Krieg in Gaza: Gefangenenaustausch und Waffenruhe in Gaza
Palästinenser und Israelis begrüßen ihre aus der Gefangenschaft freigelassenen Angehörigen. Trump spricht über Pläne, den Gazastreifen zu „säubern“.
Die Hamas hatte zugesagt, alle Zivilisten freizulassen, bevor entführte Soldaten freikommen sollten. Die vier Frauen aber waren zum Zeitpunkt ihrer Entführung Wehrdienstleistende. Nicht unter den Freigelassenen war hingegen die 29-jährige Arbel Jehud. Sie soll sich in der Hand des Islamischen Dschihad befinden, einer militanten Palästinenser-Gruppe neben der Hamas.
Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu kündigte an, die vereinbarte Rückkehr von Vertriebenen in den Norden des Küstenstreifens erst nach einer Garantie für die lebende Rückkehr der 29-Jährigen in der kommenden Woche zu erlauben.
Südlich des israelisch besetzten Netzarim-Korridors hatten sich am Samstag bereits Tausende Menschen versammelt, um in ihre zerstörten Heimatorte zurückzukehren, als Schüsse fielen. In einem von der britischen BBC verifizierten Video sind vier Schüsse zu hören, während Menschen panisch fliehen. Das von der Hamas geleitete Gesundheitsministerium meldete einen Toten. Die israelische Armee bestritt den Bericht und sprach von Warnschüssen.
Bizarre Show der Hamas
Die Hamas heizte die Spannungen weiter an, indem sie die Übergabe der vier jungen Frauen auf dem Palästina-Platz in Gaza-Stadt in eine teils bizarren Show verwandelte. Umringt von Hunderten bewaffneten und vermummten Hamas-Kämpfern mussten sie vor den Augen Hunderter Zuschauer auf eine Bühne klettern. Die am 7. Oktober 2023 in ihren Pyjamas entführten Frauen waren dafür in Armeeuniformen gekleidet worden. Im Hintergrund verkündete ein Banner den „Sieg des unterdrückten Volkes gegen den Nazi-Zionismus“.
Im Gegenzug ließ Israel insgesamt 200 palästinensische Gefangene frei. Unter ihnen befinden sich 121 Personen mit lebenslangen Haftstrafen, zum Teil für tödliche Anschläge auf Israelis. 70 für schwerwiegende Taten verurteilte wurden nach Ägypten, 16 in den Gazastreifen gebracht. In Ramallah im israelisch besetzten Westjordanland wurden die übrigen 114 Gefangenen von einer jubelnden Menge mit Palästina- und Fatah-Fahnen begrüßt.
„Zu hören, dass ich freikommen soll, war überwältigend“, sagte der 30-jährige Azzam, nachdem er in grauer Gefängniskleidung aus einem ICRC-Bus gestiegen war. Viele der Freigelassenen wirkten sichtlich erschöpft. „Wir wurden drei Tage lang geschlagen und gedemütigt vor unserer Freilassung“, sagte der 31-jährige Tarek Abdel Yahya aus Dschenin.
Das Abkommen zwischen Israel und der Hamas sieht in einer ersten Phase bis Ende Februar die Freilassung von 26 weiteren israelischen Geiseln und Hunderten palästinensischen Gefangenen vor. In einer zweiten Phase sollen die übrigen Geiseln freikommen, während sich die israelische Armee aus dem Gazastreifen zurückzieht. Bisher haben die Verhandlungen für die zweite Phase jedoch nicht begonnen.
US-Präsident Trump stellt Pläne für Gaza vor
Fragil ist auch die Ende November zunächst für zwei Monate beschlossene Waffenruhe zwischen der libanesischen Hisbollah und Israel. In den vergangenen 60 Tagen hatten sich beide Seiten aus dem Süden des Libanon zurückziehen sollen. Netanjahu teilte am Freitag mit, die Frist für den Abzug nicht einhalten zu wollen. Mindestens drei Menschen starben am Sonntag nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministeriums, nachdem israelische Soldaten das Feuer auf Vertriebene eröffnet hatten, die in ihre Häuser zurückkehren wollten.
Die große Unbekannte für die Zukunft der Abkommen aber ist der US-Präsident Donald Trump, der am Samstag einen Einblick in seine Pläne für die Region gab. Ihm zufolge sollten die im Gazastreifen lebenden Palästinenser in andere arabische Staaten umsiedeln. Der zerstörte Küstenstreifen solle „einfach gesäubert“ werden. Als Aufnahmeländer nannte er Ägypten und Jordanien, die in der Vergangenheit jedoch mehrfach deutlich gemacht hatten, keine Palästinenser aus Gaza aufnehmen zu wollen. Zudem gab er die Auslieferung weiterer 2.000-Pfund Bomben an Israel frei, die sein Amtsvorgänger Joe Biden gestoppt hatte.
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