Blitz-Parteitag der CDU: Jetzt bloß kein Streit
Die Union stehe geschlossen hinter Friedrich Merz, betont die CDU auf ihrem Parteitag. Doch seit der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD rumort es.
In seiner Predigt am Montag schwächt der katholische Prälat Karl Jüsten diese Kritik gegenüber der anwesenden CDU-Parteiführung zu einer zaghaften Mahnung ab: „Wir können als Christen nicht anders, als für Weltoffenheit, Toleranz und Gerechtigkeit zu streiten“, sagt er. Und: „Wir erwarten, Herr Merz, dass Sie das Wort, das Sie uns gegeben haben, auch halten werden.“
Er spielte damit auf das Versprechen des CDU-Chefs an, nach denWahlen sich nicht mit Stimmen der AfD zum Kanzler wählen zu lassen. Merz wiederholt diese Aussage auf dem Parteitag: „Wir werden mit der Partei, die sich Alternative für Deutschland nennt, nicht zusammenarbeiten.“ Die Partei stehe gegen alles, was der CDU wichtig sei: Westbindung, Nato, Euro.
Als Merz das sagt, formiert sich ein kurzer Protest im Saal. Demonstrierende halten Schilder mit Buchstaben hoch: „Brandmauer“ ist darauf zu lesen. Merz bemerkt die Intervention gar nicht – der Sicherheitsdienst beendet die Aktion schnell und führt die Protestierenden aus dem Saal.
Ihren Fünfpunkteplan will die Union weiterverfolgen
Die Demonstrant*innen, die am Wochenende zu Zehntausenden gegen Rechts auf die Straße gingen, kritisiert Merz hingegen von der Bühne aus: „Wo ist denn der Aufstand der Anständigen, wenn in Deutschland Palästinenserflaggen geschwenkt werden und Israelfahnen verbrannt werden“, ruft er in den Saal. Und er fügt unter Applaus hinzu: „Ihr habt Euch im Datum und im Thema geirrt.“
Zuvor spannte Merz einen Bogen von Konrad Adenauer über Ludwig Erhard bis Helmut Kohl zur heutigen Situation. Immer wieder habe die CDU wichtige Entscheidungen erkämpft. Das gelinge nur, wenn die Union zusammenstehe. Dies sei auch heute nötig, so Merz. Die große Mehrheit in der Bevölkerung sei der Meinung, dass es in der Migrationspolitik so wie bisher nicht weiter gehe. „Jetzt kommt es darauf an, Kurs zu halten.“
Die Union möchte ihren Fünfpunkteplan zur Migration, den sie vergangene Woche mit den Stimmen der AfD als Antrag durch den Bundestag gebracht hatte, weiterverfolgen. Das Vorhaben, Asylsuchende pauschal an den Grenzen abzuweisen, ist Teil des eine Seite umfassenden Sofortprogramms, das die CDU im Falle eines Wahlsieges direkt angehen will.
Oberflächliche Harmonie
Der Parteitag verabschiedet dieses Programm einstimmig: Die ersten Punkte drehen sich um die Wirtschaftspolitik, die die CDU bis zu den Morden in Aschaffenburg nach eigenen Angaben ins Zentrum ihres Wahlkampfs stellen wollte. Die Union möchte etwa die Stromsteuer und Netzentgelte senken, das deutsche Lieferketten- und Heizungsgesetz abwickeln, und Überstunden steuerfrei stellen.
Doch auch um Sicherheit geht es dem Sofortprogramm, darunter auch das Merz’sche Fünfpunkteprogramm zur Migration, mit dem die CDU den Familiennachzug für subsidiär Geschützte beenden will. Bei der Einbürgerung will die Union die Fristen wieder verlängern, die Cannabislegalisierung wieder rückgängig machen. Keiner der Punkte wird auf dem Parteitag inhaltlich diskutiert, und den Zeitplan gibt Merz schon vor der Abstimmung vor: Bis zur Sommerpause sollen die Punkte umgesetzt werden.
Vordergründig herrscht auf dem CDU-Parteitag Harmonie. Daran, dass die Union die nächste Regierung stellt, will hier niemand zweifeln. Knapp drei Wochen vor der Bundestagswahl will niemand Merz in den Rücken fallen. „Bis zum 23. Februar sind wir eine geschlossene Partei“, sagt einer am Rande des Parteitags. Aber seit die Unionsfraktion am vergangenen Mittwoch einen Antrag für eine radikale Verschärfung der Asylpolitik mit den Stimmen der AfD durch den Bundestag brachte, ist es hinter den Kulissen vorbei mit der ungeteilt guten Stimmung.
Karin Prien, CDU-Vizevorsitzende
Viele teilen zwar den Vorstoß in der Sache, aber die Strategie, mit der Merz versucht, Stimmen von der AfD zur Union umzuleiten, halten manche in der CDU für viel zu riskant. An den Wahlkampfständen in den vergangenen Tagen habe es viel Zustimmung gegeben, heißt es. Aber zahlreiche Christdemokrat*innen waren dort auch mit dem Vorwurf konfrontiert, dass man mit den extrem Rechten auf gar keinen Fall gemeinsame Sache machen dürfe.
Auch die Liberalen in der CDU stehen hinter Merz
Auch die Großdemonstrationen vom Wochenende betrachten manche in der CDU mit Sorge, in Berlin zogen um die 200.000 Menschen bei einem „Aufstand der Anständigen“ am Sonntagnachmittag bis vor die CDU-Parteizentrale.
Der Wahlverlust von 2021 steckt der Partei bis heute in den Knochen. Nacheinander steigen neben den Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, Boris Rhein und Michael Kretschmer auch Parteivize Silvia Breher und Karin Prien auf die Bühne, um Merz zu unterstützen. Prien, die liberale Vizechefin der Partei, stellt sich fest an die Seite des CDU-Kanzlerkandidaten. „Unsere DNA ist antifaschistisch und antitotalitär, und da stehe ich, lieber Friedrich, fest an deiner Seite.“
Es sei infam, dass SPD und Grüne der CDU vorwerfen würden, der AfD auch nur einen kleinen Finger zu reichen. Klar sei: „Keine Zusammenarbeit, keine Koalition, keine Minderheitsregierung“, rief Prien. Und: „Wir brauchen keinen antifaschistischen Nachhilfeunterricht.“
Es ist diese Argumentationslinie, die die Delegierten in unterschiedlichen Färbungen durchspielen: Weil SPD und Grüne sich einem schärferen Kurs in der Migrationspolitik verwehrt hätten, sei es zu der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD gekommen. „Das war ein Offenbarungseid von Rot und von Grün, was wir erlebt haben“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann. Dies mache klar, „dass es mit SPD und Grünen keinen Politikwechsel bei der Migration geben wird“.
Selbst Markus Söder stichelt nur sanft
Wie geeint die Union steht, wird auch in der Rede des notorischen CDU-Spitzenkandidatenfressers, CSU-Chef Markus Söder, deutlich. Er redet über das Gendern (pfui), Bratwürste (hui) und stellt sich hinter Merz. „Letzte Woche war schon ein steiler Move. Friedrich Merz hat eine Leitentscheidung getroffen, so wie es ein Kanzler tun muss.“
Die AfD ist ihm einen Seitenhieb wert: „Nein, nein, nein zu jeder Zusammenarbeit mit der AfD, wir bekämpfen die Partei.“ Die maximale Stichelei, die er sich gegen Merz erlaubt: „Ich war sogar im Sauerland.“ Er wisse nicht, ob er noch einmal in die Heimat des CDU-Kandidaten reisen werde, nur so viel: „Heute in drei Wochen ist alles vorbei, und wir haben ein Ziel: Friedrich Merz wird Bundeskanzler.“
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