Prozess gegen Klimaaktivisten: Der Mönch von Lützerath kommt vor Gericht – vielleicht
Bei der Räumung von Lützerath ging ein Video von einem geheimnisvollen Mönch viral, der Polizisten schubste. Jetzt wird ein Franzose dafür vorgeladen.
Die Videos damals wurden millionenfach geteilt, nach der großen Lützerath-Demo am 14. Januar 2023. Nicht Greta Thunbergs Kundgebungs-Auftritt war in sozialen Medien das große Thema, auch nicht die massive Polizeigewalt gegen die Demonstrierenden, die in das abgesperrte Braunkohle-Örtchen Lützerath zu den BesetzerInnen vorzudringen versuchten. Sondern: dieser Mönch. Die Bilder gingen weltweit viral: Ein Mensch in brauner Mönchskutte schubst mehrfach Polizeikräfte in den teils mehr als 20 Zentimeter tiefen Schlamm, in dem sie in ihrer monströsen Kampfmontur besonders lächerlich wirken.
Die einen wussten gar nicht, wohin mit ihrer Empörung, weil durch die schändlichen Angriffe auf Staatsbedienstete von einem scheinbar christlichen Würdenträger auch noch die katholische Kirche in den Schmutz gezogen wurden. Pfui Teufel!
Die anderen lachten sich schlapp. Bald gab es einen Aufkleber mit dem Slogan „Kein Gott, kein Staat – nur der Mönch von Lützerath“. Mysteriös zudem: Wer an diesem Tag im Schlamm stecken blieb, kam ohne Hilfe nicht wieder raus. Der Mönch aber schien zu schweben, als sei er Jesus, der über Wasser ging. Später am Tag der Demonstration mit über 30.000 Menschen war der Mönch wieder spurlos verschwunden.
Nur wer war dieser Mensch? Das wusste lange niemand. Wegen seines Franziskaner-Gewandes wurden Franziskaner-Patres interviewt, ob solches Verhalten zu ihren Werten passen würde. Natürlich nicht! Bald kam ein Verdacht auf: Auch in Frankreich war bei Protesten mehrfach ein Mönch aufgetaucht. Also gab es eine Fahndungsbitte an die dortigen Behörden. Und gleich wurde es wieder still um den Mönch von Lützerath, den bekanntesten der „Klima-Chaoten“, wie Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) die Protestierer gern nennt.
Interview statt Beichtstuhl
Im Februar 2024 gab ein Loic S., 29 Jahre alt, dem Stern ein großes Interview. Er sei der Mönch, erzählte er launig. Er versuche „eine Schnittstelle zwischen Christentum, Anarchie und Klimabewegung zu finden. Deshalb auch die Kutte als Symbol des Friedens.“ Er lebe auf einem Bauernhof bei der französischen Stadt Nancy und arbeite als angestellter Krankenpfleger. Das Foto von Loic S. zeigte einen smarten, braunlockigen Wuschelkopf.
In Frankreich habe er einmal bei einer Demonstration „einen Polizisten mit Wasser übergossen, als ob ich ihn taufen würde. Ich mag es, bei Protesten kreativ zu sein.“ Und grundsätzlich: „Wir nehmen uns das Recht, diesen Planeten zu zerstören. Lützerath ist ein Beispiel dafür. Lokale Proteste sind wichtig, ein globaler Wandel ist nur durch die Vervielfachung lokaler Kämpfe möglich, deshalb wollte ich das unterstützen.“
In den Tagen nach der Mönchserscheinung wurde Lützerath weggebaggert. Nächsten Mittwochmorgen um 9 Uhr ist vor dem Amtsgericht Erkelenz der Prozess gegen Loic S. anberaumt, Vorwurf: tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte. „Vor Gericht habe ich das Recht zu sprechen, ein Prozess ist immer eine Möglichkeit, eine Botschaft zu verbreiten“, sagt er. Ob er tatsächlich kommt? Und wenn, womöglich mit Kutte?
Nur: vielleicht ist Loic S. gar nicht der, für den er sich ausgibt. Sondern nur der Darsteller eines Mönchsdarstellers. Wieso hätte er sich sonst so leichtgläubig mit einem Interview selbst belastet? Auf taz-Anfrage sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Florian Scheffel, man sei sicher, den richtigen Mann „mit hinreichendem Tatverdacht“ zu haben, und ja: Hauptgrund sei das Stern-Interview.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!