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MigrationsdebattenFachkräfte rein

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Der rechte Diskurs in Europa und den USA prägt die Migrationspolitik – aber anders als viele denken. Er lehnt Migration eben nicht pauschal ab.

Wir sind die Guten! Tech-Geschäftsmann Sriram Krishnan mit Ehefrau Aarthi Ramamurthy 2021 in San Francisco Foto: Kelsey McClellan/nyt/redy/laif

R echtspopulisten sind Ausländerfeinde – das ist eine ­Grundüberzeugung linker Feindbildpflege. Von den „Remigrations“-Phantasien in der AfD bis zu Trumps Beschuldigung illegaler Einwanderung für den Terroranschlag von New Orleans gibt es dafür auch reichlich Belege. Umso irritierender ist es, wenn Elon Musk und ­Donald Trump als Verteidiger der Zuwanderung auftreten.

Kur vor Weihnachten ernannte Trump den indischstämmigen Tech-Geschäftsmann Sriram Krishnan zu seinem zukünftigen KI-Berater. Als die rechte Publizistin Laura Loomer, angeblich Erfinderin von Trumps Märchen über haustieressende Haitianer, daraufhin gegen „Invasoren aus der Dritten Welt“ holzte, regte sich Elon Musk fürchterlich auf und die Sache eskalierte, bis Musk seinen Kritikern riet, sie sollten sich ficken gehen und er stehe bereit, Krieg zu führen.

Musk ist in Südafrika geboren, Krishnan in Indien, ebenso Musks zukünftiger Kollege Vivek Ramaswamy in der zukünftigen US-Regierungsbehörde „Department for Government Efficiency“. Sie alle sind globalisierte Tech-Überflieger, die entweder per Fachkräftevisum in die USA kamen oder sich mit damit eingereisten Migranten umgeben. MAGA-Patrioten muss es wie Verrat vorkommen, dass Trump sich nun auf die Seite dieser „Globalisten“ stellt: Das Fachkräftevisum H1-B sei eine sehr gute Sache, sagte der zukünftige US-Präsident der rechten New York Post; er nutze es in seinen eigenen Unternehmen natürlich auch.

Bricht damit das rechte Projekt unter seinen Widersprüchen zusammen, bevor Trump überhaupt ins Weiße Haus einzieht? Das wäre Wunschdenken. In Wahrheit gibt es keinen Widerspruch. Wer das nicht versteht, hat die „neue Rechte“ des 21. Jahrhunderts nicht begriffen.

Öffnung für Fachkräfte

Die Frage ist nicht: Zuwanderung, ja oder nein? Die Frage ist: kontrollierte oder unkontrollierte Zuwanderung? Die Rechte wirft der Linken vor, letztere zu betreiben – mit Flüchtlingsrettung und großzügigem Bleiberecht. Die Linke wirft der Rechten vor, gar keine Zuwanderung zu wollen. In Wahrheit wollen natürlich auch Rechte Zuwanderung – nur eben kontrolliert und selektiv: Die Aufnahmeländer suchen sich aus, wer kommen darf.

Beim Brexit-Referendum in Großbritannien stritten die Brexit-Befürworter nicht, wie oft irreführend dargestellt, für ein Ende der Zuwanderung. Sie stritten für ein Ende der unkontrollierten Zuwanderung. Daher wollten sie raus aus der EU, in der die Personenfreizügigkeit gilt.

„Take Back Control“ lautete Boris Johnsons Parole: Die Kontrolle zurückholen. Ein Punktesystem nach australischem Vorbild war sein Versprechen. Als er 2019 Premierminister wurde und 2020 der Brexit in Kraft trat, lockerte Johnson, ehemals Bürgermeister der Weltstadt London, die Zuwanderungsregeln: Hürden für Arbeitsvisa wurden gesenkt, neue Kategorien wurden eingeführt. Die Nettozuwanderung nach Großbritannien hat sich seit dem Brexit verdreifacht.

Die Öffnung für Fachkräfte aus aller Welt ist zentrales Projekt der rechten Techies von Silicon Valley bis London. Johnsons Nachfolger Rishi Sunak, ebenfalls indischstämmig, lud 2023 Elon Musk zum globalen KI-Gipfel nach London. Der neue Trump-Berater Krishnan brachte jetzt Musk mit Boris Johnson zusammen. Die anglo-amerikanische Achse der rechten Globalisierer steht.

Grenzschließer wie Nigel Farage und die MAGA-Patrioten mit ihrem Gefasel vom „Bevölkerungsaustausch“ fokussieren sich derweil auf illegal einreisende Flüchtlinge, die nur wenige Prozent der Gesamtzahl der Migranten ausmachen. Denn kontrollierte Zuwanderung funktioniert nur, wenn unkontrollierte Zuwanderung rigoros unterbunden wird. Brutale Flüchtlingsabwehr steht nicht im Widerspruch zu hoher kontrollierter Zuwanderung, sie ist deren notwendige Kehrseite.

Da ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. In Großbritannien zeigt sich bereits: Kontrollierte Zuwanderung verträgt sich nicht mit Deregulierung. Wenn niemand prüft, ob die Studierenden wirklich studieren, ob die Pflegekräfte wirklich pflegen, ob Eingereiste nach Auslaufen ihrer Visa wieder ausreisen – dann ist nichts unter Kontrolle. Darauf macht mit steigendem Erfolg Nigel Farage aufmerksam, und auch die neue Labour-Regierung kritisiert die konservative Migrationspolitik als zu großzügig. Der Musk-Streit in den USA ist ein Vorzeichen ähnlicher Debatten dort.

Die angelsächsische Rechte steht für kontrollierte legale Migration gekoppelt mit rigoroser Abschottung gegen Illegale. In der EU betreiben Orbán, Meloni und Macron das ebenfalls, und im deutschen Wahlkampf sind sich auch schon fast alle einig: Ausländer, die nützlich und brav und fleißig sind, sind willkommen, die anderen nicht.

Als Elon Musk vor einer Woche in der Welt am Sonntag zur Wahl der AfD aufrief, behauptete er, „die AfD setzt sich für eine kontrollierte Einwanderungspolitik ein, die der Integration und dem Erhalt der deutschen Kultur und der Sicherheit Vorrang einräumt“. Er hätte besser „die CDU“ oder „die SPD“ schreiben sollen. Das hätte dem deutschen Winterwahlkampf richtig Feuer gegeben. Und es wäre sachlich korrekt.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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14 Kommentare

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  • Ich bin erstaunt, war doch bisher schon die Unterscheidung von Geflüchteten und Fachkräften fast ein Tabu.



    Und dann auch noch die differenzierte Betrachtung der "Rechten" zum Thema Migration.



    Ich wünsche Hrn. Johnson viel Kraft in der nächsten Zeit, es wird sicherlich ordentlich Gegenwind geben. Geliebte Feindbilder gibt niemand gerne auf oder passt sie an.



    Aber vielleicht kann dieser Artikel ja ein Anstoß in diese Richtung sein.

  • Und was spricht jetzt gegen die kontrollierte Zuwanderung von Fachkräften? Eigentlich nichts.

  • Und trotzdem braucht jedes Land unkontrollierte Zuwanderung.

    Kontrollierte Zuwanderung bedeutet Ausselektierung. "Der Stärkere" darf weiter Leben, und wer kaum bis garkeine schulische oder berufliche Bildung erhalten hat, muss weiter im Elend um sein Leben fürchten.

    Deutschland sollte sich seit Staatsgründung für die Schwächsten in der Gesellschaft einsetzen, aber das wird offenbar nicht so wichtig genommen.

  • das war schon in den 90igern so, da haben dir selbst die Glatzen versichert, der Türke vom Döner, der ist ok, der arbeitet ja schließlich.



    Für rechts, konservativ passen Dinge zusammen, die links in seiner absoluten Weltsicht nicht vereinbar scheinen.



    Rechts ist keine Logik, das ist Bauchgefühl. Das versteht links nur niemand, weil man selbst die Welt in Absolutheiten denkt.

  • Als Ausgleich zur Arbeitsmigration von Fachkraeften gibt es das Asylrecht, subs. Schutz und sonstige Kontigente.



    Es braucht die richtige Mischung. Wenn die Mischung nicht mehr stimmt, gibt es irgendwann eine Korrektur. Je laenger man wartet, desto haerter die Korrektur.



    Reagiert die Politik nicht, wird sie abgewaehlt.



    Wenn das nicht funktioniert, bleibt nur Scholl-Latour zu zitieren: "Wer halb Kalkutta aufnimmt, hilft nicht etwa Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta."

  • Meine Hochachtung, Herr Johnson.

    Da räumen Sie mit einem linkspopulistischen Narrativ auf, dass auch in der Taz gern genutzt wird.

    Ich befürchte nur, Ihre Worte werden verhallen.

    Das Thema Migration hat für zu viele Menschen hier religiöse Formen angenommen.



    Sinnstiftung, Moral, Glaube, ...

  • Es ist sachlich nicht korrekt, die SPD mit der CDU beim Thema Migration gleichzusetzen.



    Auch wenn der SPD Arbeitsminister schon in der GroKo erste Schritte unternahm, ist legale Zuwanderung erst durch das neue Zuwanderungsgesetz der Ampel in großem Stil möglich geworden. Es wurden, in der Folge, bereits mit mehreren Staaten entsprechende Abkommen geschlossen.



    Die Ampel hat ebenfalls das Einbürgerungsrecht verbessert, eine Gesetzgebung, die Merz wieder abschaffen will.



    Von einer "Entwertung" der deutschen Staatsbürgerschaft war seitens der CDU zu hören.



    Es waren ebenfalls Stimmen aus der CDU, die nach dem Sturz Assads am nächsten Tag eine Rückführung syrischer Flüchtlinge forderten.



    SPD und Grüne sehen das Anders.



    Es ist schon seltsam, dass so kurz vor der Bundestagswahl die Positionen der Parteien nicht klar herausgearbeitet werden.



    Asyl ist Menschenrecht und soll es auch bleiben. Die Vorschläge der CDU zum Thema Zuwanderung sind jedoch nur Augenwischerei, die mit deutschem, europäischen und Menschenrecht nicht vereinbar sind.



    SPD und Grüne teilen diese Ideen nicht!

  • Oh, die Rechten sind ja gar nicht so schlimm. Sicher. Wieso wollen dann AfD und auch Trump jeden und alles abschieben, mit oder ohne Staatsbürgerschaft, egal in welchem Job und ob mit oder ohne Familie? Elon Musk geht es um Arbeitskräfte, die er ausbeuten kann. Trump besitzt weder Moral, noch Rückgrat, noch Hirn, aber er schlägt sich auf die Seite des Geldes. Nicht wirklich eine Überraschung.

  • "Rechtspopulisten sind Ausländerfeinde – das ist eine ­Grundüberzeugung linker Feindbildpflege."



    Dass das Quatsch weiß jeder, aber denken in schwarz-weiß-Mustern ist so viel bequemer🤷‍♂️



    Rechtspopulisten haben natürlich nichts gegen Ausländer so lange sie arbeiten, am besten in Jobs die die eigene Bevölkerung meidet. Ansonsten sollen sie bitte ruhig sein, möglichst nicht auffallen und am besten abseits des gesellt Alltags ihr Dasein fristen.

  • Viele Unterbelichtete vom rechten Rand finden es natürlich gut, wenn sie ihre Futtertröge nicht mit den Unterprivilegierten aus aller Welt teilen müssen. Was Der Autor uns mit seinem Artikel weismachen will, ist, dass die Anführer der Rechten ja gar nicht gegen Zuwanderung sind, aber halt eben gegen die Zuwanderung der Unterprivilegierten. Was also wollen diese Rechten vom Schlage eines Elon Musk eigentlich?



    Das ist schnell beantwortet: Sie wollen eine globale Elite herausbilden, die die übrigen 95% der Bevölkerung nach Belieben ausbeuten kann. Das sieht dann zwar de jure nicht wie Sklaverei aus, wird es de facto aber dadurch, dass die nicht zu dieser globalen Elite gehörenden Schichten fast nach Belieben eingehegt werden. Wer das Risiko noch nicht konkret sieht, sollte sich einmal mit dem "Pronatalismus" im 21. Jhdt. beschäftigen. Natürlich gibt es zwischen Elite und übriger Bevölkerung immer noch eine gewisse Durchlässigkeit, aber es wird immer unwahrscheinlicher, dass man sich frei entfalten kann, wenn man nicht zur Elite gehört. Bis zu autokratischen Systemen mit eingeschränkter Meinungs- und Bewegungsfreiheit ist es dann nur noch ein ganz kleiner Schritt.

  • Vielleicht kann man noch präzisieren und sagen, dass es klassisch kapitalistisch geprägte Zuwanderung ist, die die Rechten fördern: gefragt ist, wer schnell Geld verdienen kann und bestenfalls auch mit Abscheu auf jene hinabschaut, die wenig haben. Der Rechten ist es offensichtlich wichtig, dass sich alle in die ihr passenden Rollen zwängen, wie etwa Leader und Mitläufer.

  • Was will der Autor mir mit diesem Artikel eigentlich sagen? Hab ich mich gefragt.



    Da mir der tiefere Sinn verborgen bleibt, hab ich diese KI gefragt, von der alle reden.



    Ergebnis:



    "Der Text zeigt, dass rechte Politik Migration nicht grundsätzlich ablehnt, sondern zwischen kontrollierter und unkontrollierter Zuwanderung unterscheidet. Rechte Akteure wie Trump oder Johnson fördern gezielt Fachkräftezuwanderung, während sie illegale Migration strikt bekämpfen. Dieses Modell kombiniert pragmatische Wirtschaftspolitik mit harter Grenzpolitik. Die „neue Rechte“ setzt auf selektive Zuwanderung, was zunehmend auch von moderaten Parteien übernommen wird."

    Jetzt bin ich auch nicht schlauer. Das hab ich allein kapiert. Aber was ist der tiefere Sinn dieses Artikels?

    • @Nansen:

      Vielleicht will der Autor ja das wir mal über einige unserer Lieblingsnarrative über unseren politischen Gegner reflektieren? Die bockige Verweigerung jedweden ergebnisoffenen Dialogs bei bestimmten Themen hat ja durchaus Anteil an der derzeitigen Situation.

    • @Nansen:

      Der Wert von KI für metaphysische Fragen geht gegen null würde ich sagen. Manchmal ist die Antwort erschreckend einfach: der Autor hat hier Fakten gesammelt um eine bisher nicht oder wenig angesprochene Theorie zu erörtern. Dass er dabei seine Meinung (größtenteils) aussen vor lässt, ist in einer deutschen Zeitung wohl ungewöhnlich.