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Anschlag in MagdeburgEher Blutrache als Terror

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Der Anschlag auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt wird nicht als Terror eingestuft, sondern als Amokfahrt. Die Bundesanwaltschaft ermittelt daher nicht.

Einsatzkräfte in Magdeburg am 20. Dezember Foto: Ebrahim Noroozi/ap

G eneralbundesanwalt Jens Rommel wird die Ermittlungen wegen des Anschlags auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im Dezember 2024 nicht übernehmen – obwohl dieser Ende 2024 sechs Tote und rund 300 Verletzte forderte. Rommel hat damit im Ergebnis recht.

In Deutschland ist die Strafverfolgung ganz überwiegend Aufgabe der Bundesländer. Auch bei schweren Straftaten wie Morden und Amokfahrten ist in der Regel die Staatsanwaltschaft vor Ort zuständig. Die Bundesanwaltschaft darf nach einer Straftat nur ausnahmsweise ermitteln. So ist der Generalbundesanwalt etwa für Taten von terroristischen Vereinigungen zuständig. Der Täter von Magdeburg, Taleb al-Abdulmohsen, war aber ein Einzeltäter. Dass er Sympathien für die AfD äußerte, ändert daran nichts. Die AfD ist keine terroristische Vereinigung.

Allerdings kann der Generalbundesanwalt auch die Ermittlungen bei schweren Taten von Einzelpersonen an sich ziehen. Erforderlich ist hierfür aber eine „besondere Bedeutung“ der Tat (die bei Morden wohl immer vorliegt) und ein Staatsschutzbezug (der beim Anschlag in Magdeburg wohl fehlt). Zwar hat al-Abdulmohssen schon 2015 gedroht, Rostocker Richter zu erschießen und auch später schikanierte er deutsche Staatsanwälte, indem er wirre Strafanzeigen gegen sie erhob. Angegriffen hat er letztlich aber einen Weihnachtsmarkt.

Rommel argumentierte nun, ein Weihnachtsmarkt sei weder ein Symbol des Staates noch ein Symbol der Demokratie. Allerdings würden Islamisten, wenn sie Weihnachtsmärkte angreifen, durchaus von der Bundesanwaltschaft angeklagt. Der entscheidende Unterschied ist: Islamisten wollen ein Klima der Angst schaffen und gefährden damit die innere Sicherheit. Al-Abdulmohsen ging es aber wohl nur um Rache und Genugtuung für (eingebildetes erlittenes) Unrecht. Eine persönliche Vendetta ist aber kein Fall für den Generalbundesanwalt. Dass bei al-Abdulmohsen vermutlich auch eine gravierende psychische Störung vorliegen könnte, bestätigt Rommels Entscheidung zusätzlich.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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6 Kommentare

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  • Blutrache oder Vendetta hören sich immer toll an, haben aber nichts mit persönlicher Rache zu tun, sondern unterliegen kollektiven Ehrbegriffen innerhalb von Familien. Im Falle des Mörders von Magdeburg ging es, nach allem, was ich darüber gelesen habe, nicht um "Familienehre", sondern darum, dass er seine "Warnungen vor dem Islam" von Deutschland (Politik und Gesellschaft) nicht ernst genug genommen sah. Ein ganz persönliches Motiv, wohl mit politischem Einschlag. Also nix Vendetta, nix Blutrache.

  • Natürlich. Wenn der Terror von rechts kommt, ist es kein Terror, sondern es ist ein Einzeltäter, wirr, psychisch krank, und hat keine besondere Bedeutung. Alle Checkboxen der Reihe nach abgehakt, die TAZ ist Teil des Problem.

    • @Wonko the Sane:

      "Zwar hat al-Abdulmohssen schon 2015 gedroht, Rostocker Richter zu erschießen und auch später schikanierte er deutsche Staatsanwälte, indem er wirre Strafanzeigen gegen sie erhob. Angegriffen hat er letztlich aber einen Weihnachtsmarkt. (...) Rommel argumentierte nun, ein Weihnachtsmarkt sei weder ein Symbol des Staates noch ein Symbol der Demokratie. Allerdings würden Islamisten, wenn sie Weihnachtsmärkte angreifen, durchaus von der Bundesanwaltschaft angeklagt. "

      Solange die Feindschaft nur Menschen gilt und nicht dem Staat, wird es schon nicht so schlimm sein.

      Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte.

  • Ich zitiere: "Er wollte an Deutschen Rache üben und wünsche etwa der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Merkel den Tod".

    Was braucht es denn noch?

    • @Wonneproppen:

      Verstand, den Willen, seine Arbeit zu machen ....

  • Was verbindet sie alle? Autofahren und Menschen verletzen/töten. Wenn wir so etwas automatisch Terror nennen würden ...



    Bitte solche Methoden nie-nie-nie, besser hier etwas posten, demonstrieren, Leserbriefe, zu Speakers' Corner, oder wodurch man sich gehört fühlt.