: Und morgen schon mit Fritten
Das Sportjahr 2025 fällt mit Weihnachtsbaum-Weitwurf auf. Außerdem wird endlich auf dem Mars Fußball gespielt, die DFB-Frauen erinnern an den Wankdorf-Mythos und Bernhard Langer dichtet Limericks
Aus der Zukunft Bernd Müllender
Bischofshofen, 6. Januar. Die Vierschanzentournee wird am Finaltag abgebrochen und deshalb als Dreischanzentournee gewertet. Grund: Es schneit intensiv und andauernd. „Dabei hatten wir uns mit abbaubaren Gummimatten und schadstofffreier Schmierseife bestens auf Klimawandelwetter vorbereitet“, klagen die Organisatoren. „Und jetzt so was! Schnee. Bei uns! In Österreich! Unglaublich.“
Oudergem, 13. Januar. Wieder beteiligen sich an die tausend TeilnehmerInnen zur jetzt 11. Auflage des Brüsseler Weihnachtsbaum-Weitwerfens. Initiator Samuel Serck: „Unser Event verbindet nachhaltige Entsorgung mit sportivem Touch.“ Vorjahressieger Alexandre Rossini holt erneut den Titel, verfehlt seinen Rekord von 17,50 Metern aber um Nadellänge.
Berlin, 31. Januar. Rätselhaftes Radkreisfahren in der Halle zu Musik und allerlei Belustigung: Sechstagerennen. In Berlin wird es seit 1909 ausgetragen, 2016 folgte eine Umtaufung zu Sixdays, damit begann ein bilingual-kreativer Zeitmix. Veranstalter im Velodrom ist weiter die „Berliner 6-Tage-Rennen GmbH“, die Website hört auf den Namen sixday.com, nicht etwa sixdays.com. Die Veranstaltung selbst heißt „Sixdays Weekend“, dauert aber nur zwei Tage mit „sechs Stunden Spitzensport“. Höhepunkt des sechsstündigen Sechstage-Wochenendes ist die bewegungsintensive Bewegungslosigkeit: das „Steher-Rennen“.
Oslo, 2. Februar. Die 29. HandballWeltmeisterschaft der Männer „hat einer der Gastgeber gewonnen“, meldet die taz in der wiedergeborenen Rubrik „Frisch, Krumm, Ölig, High“. Mit der diagonaleuropäischen WM-Austragung in Dänemark, Norwegen und Kroatien setzt sich der Trend zu Vielstaaten-Championaten fort. Demnächst folgen im Fußball die WM in USA, Kanada und Mexiko, die EM in Irland und dem Königreich. Bald sollen Tonga und Togo gemeinsam mit Trinidad&Tobago einen großen Wettbewerb bekommen. Gespräche mit diversen Airlines laufen. Das Klima hat am Verhandlungstisch nur Beobachterstatus.
Hannover, 29. März. Die nun schon 52. „Deutsche Meisterschaft im karnevalistischen Tanzsport“ dient der „Wahrung von Traditionen“ und „politischer Arbeit für das Brauchtum“. Versprochen wird „mehr als nur Rumgehüpfe“. Es geht um Rhythmusgefühl beim Mariechentanz („mit elfenhaften Bewegungen“), kostümierte Narrenmärsche, den Gardetanz der TollitätInnen sowie den klassischen Frauen-Hochwurf (inklusive unfallfreiem Auffangen). Aber warum Hannover? Ein solches Event, so der Kölner Stadt-Anzeiger, gehöre „wesenseigen in unsere Weltmetropole des Alaafismus.“
Augsburg, 6. April. Der FC Bayern schließt die Knechtschaft der Liga lange vor Ostern („unser Angemessenheitsanspruch“) erfolgreich ab und wird vorzeitig Meister. Harry Kane lässt erwartungsgemäß die Schale fallen: „Wie fasst man so ein Frisbee an?“, fragt der Ersttitelgewinner im angehenden Seniorenalter.
München 7. April. Der Tag danach: Millionen Menschen feiern nach dem Betriebsunfall im Vorjahr ausgelassen, BayerInnen genauso wie frühkindlich unverantwortlich geprägte Kreaturen anderer Landstriche. Klubpate Uli Hoeneß tauft Meistertrainer Vincent Kompany um zu „unserem Heynckes Jupp der Neuzeit“. Auf der Wiesn 2025 soll dankeshalber nur belgisches Bier ausgeschenkt werden.
Aachen, 21. April. Der DFB greift durch: Drittligist Alemannia Aachen muss bis Saisonende ohne Publikum spielen. Immer wieder hatten desorganisierte und sogar hilfreiche Ordnungskräfte Hooligan-Attacken auf Gästefans ermöglicht, es gab Becherwürfe gegen Linienrichter, Pyrogewalt und vor allem rechtsradikale Bekenntnisse bis in den VIP-Bereich. Am Tag zuvor schallten überdies lautstark nazistische Gesänge („Has Jebuurtsdach, aue Adi…“) durch den Tivoli. Die Vereinsoberen geben sich taub. „Das muss ein Hörfehler sein. Alemannia steht für Zusammenhalt aller.“ Tragischerweise gelingt der Klassenerhalt.
Fürth, 18. Mai. Durch ein souveränes 0:1 sichert sich der Hamburger SV erneut den 4. Platz in der Zweiten Bundesliga und darf sich stolz auf die achte unterklassige Saison in Serie freuen. „Wir sind ein Verein mit großer Tradition. Die setzen wir nicht durch unglückliche Siege aufs Spiel“, heißt es in einem „Communique der Nachhaltigkeit“. Wie kein anderer stehe der HSV für „hanseatisch stilvolle Erstklassigkeit im Verlieren“.
Dahoam, 31. Mai. Ein neues Format, viel mehr Spiele, viel mehr TV und also Cash, dazu wegen Überbelastung zahllose langfristig schwer verletzte Kicker: Die Champions League, laut Uefa „ein nie zuvor erlebtes Menschheitsspektakel“, schleppt sich ins Finale nach München. Das gewinnt der FC Barcelona 2:0 gegen die Gastgeber unter Jupp Heynckes (neu). „Dahoam sind Siege am schönsten“, freut sich Barça-Coach Hansi Flick.
Miami/Peking, 15. Juni. Fern von jeder fußballerischen Dahoam-Tradition wird in Florida die neu erkünstelte Fußball-Klub-WM eröffnet. Obwohl dabei der belgische Biergigant Inbev laut Fifa ein „unvergleichliches Flair für Fanunterhaltung“ biete, ist das Interesse erdenweit sehr dürftig. In China freut sich das „Kulturrevolutionäre Zentralkomitee Umfallender Reissäcke“: „Jetzt weiß die Welt, wie es uns seit jeher ergeht. Viel Erfolg beim Umsturz.“
Aachen, 30. Juni. Die erstmaligen olympischen Breakdance-Wettbewerbe in Paris beflügeln immer neue Sportarten. Beim CHIO steht der dänische Dressurwallach Bohemian einen fünfminütigen Breakdance auf Hufen. Leider kollabiert das Tier kurz nach dem Siegesritt und muss noch im Parcours eingeschläfert werden. Die Speisekarten für rheinischen Sauerbraten in den regionalen Restaurants werden umgehend angepasst: „Gestern noch geritten, heute schon mit Fritten.“
Duisburg, 16. Juli. „Das größte Multisport-Event der Welt“ im Jahr 2025 startet, die World University Games (vormals Universiade) mit Wettkämpfen von 3x3-Rollstuhlbasketball über Bogenschießen bis Taekwondo. Die englische Website meldet: „The world will come together in the Rhine-Ruhr region to celebrate sport, science and culture.“ Wohl on, Ruhr Pot! Der Start ist im, wie es heißt, „schillernden Duisburg“ mit der feinen Frage: „Duisburg: Was kann man daran nicht lieben?“
Bern, 18. Juli. „Aus dem Hintergrund müsste Brand schießen“, hatte die historisch versierte TV-Reporterin schon lange vorher geübt, aber das Lospech hat dann alle Chancen auf ein Spiel der deutschen Frauen bei der Fußball-EM im Berner Wankdorf-Stadion ausgeschlossen. Immerhin, Torfrau Berger kann im Viertelfinale gegen Frankreich zwei Elfmeter halten („Ann-Katrin, du bist eine Fußballgöttin“), trotzdem verliert die DFB-Elf 0:1. Wendie Renard hatte köpfen können. Ungarn war nicht am Start.
Farmingdale, 28. September. Mit dem ewigen Bernhard Langer, 68, gewinnt Team Europa den Ryder Cup der Golfer gegen die USA. „Die teils enkeljungen Widersacher des German Senior Swinging Monsters“ hatten gegen seine „nanochirurgische Präzision beim Putten“ (New York Times) keine Chance. Langer dankt erwartungsgemäß „Gott dem gütigen Herrn“ und erklärt sich mit gläubiger Selbstironie bereit für den Ryder Cup 2027 im irischen Limerick:
„Es wusste ein alter Trappist,
wegen Trippers nicht mehr wie man pisst.
Er hat gebetet, geschrien,
doch es kam kein Urin.
Und so starb er – geplatzt, doch als Christ.“
Zürich, 9. Oktober. Multihasardeur Elon Musk (Tesla, X, Trump) wird von Seiner Hoheit Gianni Infantino zur „Audienz der Giganten“ (FAZ) empfangen. Musk erläutert dem Fifa-Herrscher sein „vielwelten-umspannendes Projekt 2038“: die Fußball-WM auf dem Mars. „Gern übernehmen wir mit SpacesXXL (vormals SpaceX) die Shuttledienste für Teams und Fans.“ Der oberste Fußballmafioso ist elektrisiert: „Visionär, Elon! Unsere Erde ist zu klein geworden für das große Spiel. Endlich ein Planet B.“
Vielerorts, bis 31. Oktober. Die Sportwelt feiert auch 2025 großartige Weltrekorde: Erst der Skiflug des Norwegers Halvor Granerud bei der WM in Oberstdorf bis in die vierte Publikumsreihe (271 Meter, nur Leichtverletzte), dann die Bestmarke der Brasilianerin Isabella Dinha im Langsamrauchen (3:59:40 Stunden für drei Gramm Pfeifentabak). Schließlich bleibt mit dem Kenianer Eliud Kipchoge der erste Marathonläufer unter zwei Stunden (in exakt 1,5 Gramm Dinha-Tabak). Die fünf Stabhochsprung-Rekorde des Schweden Mondo Duplantis (6,27 – 6,31 Meter) werden allerdings, wenn überhaupt, nur noch kurz vermeldet.
Zürich, 14. Dezember. Erneut sehr früh startet der Zürcher Silvesterlauf. Erstmals soll auch das Silvesterfeuerwerk gleichzeitig stattfinden. „Wir gehen nicht mit der Zeit, sondern sind ihr voraus“, philosophiert Laufdirektorin Dr. Simone-Reta Freihofer. „Und“, kündigt sie explosiv an, „2026 zum 50. Jubiläum werden die Läuferinnen und Läufer die Raketen während des Wettkampfs abfeuern.“
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