Idee, wir brauchen definitiv nicht noch mehr Autos in den Städten.



      Abstriche bei den Umwelt- und Energievorschriften halte ich für eine Milchmädchenrechnung, wenn dafür zukünftig höhere Heizkosten in Kauf genommen werden.

      • @1Mj3tI39F:

        Wenn Sie denken, dass jemand auf ein PKW verzichtet nur weil es in seinem Wohnquartier keine TG-Plätze gibt, sind Sie sehr naiv :D

  • Was ist mit der wieder einzuführenden Gemeinnützigkeit des Wohnens, die steuerbegünstigt war? Damit ließen sich auch Kosten sparen. Aber das will vermutlich die profitorientierte Immo-Lobby nicht.

  • Wenn man davon ausgeht, dass sich Mieter sowieso keine Auto mehr leisten können, läßt sich viel sparen.



    Bauen im Bestand ist teurer als auf der grünen Wiese. Die versprochene Bahn fährt nach 20 Jahren immer noch nicht und die Städte werden auch nicht gerade attraktiver.

  • Wie wäre es mit mehr staatlichem Bau? Das hat in der Vergangenheit auch funktioniert und es gibt mit der SAGA ja schon eine städtische Wohnbaugesellschaft.



    Ich verstehe diesen Hang zum privaten Wohnungsbau ohnehin nicht. Da kommen häufig nur teure Eigentumswohnungen bei rum. Wie der Artikel aber schon erwähnt, braucht die Stadt viel mehr Miet-Wohnungen, um mehr Flexibilität für bestehende und zukünftige Einwohner*innen zu schaffen.

    • @Okti:

      Da ist was dran...aber sobald die öffentliche Hand etwas baut, wird es doppelt so teuer. Komplizierte Ausschreibung, niemand übernimmt Verantwortung, deshalb unnütze Architekten mit unnützen Zeichnungen, wo auch ein Handwerksmeister mit seinem Hirn, der eh auf dem Bau ist, gereicht hätte. Verzögerungen ohne Ende...

  • Immerhin ein Anfang. Und wenn die Kosten sinken und mehr Wohnungen gebaut werden, hilft das auch den Mietern.