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Widerstand am Golf von Mexiko

Donald Trump will, dass die fossile Industrie in den USA boomt. Doch an der Küste von Texas und Louisiana wächst seit Jahren eine Bewegung, die dagegen kämpft. Viele der Aktivisten haben zuvor selbst in den Raffinerien und Chemiefabriken gearbeitet

Mitten im Feuchtgebiet: Die LNG-Anlage in Cameron Foto: Matthew D. White/ imago

Aus Quintana, Freeport und Cameron Kathrin Hartmann

Vor dem Rathaus von Quintana ragt eine alte Eiche in den Himmel. Am Eingang steht ein pinker Briefkasten in Form eines Flamingos und hinterm Haus auf der Wiese laden Röhrenrutsche und ein Klettergerüst zum Spielen ein. Palmen wiegen in der Meeresbrise und hinter den Dünen auf der anderen Straßenseite rauscht der Golf von Mexiko. Die texanische Gemeinde Quintana wäre ein idyllischer Ort am Meer, stünden da nicht diese drei gewaltigen grauen Betontanks nur wenige hundert Meter hinter dem Spielplatz. Sie gehören zu Freeport LNG. Das Exportterminal für Flüssigerdgas zählt zu den größten der Welt.

Und dann ist da noch der Pavillon, der vor dem Rathaus steht. Er neigt sich leicht zur Seite und ist mit Flatterband abgesperrt. Im Juni 2022 platzte eine Pipeline, das ausgetretene Gas entzündete sich und es kam zu einer Explosion. „Unser Haus hat gewackelt“, erinnert sich Manning Rollerson ein Jahr später. Der 62-Jährige lebt zweieinhalb Kilometer entfernt, im Zentrum von Freeport, der angrenzenden Industriestadt. Er habe den Knall gehört und in der Ferne den mehr als hundert Meter hohen Feuerball und schwarzen Rauch gesehen. Aber es heulte keine Sirene. „Wir haben von der Explosion aus den Nachrichten erfahren“, sagt Rollerson. Dabei hätte es leicht zur Katastrophe kommen können. In den Betontanks befindet sich hochexplosives stark komprimiertes Flüssigerdgas (LNG). „Wenn das Feuer auf die Tanks übergegriffen hätte, wäre hier alles in die Luft geflogen.“

Eine Untersuchung belegt, dass es schon Tage zuvor technische Probleme gab. Trotzdem stellten die Manager die Anlage nicht ab. „Sie wussten es ganz genau“, sagt Manning Rollerson wütend, „aber sie haben einfach weitergemacht.“ Im Februar 2023 ging die Anlage wieder in Betrieb und seither leben die umliegenden Gemeinden in Angst.

Zumal weitere Anlagen entstehen sollen. Insgesamt mehr als zwei Dutzend LNG-Terminals will die Industrie in den USA neu bauen oder erweitern. Dabei stehen in der Region bereits viele Ölraffinerien und Chemiefabriken. Sie verschmutzen Wasser und Luft und belasten zudem die Gesundheit der Anwohnenden. Besonders betroffen sind People of Color und Arme, deren Häuser in unmittelbarer Nähe der Indus­trieanlagen stehen. Für solche Orte gibt es einen Namen: „Sacrifice Zones“, Opferzonen.

Aber Manning Rollerson will kein Opfer mehr sein. „Who speaks for EJ in Freeport, TX?“ steht auf der Rückseite seines schwarzen T-Shirts, also: „Wer setzt sich für Umweltgerechtigkeit in Freeport, Texas ein?“ Nun – er tut es. Dabei hat Rollerson früher selbst in den Fabriken gearbeitet, gegen die er mittlerweile kämpft.

Rollerson ist Teil einer Protestbewegung, die sich am Golf von Mexiko gegen die fossile Industrie stellt. Ausgerechnet an einem Ort, wo Donald Trump überaus populär ist, und von wo aus Flüssiggas in die ganze Welt geschifft wird. Aus Freeport bezog die EU zum Zeitpunkt der Explosion 2022 ein Viertel ihrer Flüssiggasimporte. Diese haben für Europa seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zunehmend an Bedeutung gewonnen. Mit Trump als Präsident steht ein weiterer Boom für die Öl- und Gasindustrie im Golf von Mexiko bevor.

Beim Treffen im Sommer 2023 will Manning Rollerson das Ausmaß der Großindustrie zeigen. Er lotst das Auto zum Ortseingang von Freeport, und dann folgt ein Industriegelände, das nicht enden will: Tanks, Röhren, Stahltürme, Schornsteine und Pipelines reihen sich über sechs Kilometer aneinander. Der Chemieriese Dow Chemical wurde 1939 hier gegründet. Seine Anlagen nehmen in und um Freeport eine Fläche ein, die so groß ist wie die Stadt selbst.

Direkt daneben liegt das Gelände des Konkurrenten BASF. Rollerson öffnet das Autofenster, ein stechend süßlicher Geruch dringt herein. „Benzol“, sagt er und schiebt nach: „Krebserregend!“ Laut einer Studie des texanischen Gesundheitsministerium ist die Krebsrate in Freeport signifikant höher als im US-Durchschnitt. Rollersons Mutter und viele seiner Freunde sind an Krebs gestorben. Immer wieder mussten seine fünf Kinder wegen Atemwegskrankheiten in die Klinik und heute leiden seine 27 Enkel an denselben Symptomen. All das und das Gefühl, nur ein Spielball der Industrie zu sein, haben Rollerson zum Aktivisten gemacht.

Nahe des Hafens lotst Rollerson das Auto zu einer großen Brache. Vor nicht allzu langer Zeit standen hier noch Häuser, das East End von Freeport. Rollerson ist dort aufgewachsen. In den 1930er-Jahren zwangen die weißen Stadtherren alle Schwarzen Menschen von Freeport hierher, in den Windschatten der giftigen Fabriken. Mit den Jahren entwickelte sich eine lebendige Gemeinde mit Schulen, Geschäften und Kirchen. Davon ist ein einziges baufälliges Gebäude geblieben. Alle anderen hat die Hafengesellschaft, Port Freeport, abreißen lassen. Denn hier soll der größte Tiefseehafen von Texas gebaut werden, von dem noch mehr Flüssigerdgas exportiert werden kann.

Dafür musste die Schwarze Gemeinde weichen. „Die Stadt hat unser Viertel dafür jahrelang systematisch abgewertet“, sagt Rollerson. Angefangen habe das vor über 20 Jahren: Straßen wurden nicht mehr saniert; neu zu bauen, war verboten; am Ende durften die East Ender nicht mal mehr ihre eigenen Häuser reparieren. Zudem drohte die Hafengesellschaft mit Enteignungen. Aus Angst, tatsächlich leer auszugehen, verkauften einige ihre Grundstücke unter Marktpreis. Andere überließen der Firma freiwillig ihre Grundstücke und wurden umgesiedelt, in kleinere, schlechtere Häuser in einem Hochwassergebiet.

Auch Manning Rollerson musste sein Haus, das seiner Familie 70 Jahre lang gehörte, abreißen. Seitdem wohnt er im Stadtzentrum. Für das Grundstück bot ihm Port Freeport 21.000 Dollar. „Eine Beleidigung“, findet Rollerson und klagt gemeinsam mit Gleichgesinnten dagegen. Bis heute laufen die Verfahren.

Die Hurrikans werden immer heftiger

Was LNG ist und kann

Das Verfahren

LNG steht für „Liquified Natural Gas“ – verflüssigtes Erdgas. Denn kühlt man Erdgas auf minus 161 Grad Celsius herunter, verringert sich sein Volumen um das 600-fache. So kann es besser transportiert und am Zielort wieder in Gas umgewandelt werden.

Die Übergangslösung

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine und den daraufhin beschlossenen Sanktionen gilt LNG hierzulande als Alternative zu russischem Gas. Ein Großteil des importierten LNG stammt aus den USA. Bislang gibt es vor Deutschlands Küsten sechs schwimmende Terminals für die Regasifizierung. Langfristig sind drei feste Terminals geplant.

Die Kritikpunkte

Flüssigerdgas besteht zu rund 98 Prozent aus Methan. Das Treibhausgas ist bis zu 25-mal schädlicher als CO2 und kann auf dem Transportweg entweichen. Für die Kühlung auf dem Transportweg wird außerdem zusätzlich Energie benötigt. Zudem wird das Erdgas insbesondere in den USA mithilfe der umweltschädlichen Frackingmethode gefördert. Darüber hinaus klagen Menschen, die in der Nähe von Flüssiggasterminals wohnen, über Belästigung durch Chemikalien, Lärm und Licht. Der geplante LNG-Ausbau in Deutschland sei Expert*innen zufolge außerdem überzogen und nicht notwendig. (tk)

Für Rollerson sind die Zusammenhänge eindeutig: „Wir Afroamerikaner werden in dieser Stadt bis heute benachteiligt, wir sind nur ein Kollateralschaden für die Industrie.“ Freeport gehört zu den ärmsten Gemeinden in Texas, die Arbeits- und Obdachlosigkeit sind hoch. Obendrein bekommen die Menschen hier die Folgen der Klima­krise zu spüren, die die fossile Industrie vor Ort befeuert. Im Sommer 2024 traf der Hurrikan „Beryl“ auf die Küstenstadt. Der Sturm der höchsten Kategorie 5 beschädigte viele Häuser, auch das der Rollersons. Das Haus der Nachbarn ist völlig zerstört, die Familie lebt seither in einem Zelt. Sie und viele andere unterstützen den 62-jährigen Aktivisten.

Wie eng soziale Ungerechtigkeit und die Klimakrise verbunden sind, spüren viele der Aktivistinnen und Aktivisten an der Golfküste direkt. Deshalb hat Rollerson das Freeport Haven Project für Umweltgerechtigkeit gegründet. Es verteilt Lebensmittel, organisiert Unterkünfte und hilft, kaputte Dächer und Fenster abzudichten. Denn immer seltener übernehmen Hausversicherungen solche Schäden. Nach den Hurrikans „Laura“ (2020) und „Ida“ (2021) gingen ein Dutzend Versicherungen pleite, ein weiteres Dutzend zog sich vom Markt zurück und die Übriggebliebenen haben ihre Prämien extrem erhöht.

Noch eine Woche bevor Hurrikan „Beryl“ im Juli die US-Küste erreichte, hatte Rollerson mit vielen anderen in New York gegen die Versicherungskonzerne demonstriert. Denn während sich die Menschen an der Golfküste nicht mehr auf die Versicherungen verlassen können, schützen diese weiterhin das Geschäft der Fossilen. Der Demonstrationszug führte zu den Gebäuden von Chubb und AIC, die Freeport LNG versichert haben. Sie sollten sich aus der fossilen Industrie zurückziehen, so die Forderung. „Wir brauchen einen Systemwandel, der die Menschen so sehr liebt, wie die Einwohner von Freeport sich gegenseitig lieben“, sagte Rollerson in seiner Rede in New York.

Dafür kämpft er nicht allein. Entlang der Golfküste – von New Orleans bis Corpus Christi – wächst der Widerstand, und die vielen lokalen Gruppen sind gut miteinander vernetzt.

Auch James Hiatt kämpft mit seiner Organisation „For a Better Bayou“ gegen die fossile Industrie. 320 Kilometer östlich von Freeport steht er in ­Louisiana im Schlick des Holly Beach. Der 41-Jährige ist kräftig, mit seinem rotblonden Vollbart, dem Karohemd und der Baseballkappe mit Camouflagemuster sieht er nicht aus wie ein klassischer Umweltaktivist, und genau genommen ist er das auch nicht. So wie Manning Rollerson hat der Vater von drei Kindern vor einigen Jahren selbst noch in der Ölindustrie gearbeitet.

Die Aktivisten an der Golfküste spüren, wie eng Ungerechtigkeit und die Klimakrise verbunden sind

Vor ihm am Strand steht ein Gebilde aus Treibholz, Muscheln und bunten, vom Meer geschliffenen Glasstücken, an dem ein Strauß verblichener Kunstblumen hängt. „Das ist von unserer Zeremonie“, sagt Hiatt und lächelt traurig. „Wir wollen daran erinnern, wie wertvoll dieses Land ist, und dass es beschützt werden muss.“ Bis vor Kurzem sei der Holly Beach ein weißer Sandstrand gewesen, an dem man baden konnte, sagt der Aktivist. Beim Besuch im Sommer 2023 aber erstreckt sich eine graue pockennarbige Spur über Kies und Plastikmüll. Es sind mit Öl vermischte Sedimente, wie die schwarzen Teerklumpen, die überall liegen. Über braunem Matsch suppt schaumiges Salzwasser.

Verantwortlich für diese Kloake ist die Firma Venture Global. Sie hat in nur 29 Monaten das LNG-Terminal Calcassieu Pass bei Cameron gebaut, wenige Kilometer vom Holly Beach entfernt. „Als sie den Hafen dafür vertieft haben, haben sie den Abraum einfach hier am Strand abgeladen“, sagt Hiatt und zeigt auf zwei riesige Betontanks der LNG-Anlage, die sich in der Ferne aus den Feuchtgebieten erheben. Hinzu kommt, dass die Flüssiggasanlage vom ersten Tag an Betriebsprobleme hat. Zwischen Januar und Mai 2022 wurde an 91 Tagen Gas abgefackelt, das ist ein Hinweis auf technische Probleme: Aus Sicherheitsgründen werden gelagerte Chemikalien und Methan verbrannt. Von diesem Pannenterminal stammte die allererste Lieferung, die im Januar 2023 das neue LNG-Terminal in Wilhelmshaven erreichte. Gewonnen wurde das Erdgas durch Fracking.

Hier in der Region habe der LNG-Boom angefangen, sagt Hiatt. Im Mai 2019 eröffnete Donald Trump ein Terminal im 50 Kilometer entfernten Hackberry. Er lobte Amerika als „Energiesupermacht“, versprach dem jubelnden Publikum Arbeit und billige Energie, genau wie auch jetzt wieder in seiner Antrittsrede als Präsident. Diese Versprechen sind wirkmächtig. „Aber die Arbeitsplätze im Öl- und Gassektor gehen seit Jahrzehnten zurück, LNG wird exportiert, die Energie hier wird immer teurer“, sagt James Hiatt.

Das Gefühl, dass andere sich vordrängeln

„Wir Afroamerikaner werden bis heute benachteiligt, wir sind nur Kollateralschaden für die Industrie“

Manning Rollerson, Umweltaktivist

Louisiana ist der zweitärmste Bundesstaat der USA, landet bei Rankings für Bildung, Lebenserwartung, Kindeswohl, Wirtschaft und Infrastruktur seit Jahren auf den letzten Plätzen. Vorne liegt der Bundesstaat hingegen bei Themen wie Umweltverschmutzung und Kriminalität. Trotzdem haben zwei Drittel der Menschen hier Donald Trump gewählt, der jeglichen Umwelt- und Klimaschutz boykottiert und für eine unregulierte Industrie kämpft und ihr Leben schlechter machen wird. Warum? Diese Frage beschäftigt auch James Hiatt.

Antworten fand er im Buch „Fremd in ihrem Land“ von der Soziologin Arlie Russell Hochschild, das er las, als er noch in der Raffinerie arbeitete. Hochschild hat fünf Jahre lang Anhängerinnen und Anhänger der rechten Tea-Party-Bewegung begleitet, um dieses „große Paradox“ zu ergründen. Sie beschreibt eine „emotionale Tiefengeschichte“: Die Menschen warten in einer Schlange geduldig auf den amerikanischen Traum. Erfolg, Anerkennung, Reichtum. Doch ihrem Empfinden nach drängelten sich andere vor. Ihr Eindruck sei, Migranten, Frauen, People of Color und sogar der Braunpelikan würden von der Demokratischen Partei bevorzugt.

Bis heute lässt Hiatt das Buch nicht los. „Das Gefühl des Verrats ist stark und wird von der fossilen Industrie und Rechten ausgenutzt“, sagt er. „Wir müssen diese Geschichte zu einer von Chancen machen. Dann ist es möglich, uns von der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu lösen und den Weg für neue nachhaltige Arbeit in erneuerbarer Energie, Küstenrenaturierung und Gesundheitswesen freizumachen.“ Deshalb hat er 2022 seine Organisation gegründet.

Bereits 2021 hat James Hiatt angefangen sich umweltaktivistisch zu engagieren. Damals hatte er seine Arbeit in der Raffinerie bereits verloren, als er die Stellenanzeige einer NGO entdeckte, die einen Kampagnenleiter gegen LNG suchte. „Zu der Zeit wurde hier die Klimakrise mehr und mehr Wirklichkeit und ich wusste ja, dass die fossile Energie ihren Anteil daran hat“, sagt er. „Ich wollte etwas dagegen tun und zur Aufklärung beitragen.“

James Hiatt hat früher selbst in einer Raffinerie gearbeitet Foto: privat

Mit seinem neuen Job stieß er in seinem Freundeskreis auf Skepsis und Widerstand. Viele, die er kennt, arbeiten in dieser Industrie. „Ich wurde von einigen Leuten nicht mehr zu Partys eingeladen“, sagt er. „Aber das hat sich geändert.“ Hiatt konnte Bündnisse schmieden und zum Beispiel auch Fischer als Mitstreitende für seine Organisation gewinnen.

Menschen wie James Hiatt und Manning Rollerson gehören keiner „grünen Großstadtelite“ an, gegen die Trump und Konsorten wettern. Und das macht den Widerstand womöglich so stark. Sie genießen das Vertrauen der Menschen, weil sie vor Ort sind, die Verhältnisse kennen und weil sie selbst in der fossilen Industrie gearbeitet haben. Weil sie nicht nur protestieren, sondern helfen und so die ökologische mit der sozialen Frage verbinden: „Viele verstehen, was passiert, und stimmen mir jetzt zu. Diese milliardenschweren Konzerne bringen kein Geld, sie bekommen Steuererleichterungen auf unsere Kosten“, sagt Hiatt.

Einer der größten Erfolge des Widerstands an der Golfküste ist das Moratorium, das US-Präsident Joe Biden Anfang 2024 zum Ausbau der LNG-Terminals verhängt hatte. Bereits wenige Monate nach dem Inkrafttreten, setzte ein von Trump ernannter Bezirksrichter das Moratorium jedoch wieder außer Kraft.

Manning Rollerson spricht in New York auf einer Demo gegen die Unterstützer der fossilen Industrie Foto: Fo­to:­ Gi­na M Randazzo/picture alliance

Das hat auch Folgen für die Anlage in Cameron, Louisiana. Bidens Moratorium hatte die Pläne von Venture Global ein zweites Terminal zu bauen, vorerst aufs Eis gelegt. Mit Trump im Amt ändert sich das wieder. Dabei würde der Bau weitere große Flächen des Feuchtgebietes zerstören. Sie sind der wichtigste Schutz vor Überschwemmungen in Folge der Hurrikane.

Wie in Freeport haben die durch den Klimawandel häufiger werdenden Wirbelstürme Cameron stark mitgenommen. Zwischen 2005 und 2020 zerstören die Hurrikane „Rita“, „Ike“, „Laura“ und „Delta“ den Ort nahezu komplett. Nur 300 Menschen sind geblieben. Am Ortsende steht die Ruine einer Kirche. Die weiße Fassade ist weggerissen, Bretter liegen auf dem Boden, als wäre das Desaster eben erst passiert. Auf der anderen Straßenseite sprießt aus dem schwarzen Acker zartgrünes Gras.

„Hier hat es kürzlich gebrannt“, sagt James Hiatt und lässt seine Drohne fliegen. Der Monitor zeigt, dass die verbrannte Fläche fast bis zur LNG-Anlage reicht. 2023 ist ein Sommer der Rekordhitzen. „Die extreme Hitze trocknet die Wetlands aus, deswegen sind solche Brände größer und häufiger“, sagt ­Hiatt. „Das nimmt mit der Klimakrise zu.“ Damit wächst auch die Angst vor einer Katastrophe bei der problembelasteten Anlage. Sollte hier, wie in Freeport geschehen, aus der Anlage Methan austreten, könnte so ein Feuer eine Katastrophe auslösen.

Mit Donald Trump im Amt geht der Kampf weiter und er geht über den Golf von Mexiko hinaus. Die Bewegungen gegen Flüssiggas ist eine internationale. Auch in Deutschland formten sich Proteste gegen LNG-Importe, etwa 2023 gegen das Terminal auf Rügen oder im Dezember 2024 in Berlin. Dort stehen auch, dick eingepackt, Manning Rollerson und James Hiatt auf der Bühne. Es ist kalt und dunkel, aber viele hundert Menschen sind gekommen, um gegen den World LNG Summit zu demonstrieren, zu dem sich die Gaslobby im Hotel Adlon trifft. „LNG aus den USA bringt meine Community um“, sagt Rollerson ins Mikrofon. Auch Hiatt ergreift das Wort: „Wir stecken da gemeinsam drin und wir brauchen einander. Was in den kommenden vier Jahren an der Golfküste passiert, bestimmt, was in den nächsten 40 Jahren weltweit geschieht.“

Kathrin Hartmann hat für ihr Buch „Öl ins Feuer“ (Rowohlt Verlag) im Sommer 2023 die Golfküste in Texas und Louisiana besucht und dort Ak­ti­vis­t:in­nen getroffen.

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