: On Day One
Am Montag wird Donald Trump offiziell US-Präsident. Seine Ankündigungen, was er in den ersten 24 Stunden umsetzen will, sind zahlreich. Was den USA und der Welt droht
Von Bernd Pickert
Es ist stets der 20. Januar nach der Wahl im November, an dem um 12 Uhr mittags die Amtszeit eines US-Präsidenten endet und sein Nachfolger vor dem Kapitol in Washington den Amtseid ablegt. Wenn Präsidentschaftskandidaten also im Wahlkampf erzählen, was sie alles an „Day One“ erledigen wollen, dann ist damit in aller Regel der 20. Januar gemeint. Und tatsächlich haben eigentlich alle, die frisch ins Weiße Haus einziehen, eine gewisse Menge an vorformulierten Dekreten im Gepäck, die sie am ersten Arbeitstag unterzeichnen.
Was das ist, definiert die politischen Schwerpunkte, strahlt Handlungsfähigkeit aus – und tritt tatsächlich auch ohne langwierige Verhandlungen im Kongress sofort in Kraft. Bloß: Es sind eben keine Gesetze, und so einfach, wie ein Präsident diese Dekrete erlassen kann, sind sie vom nächsten Präsidenten auch wieder aufzuheben.
Joe Biden etwa unterzeichnete an seinem ersten Tag über 17 solcher Dekrete – 12 davon, um vorherige Trump-Politik rückgängig zu machen. So stoppte er den Bau der Grenzmauer zu Mexiko, brachte die USA zurück ins Pariser Klimaabkommen und in die Weltgesundheitsorganisation.
Donald Trump hat seinen Anhänger*innen im Wahlkampf vieles versprochen, was er „binnen 24 Stunden“ erledigen will. Einer der Punkte ist der nun wohl bereits zustande kommende Waffenstillstand in Gaza, der auch auf Trumps Drohungen zurückzuführen ist. Für seinen Amtsantritt selbst hat er, so berichten es US-Medien, rund 100 Dekrete vorbereitet, die er sofort unterzeichnen will. Die Folgen wären weitreichend.
Migration und Grenze
Die Grenze zu Mexiko will Trump „sofort schließen“. Was genau das heißt, hat er nicht definiert. Der Weiterbau der Grenzmauer soll sofort beginnen. Trump will, dass Asylbewerber wieder außerhalb des Landes auf die Entscheidung über ihren Antrag warten müssen. Und er will sofort mit der angekündigten „größten Massenabschiebung in der US-Geschichte“ beginnen. Formuliertes Ziel: Alle außer Landes schaffen, die illegal eingereist sind. Das sind weit über 10 Millionen Menschen, viele von ihnen leben seit Jahrzehnten in den USA. Dazu sollen schnell Abschiebeknäste gebaut werden.
Zudem will Trump dafür sorgen, das im 14. Verfassungszusatz formulierte Recht auf US-Staatsbürgerschaft für alle auf US-Territorium Geborenen abzuschaffen. Das allerdings kann er nicht, schon gar nicht per Dekret.
Ukrainekrieg beenden
Es war ein angeberisches Versprechen: Binnen 24 Stunden würde er die Regierungen der Ukraine und Russlands an den Verhandlungstisch bringen und den Krieg sofort beenden, hatte Trump stets behauptet. Davon ist derzeit nicht mehr die Rede. Sein designierter Sonderbeauftragter Keith Kellogg spricht inzwischen von mindestens 100 Tagen, die es brauchen werde, Trump selbst von einem halben Jahr. An dem Plan aber, die Ukraine unter Androhung der Aussetzung von Hilfe zu Gebietsabtretungen zu zwingen, hat sich nichts geändert.
Klima- und Umweltschutz
Es gibt wenig Zweifel daran, dass die USA mit Donald Trump wieder aus dem Pariser Klimaabkommen aussteigen werden. Trump wettert gegen Windräder und will vor allem die Öl- und Gasförderung massiv ausweiten. Umweltregulierungen zum Schutz von sauberem Wasser, Boden und sauberer Luft sieht er als überflüssige bürokratischer Hemmnisse für die Wirtschaft, die Umweltbehörde EPA will er am liebsten komplett abschaffen. Das geht nicht per Dekret an Tag eins – aber Zeichen dafür werden sich in seinen ersten Aktionen finden.
Auch anderes wird womöglich länger dauern, als es Trump lieb ist: Noch im Januar stellte Biden rund 2,5 Millionen Quadratkilometer Meeresgebiet an den US-amerikanischen Küsten unter Schutz vor weiterer Öl- und Gasförderung. Er berief sich auf ein Gesetz von 1953, das dem Präsidenten diese Autorität zuspricht. Trump kündigte an, den Erlass umgehend rückgängig zu machen. Allerdings gibt es zu diesem Dekret ein Urteil von 2019: Präsidenten könnten solche Schutzgebiete zwar im Alleingang erlassen. Um sie wieder aufzuheben, sei allerdings der Kongress gefragt. Trump klagte damals gegen das Urteil, schied jedoch aus dem Amt aus, bevor eine höhere Instanz sich dessen annahm. Die Biden-Regierung ließ die Berufung fallen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Fall binnen kurzer Zeit erneut die Gerichte beschäftigen wird.
Gleichschaltung der Verwaltung
Schon zum Ende seiner ersten Amtszeit hatte Trump versucht, für die Personalpolitik in den Bundesbehörden das sogenannte Schedule F einzuführen. Demnach wären Mitarbeiter*innen nicht zu Gesetzestreue und Neutralität, sondern zu Loyalität gegenüber der amtierenden Regierung verpflichtet. Normalerweise werden nur rund 4.000 Stellen in den Ministerien politisch besetzt und bei jedem Regierungswechsel ausgetauscht, der Rest bleibt. Mit dem „Schedule F“ könnten Ministerien personell bis in die unterste Ebene auf Trump-Linie gebracht werden.
Diese Politik ist auch im „Project 2025“, der von der Heritage Foundation kuratierten Blaupause für eine zweite Trump-Präsidentschaft, detailliert beschrieben. Was im verschwörungsmythologischen Duktus „Kampf gegen den Deep State“ heißt, wäre der wohl radikalste Abbau von Expertise und Institutionenverständnis in den USA in der jüngeren Geschichte.
Begnadigung der Kapitolstürmer
Donald Trump hat unmissverständlich klargemacht, dass er die Aufständischen vom 6. Januar 2021 für unschuldige Patrioten hält, für „politische Gefangene“ oder „Geiseln“ des Systems. Sie hatten versucht, die Regierungsübergabe an den Wahlsieger Joe Biden zugunsten einer weiteren Trump-Amtszeit zu verhindern. „In der ersten Stunde“ seiner neuen Amtszeit werde er diejenigen begnadigen, die noch in Haft sitzen, kündigte er an – das sind einige hundert. Es wird sich zeigen, wie weit er damit wirklich geht.
Rechte von Minderheiten
Neben Migration stößt bei der neuen Rechten weltweit kaum etwas auf mehr ungeteilte Ablehnung als die Rechte von Minderheiten. „Mit einem Federstrich“ will Trump „den Transgender-Wahnsinn“ beenden und Transpersonen aus dem Militär und aus „Frauensportarten“ entfernen. Wie Letzteres gehen soll, ist unklar. Es soll jedenfalls offizielle Politik der USA werden, dass es nur zwei Geschlechter gibt: Männer und Frauen. Auf Gender bezogene Themen sollen, genau wie etwa Critical Race Theory, aus Schulen und Universitäten komplett verschwinden, alle Programme zu Diversität, Gleichstellung und Inklusion in allen Bundesbehörden beendet werden.
Was war anders bei Trump 1.0?
Auch bei seinem ersten Amtsantritt 2017 unterzeichnete Donald Trump am ersten Tag zahlreiche Dekrete. Aber sein Programm war längst nicht so ausgearbeitet. Damals war es ein ständiges gegenseitiges Überraschen: Die meisten US-Amerikaner*innen, und wohl auch Trump selbst, hatten nicht mit dem Wahlsieg gerechnet. Ein vorbereitetes Team für den Übergang war nicht vorhanden, und selbst innerhalb der Republikanischen Partei gab es viele, die Trump für komplett unfähig hielten.
Bei seiner Rede zur Amtseinführung im Januar 2017 lieferte Trump keinerlei Anzeichen dafür, nach einem chaotischen Wahlkampf mit damals noch als extrem angesehenen Aussagen irgendwie „staatsmännisch“ zu werden. Das sandte die nächsten Schockwellen. Und tatsächlich versuchte Trump dann auch, einige seiner extremen Versprechen rasch umzusetzen.
Aber nachdem er seinen „Muslim Ban“ in Kraft gesetzt hatte, dauerte es nur Stunden, bis Gerichte das Vorhaben per einstweiliger Anordnung stoppten. Andere Vorhaben, die Trump großspurig verkündet hatte, gingen einfach unter, wie etwa eine Begrenzung der Mandatszeit und ein anschließendes Lobbyverbot für Parlamentarier. Auch seine Ankündigung, dass für jede neue Bundesregulierung zwei alte fallen müssten, wurde nie umgesetzt.
Heute ist fast alles anders. Die Republikanische Partei hat Trump fest unter Kontrolle. Sein Wahlsieg erscheint nicht mehr wie eine Zufallserscheinung, geschulte Kader seiner MAGA-Bewegung stehen ihm für fast alle Posten zur Verfügung. Und viele Bundesgerichte – allen voran der Oberste Gerichtshof – sind auf Linie. Trump wird die USA massiv verändern können, nicht nur an Tag eins.
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