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Mina Ahadi über Magdeburg-Attentäter„Da kam mir der Name sofort in den Kopf“

Mina Ahadi ist Vorsitzende des Zentralrats der Ex-Muslime. Mit dem mutmaßlichen Attentäter von Magdeburg hatte sie bereits so ihre Erfahrungen.

Der Magdeburger Weihnachtsmarkt nach dem Anschlag am Freitagabend Foto: Axel Schmidt/Reuters
Judith Poppe
Interview von Judith Poppe

taz: Frau Ahadi, was dachten Sie, als Sie von dem Anschlag gehört haben?

Mina Ahadi: Zuerst war ich einfach nur schockiert. Schon seit einiger Zeit kursierte ja diese Angst, dass ein Weihnachtsmarkt von Islamisten angegriffen werden könnte. Doch dann, als ich gehört habe, dass es eine Person aus Saudi-­Arabien war – Sie müssen mir glauben –, da kam mir der Name von Taleb A. in den Kopf. Das war furchtbar. Ich kenne ihn ja von vorher und das war sehr schmerzhaft. Wir alle, die ihn gekannt haben, waren wütend. Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen.

taz: Sie kannten A. durch den Zentralrat der Ex-Muslime, dem Sie als Mitgründerin vorsitzen.

Ahadi: Ja, ungefähr vor acht Jahren haben wir eine Spende bekommen von einer Person namens Taleb. Ich habe ein wenig recherchiert, wer er ist. Zwei Tage später hat er eine Mail geschickt, in der er das Geld zurückgefordert hat und gedroht hat, sonst gegen unsere Organisation Stimmung zu machen. Wir haben das Geld sofort zurücküberwiesen. Wir wollten auf keinen Fall derartigen Stress. Wir haben dann allerdings gesehen, dass er trotzdem gegen uns gehetzt hat.

Im Interview: Mina Ahadi

68, ist österreichisch-iranische Menschenrechtlerin und seit dem Jahr 2007 Vorsitzende des von ihr gegründeten „Zentralrats der Ex-Mus­lime“.

taz: Nicht nur gegen Sie, sondern auch gegen Ihre Schwesterorganisation, die Säkulare Flüchtlingshilfe.

Ahadi: Ja, er hat die Flüchtlingshilfe regelrecht terrorisiert. Er hatte sich bei der Flüchtlingshilfe vorgestellt als Säkularer, der auch Frauen aus Saudi-Arabien helfen wollte. Er hatte angeblich auch einen Aufruf gestartet, um Gelder dafür zu sammeln. Aber nur wenige Tage nachdem die Leute von der Säkularen Flüchtlingshilfe den ersten Kontakt mit ihm hatten, ist ihnen klar geworden, dass sie mit ihm nicht zusammenarbeiten konnten. Er war durcheinander und aggressiv. Also kam es zu keiner Kooperation. Aber er hat angefangen, die säkulare Flüchtlingshilfe fertigzumachen und hat versucht, ihr Korruption anzuhängen. Er hat eine Person aus dem Vorstand verfolgt und gestalkt und dafür gesorgt, dass sie ihren Job verliert. Die Person hat mehrfach Anzeige gegen ihn erstattet. Im August 2023 urteilte das Gericht, dass Taleb A. die Verleumdungen unterlassen muss. Er legte Berufung ein, doch in der Verhandlung Ende Oktober 2024 wurde klar, dass Taleb A. das Verfahren nicht gewinnen kann, was ihn zu einer Wutrede vor Gericht animierte. Dabei führte er aus, dass er Europa vor der Islamisierung retten werde, wozu die deutschen Gerichte nicht in der Lage seien. Das ist doch eine Wahnvorstellung: „Deutschland kämpft nicht gegen die Islamisten und will sich islamisieren.“ So hatte er es ja formuliert. Er hat sehr aggressiv reagiert. Die Behörden haben das nicht ernst genug genommen.

taz: Würden Sie sagen, er hatte politische Motive?

Ahadi: Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, es mit einem psychisch kranken Menschen zu tun zu haben. Gleichzeitig hat er auf jeden Fall in den sozialen Medien seine Kritik am Islamismus und Islam deutlich gezeigt und sich immer mehr radikalisiert. Sozusagen auf der anderen Seite, nicht in den Moscheen, sondern gegen den Islam. Unsere humanistische Politik beispielsweise hat er abgelehnt. Wir kritisieren islamische Verbände. Wir kritisieren es, wenn die Rede davon ist, dass vier Millionen „Muslime“ nach Deutschland geflüchtet sind, wir sind doch vier Millionen Menschen. Wir kritisieren dieses Etikett, denn nicht alle von ihnen sind Muslime. Aber wir kämpfen gleichzeitig für die Rechte von all diesen Menschen, die hier leben, egal ob sie Muslime sind oder nicht. Er hat Angela Merkel sehr kritisiert für die Aufnahme vieler Flüchtlinge im Sommer 2015. Wir fanden gut, was sie gemacht hat. Es ist in der letzten Zeit immer deutlicher geworden, dass er die AfD unterstützt.

taz: Viele Menschen in Deutschland sind verwirrt. Ein Anschlag von einem Antiislamisten, der der AfD nahe stand. Allerdings schlachten Nazis das jetzt aus, um gegen Immigranten zu hetzen. Das muss für Sie eine sehr herausfordernde Situation sein.

Ahadi: Ja, uns ist klar, dass der Anschlag auch von denen benutzt wird, die unsere Arbeit immer kritisiert haben, die Islamismuskritik nicht in Ordnung finden, Islamversteher und Intellektuelle aus der multikulturellen Szene, die nie verstanden haben, wieso wir über das Kopftuch reden, die uns in die Nähe der AfD rücken. Diese Vorwürfe könnten jetzt lauter werden, und das finde ich furchtbar. Meine Position war immer, dass die Menschen, die uns zum Schweigen bringen möchten, dazu beigetragen haben, dass die AfD stark wird. Wir machen eine humanistische Politik für Frauenrechte, für Menschenrechte, gegen Hinrichtungen und Steinigungen. Und Islamisten bejubeln nun das Attentat, sie sagen: „Selbst Ex-Muslime sind in der Lage, so etwas zu machen.“

Gleichzeitig bekommen wir seit einigen Tagen viele Nachrichten von Rechtsextremisten und Anhängern der AfD, die sagen: „Das sind Fake News.“ Es kann doch nicht sein, dass jemand gegen Islamismus ist und Deutsche auf der Straße tötet. „Wie kann man so etwas erklären, Frau Ahadi?“, schreiben sie. Wir stehen als Is­lam­kri­ti­ke­r*in­nen also wieder zwischen allen Fronten.

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