Bundestagspolizei: Reichsbürger in Uniform
Für die Bundestagspolizei soll noch vor den Wahlen ein Gesetz beschlossen werden. taz-Recherchen zeigen: Es gibt wieder rechte Verdachtsfälle.
Vor beinahe vier Jahren stürmte ein rechter Mob, aufgehetzt vom abgewählten Präsidenten Donald Trump, das Kapitol in den USA. Abgeordnete mussten sich verstecken, Polizisten schossen auf Eindringlinge. Wenige Monate zuvor hatten hierzulande Coronaleugner versucht, den Bundestag zu stürmen, und waren knapp gescheitert. Seitdem wird auch in Deutschland immer wieder die Frage diskutiert: Wer schützt eigentlich das Parlament, wenn es darauf ankommt?
Die einfache Antwort: Die Bundestagspolizei. 200 Polizisten, die der Bundestagspräsidentin unterstehen und das Parlament und seine Abgeordneten schützen sollen.
Vier Jahre später ist der Kapitolstürmer Trump wieder zum Präsidenten gewählt. Und in Deutschland soll die Polizei des Bundestags bekommen, was seit Jahren von PolitikerInnen diverser Parteien gefordert wird. Ein eigenes Polizeigesetz. Es ist eines der wenigen Vorhaben, das der Bundestag vor seiner Auflösung noch beschließen könnte.
Bisher ist die Bundestagspolizei über den Artikel 40 des Grundgesetzes und die Hausordnung geregelt. „Das ist sehr abstrakt“, hatte die Präsidentin des Bundestags, Bärbel Bas, im Oktober im taz-Interview gesagt. Sie verstehe den Wunsch der PolizistInnen, mehr Rechtssicherheit zu bekommen. Auch Betroffene von polizeilichen Maßnahmen würden davon profitieren. „Es geht darum, die Befugnisse endlich auf eine klare gesetzliche Rechtsgrundlage zu stellen.“ Bas will das Gesetz unbedingt vor den Wahlen. Es soll auch ihr politisches Erbe sein. Denn dass die Sozialdemokratin im Amt bleibt, ist nach aktuellen Umfragen unwahrscheinlich.
„Nichts wird unter den Tisch gekehrt“
Doch taz-Recherchen zeigen nun, dass es bei der Bundestagspolizei erneut mehrere mutmaßlich rechte und rechtsextreme Vorfälle in den eigenen Reihen gegeben hat. Diese stehen nicht in Zusammenhang mit dem geplanten Gesetz. Und doch stellt sich die Frage, ob es richtig ist, die Befugnisse der Polizei mit einem eigenen Gesetz zu stärken.
Schon 2021 berichtete die taz über rechtsextreme Vorfälle bei der Bundestagspolizei. Wir berichteten, dass ein Beamter im Pausenraum im Bundestagsgebäude den Hitlergruß gezeigt haben soll und ein weiterer in einer Reichsbürgerpartei aktiv war. Beamte erzählten von Chatgruppen und rassistischen Aussagen. In der Folge wurden mehrere Beamte suspendiert und Disziplinarverfahren angestrengt, alle 200 Beamte wurden einzeln befragt, auch dazu, wer mit der taz gesprochen habe.
Im taz-Interview hatte Bärbel Bas betont, dass die Vorfälle aufgearbeitet wurden. „Mir ist wichtig, dass nichts unter den Tisch gekehrt wird.“ Doch der Umgang mit den neuen Vorfällen lässt daran Zweifel aufkommen.
Zwei der mutmaßlichen Vorfälle, die der taz geschildert wurden, stehen in Zusammenhang mit einer Version des Lieds „L’amour toujours“, das zu einem Meme der rechten Popkultur geworden ist. Aufmerksamkeit bekam es, nachdem ein Video aus Sylt viral ging, bei dem Feiernde zur Melodie des Songs den Hitlergruß andeuteten und „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ sangen.
Wie die taz aus Kreisen der Bundestagspolizei erfuhr, soll eine Beamtin einem Kollegen bei dessen Abschied eine Widmung in ein Geschenk geschrieben haben, ihr Lieblingslied sei: „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“. Ein Vorgesetzter soll diese Widmung gesehen haben. Ein anderer Beamter soll das Lied im Pausenraum in provozierender Absicht laut über sein Handy abgespielt haben.
Bei einem dritten mutmaßlichen Vorfall soll ein Polizist durch einen Kollegen rassistisch diskriminiert worden sein. Trotz eines Gesprächs mit Vorgesetzten und dem Antidiskriminierungsbeauftragten soll der Vorfall keine Konsequenzen gehabt haben.
Darüber hinaus soll ein Beamter mehrfach durch Reichsbürgeraussagen aufgefallen sein: Deutschland sei keine Demokratie, sondern eine GmbH.
Bas sieht keinen Zusammenhang zum Gesetz
Auf Anfrage der taz bestätigte eine Sprecherin des Bundestags, dass es seit Januar mehrere „Sachverhalte“ gegeben habe. Sie bestätigte zudem, dass in einem Fall ein Disziplinarverfahren begonnen worden sei. In einem weiteren erfolgte eine „dienstliche Missbilligung“, kein Disziplinarverfahren. Ein dritter Fall habe „keine disziplinarrechtliche Relevanz“ gehabt, man habe ein „Sensibilisierungsgespräch“ geführt. Auf welchen der von der taz geschilderten Fälle sich welche Maßnahme bezog, sagte die Sprecherin nicht. Aus Gründen des Datenschutzes könne man sich nicht detaillierter äußern. Im Fall des Beamten, der mit Reichsbürger-Aussagen aufgefallen sein soll, sagte die Sprecherin, dass im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ermittelt werde. Aus Kreisen der Bundestagspolizei heißt es, dass einige der genannten Maßnahmen erst nach Anfrage der taz ins Rollen kamen.
Nachdem die taz sie mit den neuen Vorfällen konfrontiert hat, betonte die Bundestagspräsidentin Bärbel Bas, dass allen Verdachtsfällen konsequent nachgegangen werde: „Als Hausleitung machen wir klar, dass bestimmte Verhaltensweisen nicht akzeptiert werden.“ Mit dem geplanten Polizeigesetz will Bas die mutmaßlichen Verdachtsfälle nicht in Verbindung bringen: „Das parlamentarische Verfahren zum Bundestagspolizeigesetz steht in keinem Zusammenhang zu Verdachtsfällen, die sich gegen Angehörige der Bundestagspolizei richten.“
Die Polizei des Bundestags ist nicht die einzige Polizeibehörde, bei der es im Zusammenhang mit dem Sylt-Meme mutmaßlich zu rechten Vorfällen gekommen ist. Im Bundestag, wo die BeamtInnen an sensibler Stelle arbeiten, sind die Vorfälle aber besonders heikel.
Die Parlamentspolizei hat historisch eine besondere Rolle: Sie untersteht der Präsidentin des Bundestags. Sie ist die oberste Dienstherrin und übt das Hausrecht aus. Das soll die Unabhängigkeit des Verfassungsorgans stärken. Im Alltag sind die BeamtInnen jedoch nicht mehr als ein besser bezahlter Sicherheitsdienst. Im Vergleich zur Polizeiarbeit in einem normalen Revier ist im Parlament wenig los, das führt bei vielen zu Frust und Langeweile.
Am kommenden Donnerstag wird sich der Bundestag in erster Lesung mit dem Gesetz befassen. Eigentlich war der Antrag fraktionsübergreifend geplant, schließlich geht es um die Sicherheit des Parlaments – und damit auch der Abgeordneten. Nach dem Ende der Ampel aber musste alles ganz schnell gehen. Wenn das Gesetz vor den Wahlen beschlossen werden soll, ist die kommende Woche die letzte Chance.
Was macht die Union?
Der Gesetzentwurf liegt der taz vor: Die Arbeit der Polizei solle „erleichtert und die Rechtsklarheit erhöht werden“, heißt es darin. Inhaltlich orientiert sich der Entwurf an anderen Polizeigesetzen. Etwas strittig war zwischen den Parteien die Frage, wie weit die Befugnisse der BeamtInnen außerhalb der Bundestagsgebäude gehen sollen, wenn etwa Straftaten auf der Straße geschehen oder eine Gefahr aus einem angrenzenden Haus droht. Nach taz-Informationen hat man sich hier mit der Union geeinigt. Die Zuständigkeit soll nur vorsichtig über die Gebäude des Bundestags hinaus ausgeweitet werden, die PolizistInnen des Bundestags sollen nur in dringenden Fällen eingreifen und müssen umgehend die Landespolizei informieren.
Politisch brisant ist allerdings die Entscheidung, mit dem Gesetz auch die Sicherheitsüberprüfung von MitarbeiterInnen der Abgeordneten zu verschärfen, wenn diese einen Hausausweis beantragen. Mit dem können sie im Bundestag ein und aus gehen. Bisher werden MitarbeiterInnen nur durch die Polizeiregister überprüft. Verfassungsfeinde, die bisher nicht straffällig geworden sind, konnten durchs Raster fallen. Zuletzt berichtete der BR über 100 rechtsextreme Mitarbeiter, die von AfD-Bundestagsabgeordneten beschäftigt werden. In Zukunft sollen MitarbeiterInnen auch durch den Verfassungsschutz überprüft werden können und ihnen gegebenenfalls der Hausausweis verwehrt werden. Manche, die mit dem Gesetz befasst sind, sprechen vom „Anti-AfD-Paragrafen“.
Ob das Gesetz durchgeht, ist ungewiss. Einige Abgeordnete hatten gehofft, im Zuge der Debatte über das Gesetz auch die Arbeitsbedingungen für die BeamtInnen im Bundestag verbessern zu können. Diese klagen, als „Polizisten zweiter Klasse“ wahrgenommen zu werden und für Hausmeister- und Schlüsseldienste verwendet zu werden. Weil der Bundestag teils Schwierigkeiten hat, genug Personal zu finden, werde es ihnen schwer gemacht, sich wegzubewerben.
Um die Fristen einzuhalten, wird der Gesetzentwurf nur von SPD und Grünen eingebracht, obwohl Wünsche der Union durchaus berücksichtigt wurden. Doch dort will man sich nicht festlegen. Michael Breilmann, zuständiger Berichterstatter der Unionsfraktion, sagte auf taz-Anfrage, man sei „grundsätzlich offen“ für ein Bundestagspolizeigesetz. Der Schutz des Parlaments sei ein wichtiges Anliegen. Doch für „Rechtsverschärfungen“ sieht Breilmann „keine Einigungsfähigkeit“. Dies bezieht sich offenbar auf die strengere Sicherheitsüberprüfung. „Die Freiheit des Abgeordnetenmandats ist ein hohes Gut, und das gilt es zu schützen.“ Man wolle nichts übers Knie brechen. Gut möglich also, dass es bis zu einem Gesetz noch einmal vier Jahre dauert.
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