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Nach SkandalThilo Mischke wird doch nicht „ttt“-Moderator

Der Druck wurde immer größer: Nach Kritik von Kulturschaffenden an Thilo Mischke wird er nun doch nicht die ARD-Kultursendung „ttt“ moderieren.​

Moderator Thilo Mischke steht im Studio des ARD-Kulturmagazins „ttt – titel thesen temperamente“ Foto: Marc Rehbeck/ARD/dpa

Berlin dpa/epd | Thilo Mischke wird einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge doch nicht Moderator des ARD-Kulturmagazins „ttt – titel, thesen, temperamente“. Das deckt sich mit Informationen der Deutschen Presse-Agentur, die ARD war zunächst nicht erreichbar. Zuletzt hatte sich Kritik an dem Journalisten wegen dessen früherer Autorentätigkeit gemehrt.

Wie lief der Fall ab?

Vor Weihnachten hatte die ARD bekanntgemacht, dass Mischke ab Mitte Februar mit Siham El-Maimouni die Moderation der Sendung übernimmt, die traditionell sonntags am späten Abend im Ersten ausgestrahlt wird. „ttt“ zählt zu den bekanntesten Kultur-Formaten der ARD. Die Sendung gibt es seit 1967. Im vergangenen Jahr schalteten durchschnittlich rund 850 000 Zuschauer (Marktanteil 7,4 Prozent) ein. Zudem starte Mischke einen Kultur-Podcast mit der Autorin Jule Lobo, hatte es von der ARD geheißen.

Der Journalist und Autor hatte seinen neuen Job für das öffentlich-rechtliche Fernsehen auf Instagram bekanntgemacht – und sich seither nicht mehr zu dem Fall und der Kritik geäußert. Im Netz war unterdessen der Unmut lauter geworden. Zuletzt kursierte ein offener Brief von Kulturschaffenden, die ihre Zusammenarbeit mit Mischke verweigerten.

Warum die Kritik?

Die Kritik, die Mischke und der ARD entgegenschlägt, dreht sich um die Vergangenheit des Journalisten und Autoren. Im Gespräch war etwa sein Buch „In 80 Frauen um die Welt“ aus dem Jahr 2010. Mischke reiste wegen einer Wette, 80 Frauen zu verführen, um die Welt. Auch sein Buch „Die Frau fürs Leben braucht keinen großen Busen“ stieß auf Kritik. Äußerungen des Journalisten wurden als sexistisch, misogyn und rassistisch wahrgenommen

Die ARD hatte zunächst an der Personalie Mischke trotz Kritik festgehalten und betont: „„ttt“ stellt sich gegen jede Form von Sexismus und Rassismus und steht, genauso wie Thilo Mischke, für Meinungsvielfalt und Toleranz.“ Seit der Veröffentlichung habe er sich „intensiv und selbstkritisch mit den Vorwürfen, darin ein sexistisches Frauenbild vermittelt und stellenweise rassistische Sprache benutzt zu haben, auseinandergesetzt“.

Die Unterzeichner des offenen Briefs hingegen werfen Mischke auch vor, sich nicht kritisch mit seinem früheren Werk auseinandergesetzt und sich nicht ausreichend distanziert zu haben.

Auf dem Instagram-Profil von „ttt“ war an Heiligabend zu lesen, dass man nicht nur Unterstützung, sondern auch kritische Rückmeldungen erhalten habe. „Eines vorweg: Wir hören euch.“ Man bat um Zeit, um das Thema aufzuarbeiten. Mischke und die ARD seien sich laut der Mitteilung einig, „dass es nun vor allem darum geht, einen weiteren Rufschaden von „ttt„ und Thilo Mischke abzuwenden“. Der Journalist selbst werde sich zu gegebener Zeit zur Sache äußern.

Hochkarätige Auszeichnungen in den vergangenen Jahren

Mischke ist seit Jahren vor allem durch Reportagen für den privaten Fernsehsender ProSieben bekannt. Er gewann 2023 den Deutschen Fernsehpreis für seine ProSieben-Reportage „Verlassen und vergessen? Afghanistan im Griff der Taliban“.

Vor der vergangenen Bundestagswahl interviewte Mischke im April 2021 für ProSieben die damals erst frisch gekürte Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock (Grüne). 2020 gewann er den Bayerischen Fernsehpreis für seine ProSieben-Reportage „Deutsche an der ISIS-Front“ über Menschen, die für die Terrormiliz Islamischer Staat in den Krieg ziehen.

Rückhalt von ProSieben: „wilde Jagd“

ProSieben stellte sich in dieser Woche hinter Mischke. Im Netz postete der Sender am Donnerstag auf der Plattform X: „Was für eine wilde Jagd auf @ThiloMischke. Wir schätzen ihn, weil er seit Jahren unfassbar wichtige und gute Reportagen macht, für die er vielfach ausgezeichnet wurde. Ihn nur an einem Buch aus der Damals-Zeit zu messen, ist ein sehr sehr selbstgerechter Ansatz, der viel über diejenigen aussagt, die genau das machen.“

Zudem teilte Sendersprecher Christoph Körfer der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag mit: „ProSieben arbeitet seit Jahren vertrauensvoll mit Thilo Mischke zusammen.“ Man freue sich „auf besondere Thilo-Mischke-Reportagen in 2025 und den Jahren danach auf ProSieben“.

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19 Kommentare

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  • Eine sehr gute Entscheidung von der ARD. Ich hätte einer meiner Lieblingssendungen mit Thilo Mischke nicht mehr angeschaut. Seine Äusserungen sind für mich unerträglich. Das Foto des Artikels sagt schon alles: Man präsentierst sich mit einer Bomberjacke(?) bzw. ähnlichen Jacke. Da bekomme ich Schüttelfrost und denke sofort an die 90er. An junge Männer die mit einer sehr komischen politischen Ideologie diese Jacken trugen.

  • Dass ist ein veritabler Skandal der ARD-Verantworlichen im Bereich Kultur, dem sich diese nicht stellen wollen. Mit dem canceln von Mischke ist es nicht getan!

    Die österreichische Autorin Mareikel Fallwickl fühlt sich durch die TTT-Redaktion (und vor allem ihre Verantwortlichen) verraten und verarscht, weil die Redaktion behauptet "wir haben doch mit ihm (Mischke) geredet, er hat das alles nicht so gemeint, dass ist aus dem Zusammenhang gerissen, wir gehören immer noch zu den Guten!



    Und das stimmt einfach nicht! Es fühlt sich so an: es gibt gar keine Guten. Es gibt sie nirgends! Es gibt es sie nicht einmal dort, wo wir dachten, dass sie vielleicht doch sind und dass ist, was diese Bro-Culture letztlich auch erreicht: es ist allumfassend, es geht durch alle Branchen, es ist ein großes, großes Netzwerk, dass irgendwie keine Schlupflöcher zulässt und dass für Frauen in jeder Hinsicht bedrohlich ist".



    Fallwickl schockiert, wie viele Frauen im Hintergrund äußerten, sich zum Fall Mischke nicht äußern zu können.

    Zitiert aus dem hervorragenden Podcast



    Feminist Shelf Control zur Causa Mischke

  • Ok. Und die taz lässt jetzt zum Ausgleich nur Männer und Bros kommentieren?

  • Sehr gute Entscheidung.

  • Diese Entscheidung der ARD ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten.



    Die Entscheider sollten doch gewusst haben, wen sie berufen. Kaum schreien ein paar Halbwilde (sorry für den Ausdruck) und die Berufung wird zurückgezogen. Die Entscheider sollten ihren Hut nehmen.

  • „In 80 Frauen um die Welt“

    „Die Frau fürs Leben braucht keinen großen Busen“

    Ein kleiner Fortschritt ist doch erkennbar 😁

    Ansonsten sollte Kultur doch auch Deppen ertragen können. Und vielleicht wäre die Sendung eine Möglichkeit gewesen, zu zeigen, dass er inzwischen weitere große Schlucke aus dem Kelch der Erkenntnis zu sich genommen hat...

  • Alle, die hier sich hier über "Cancel culture" beschweren, sollten sich zur besseren Information doch bitte mal den Podcast "Feminist Shelf Control" anhören. Wer danach immer noch für Thilo Mischke ist, der hat entweder keine Mutter/Schwester/Tochter und/oder will einfach nicht raus aus seiner eigenen patriarchalen Bubble.

  • Das wirft natürlich die Frage auf, welche Anzahl von romantischen PartnerInnen für Menschen in Theo Mischkes Generation normal ist.

  • Der Fall Mischke: vor allem ein Skandal der ARD-Kultur-Hierarchen! Sie schweben auf einer Orbitallaufbahn, die weit entfernt ist von jedlichen ernsthaften und kritischen Kulturverständnis. Hauptsache Quote stimmt mit eingängiger, einladender und nicht zu verstörender und zu kritischer Berichterstattung.

    Medialer Kulturverfall bei der Berichterstattung über Kultur war zuletzt auch beim Spiegel mehrfach zu beobachten, der trashige Berichterstattung (z. B. über meine Schönheitsop, oder das Befinden etlicher belangloser Sternchen der Unterhaltungskunst) mittlerweile zu seinen Kulturkriterien in der Kulturberichterstattung zählt.

    TTT und die gesamte Kulturberichterstattung der ARD sind durch den Fall Miscke massiv beschädigt.

    Ausweg: ernsthafte Kulturberichtersattung in der Moderation mit dem augenwinkernden eleganten Zeit-Redakteur Florian Zinnecker und im Wechsel dazu klare Ansagen mit taz-Autorin Hengameh Yaghoobifarah.

  • Und wer kommt jetzt? Vermutlich so‘n Wokie, medioker und maximal halbgebildet, wie alles aus diesem Spektrum.

    • @Torben Jakowski:

      …und was bringt das Personal aus dem rassistisch-misogynen Spektrum an Hochqualifiziertem so mit?



      „Die niederschwellige Ansprache und unbedarfte Art, die Beobachter von Mischkes Arbeit bereits aus seinen Uncovered-Reportagen für ProSieben und seinem bisherigen Podcast Alles muss raus kennen, zeichneten auch Mischkes Grußworte an das öffentlich-rechtliche Publikum aus. Für alle wolle er Kultur konsumierbar machen, sagte der designierte ttt-Moderator. Seine eigenen Vorstellungen von Kultur bezeichnete er kokettierend als "unterkomplex".“ (Die Zeit)

    • @Torben Jakowski:

      Es gibt ja nicht nur die Wahl zwischen "Wokie, medioker und maximal halbgebildet,..." oder Hr. Mischke. Es gibt auch echte "Kulturmenschen", die für die Aufgabe infrage kämen.



      Ich muss zugeben, dass mir Hr. Mischke namentlich bis dato glücklicherweise nicht bekannt war. Um allerdings eine Person, die es im 21. Jh. schafft, Bücher unter dem Titel "In 80 Frauen um die Welt" zu verfertigen und zu veröffentlichen, nicht mit einer Kultur-TV-Sendung in Verbindung zu bringen, muss man keine Feministin sein. Mir erschienen Titel und Intention des "Werks" spontan als sehr schlicht, ausgesprochen geschmacklos und, ich würde sagen, von einem Autor, der mittelmäßig und bestenfalls halbgebildet sein dürfte.

  • Die Titel von Mischkes ersten beiden Bücher nahmen sich heraus, Frauen lediglich als Objekte darzustellen. Das war aber nur Oberfläche. Der Inhalt war nicht besser. Schlimm: Seine pseudowissenschaftlichen Thesen, mit denen er dann auch noch den Evolutionsbiologen gab. Die waren steil und sowas von unreflektiert. Bei der ARD schien man zu denken, das qualifiziert ihn für die Moderation von ttt. Mir scheint, bei Pro Sieben passt er besser. Was gegen ihn als Moderator eines Kulturmagazin im ÖRR spricht, musste dann der Podcast Feminist Shelf Control nachtragen. Danke an der Stelle an alle, die die Infos zusammen gefasst haben, die in der obigen Meldung größtenteils ausgelassen werden.

  • Cancel culture funktioniert in Deutschland bestens...

    • @charly_paganini:

      Geben sie mal ein paar Beispiele. Beim Fall Bomberjacken-Mischke handelt es sich ja um berechtigte Kritik nicht nur an problematischen Einstellungen, sondern auch am unterirdischen Niveau seiner Arbeit - sogar er selbst hält ja seine Vorstellungen von Kultur für "unterkomplex". Dass das zu Konsequenzen geführt hat, ist ok. aber total außergewöhnlich. Wenn das „Cancel culture“ ist, dann sollte das ruhig öfter passieren.

    • @charly_paganini:

      Wenn "Cancel Culture" Sexismus und Misogyny canceled, bin ich froh zu hören, dass es in Deutschland funktioniert!

  • Welch skandal.

  • "Der Kodex für korrektes Verhalten wird zusehends länger heutzutage und die Menschheit immer bigotter" Aus Sybille Ruge, Davenport 140x90. Ich will mich ja nicht mit fremden Federn schmücken, oder eine Quelle nicht angeben. Da lauert schon die nächste verführung für Bigotte.

  • die Entscheidung ist folgerichtig, solche "Männer" braucht niemand, "vielleicht noch einmal 80 Tage um die Welt"