Anschlag in Magdeburg: Eher Blutrache als Terror
Der Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt wird nicht als Terror eingestuft, sondern als Amokfahrt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt daher nicht.
G eneralbundesanwalt Jens Rommel wird die Ermittlungen wegen des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im Dezember 2024 nicht übernehmen – obwohl dieser Ende 2024 sechs Tote und rund 300 Verletzte forderte. Rommel hat damit im Ergebnis recht.
In Deutschland ist die Strafverfolgung ganz überwiegend Aufgabe der Bundesländer. Auch bei schweren Straftaten wie Morden und Amokfahrten ist in der Regel die Staatsanwaltschaft vor Ort zuständig. Die Bundesanwaltschaft darf nach einer Straftat nur ausnahmsweise ermitteln. So ist der Generalbundesanwalt etwa für Taten von terroristischen Vereinigungen zuständig. Der Täter von Magdeburg, Taleb al-Abdulmohsen, war aber ein Einzeltäter. Dass er Sympathien für die AfD äußerte, ändert daran nichts. Die AfD ist keine terroristische Vereinigung.
Allerdings kann der Generalbundesanwalt auch die Ermittlungen bei schweren Taten von Einzelpersonen an sich ziehen. Erforderlich ist hierfür aber eine „besondere Bedeutung“ der Tat (die bei Morden wohl immer vorliegt) und ein Staatsschutzbezug (der beim Anschlag in Magdeburg wohl fehlt). Zwar hat al-Abdulmohssen schon 2015 gedroht, Rostocker Richter zu erschießen und auch später schikanierte er deutsche Staatsanwälte, indem er wirre Strafanzeigen gegen sie erhob. Angegriffen hat er letztlich aber einen Weihnachtsmarkt.
Rommel argumentierte nun, ein Weihnachtsmarkt sei weder ein Symbol des Staates noch ein Symbol der Demokratie. Allerdings würden Islamisten, wenn sie Weihnachtsmärkte angreifen, durchaus von der Bundesanwaltschaft angeklagt. Der entscheidende Unterschied ist: Islamisten wollen ein Klima der Angst schaffen und gefährden damit die innere Sicherheit. Al-Abdulmohsen ging es aber wohl nur um Rache und Genugtuung für (eingebildetes erlittenes) Unrecht. Eine persönliche Vendetta ist aber kein Fall für den Generalbundesanwalt. Dass bei al-Abdulmohsen vermutlich auch eine gravierende psychische Störung vorliegen könnte, bestätigt Rommels Entscheidung zusätzlich.
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