Vincent Kompany beim FC Bayern: Einer, der es tatsächlich macht

Mit Vincent Kompany findet der FC Bayern München einen Trainer, der mit dem Makel der siebten Wahl leben kann und dennoch eine hohe Reputation hat.

Kompany fasst sich mit der rechten Hand ans Kinn

Bayerns Gesicht der Zuversicht: Vincent Kompany Foto: Richard SEllers/PA Images/imago

Wenn schon Umbruch, dann richtig – das mag man sich an der Säbener Straße gedacht haben, als man nach zahlreichen Absagen Vincent Kompany zum neuen Cheftrainer machte. Der 38-jährige Belgier gilt international noch immer als Novize der Trainerzunft. Meist fällt der Blick auf die ambivalente Bilanz seines Engagements beim Burnley FC, mit dem er letztes Jahr in die Premier League auf- und soeben nach einer Saison mit nur fünf Siegen wieder abgestiegen ist. Auf der Bank hat der Weltstar zweifellos wenig vor-, dafür aber alles zu beweisen. Und könnte damit genau die richtige Dynamik auslösen für den lange ersehnten Aufbau einer neuen Ära.

Die ungleich renommierteren Kollegen Nagelsmann und Guardiola bescheinigen Kompany überaus großes Potenzial für seine Karriere. Die freilich nicht mehr ganz so neu ist, denn bevor der Brüsseler 2022 zurück nach England zog, absolvierte er schon zwei Jahre auf der Bank bei seinem Jugend- und ersten Profi-Verein RSC Anderlecht. Nun ist die Jupiler Pro League nicht die Bundesliga und Anderlecht nicht Bayern. Doch mit der Konstellation, einen strauchelnden Rekordmeister aufzufangen, hat Kompany dort Erfahrung gesammelt.

Zu Titeln reichte es freilich nicht, doch für die Entscheidungsträger in München dürfte etwas anderes interessanter sein: Kompanys Zielstrebigkeit, sein sprichwörtlicher Ehrgeiz und der selbstverständliche Anspruch, in großen Dimensionen zu denken. Nach seinem Abschied als Kapitän und Vereins­ikone bei Manchester City 2019 wechselte er quasi direkt vom Spielfeld auf die Bank – wobei er anfangs die beiden Tätigkeiten noch zu kombinieren versuchte. Das ging allerdings nach hinten los und sorgte auch für einige Turbulenzen, weil Kompany noch keine offizielle Trainerlizenz hatte.

Dass der Job in München für ihn nun der größtmögliche Kickstart sein könnte, um seine zweite Karriere auf die Höhe der ersten zu bringen, ist offensichtlich. Die Option eines Scheiterns haben Boulevard und Kommentatoren vom Schlag eines Lothar Matthäus umgehend erörtert. Was bei alldem für Kompany spricht: Mit ihm macht Max Eberl einen perfekten Ausfallschritt. Der Makel, nur Option sechs, sieben oder acht zu sein, haftet an einem Kandidaten, den wirklich niemand auf der Rechnung hatte, weniger. Zugleich spielt Kompany in puncto Selbstverständnis und interna­tionaler Reputation in einer Liga, die dann doch wieder ziemlich Bayern-like ist.

Mentalität eines potenziellen Weltmeisters

Erfahrung hat er zudem als Protagonist einer neuen Ära: er prägte die erfolgreichste Zeit von Manchester City und wurde parallel zum Gesicht einer bemerkenswerten Metamorphose: jener der ewigen grauen Maus Belgien zu einem schillernden Ensemble internationaler Stars zum Geheim- und dann immer öffentlicheren Favoriten. Mit dem dritten WM-Platz 2018 verfehlte die goldene Generation der „Roten Teufel“ zwar ihr großes Ziel knapp, doch die Mentalität eines potenziellen Weltmeisters impfte ihr nicht zuletzt Kompany ein – auf dem Platz, aber auch daneben.

Letzteres zeigte sich gerade, als der Aufstieg der belgischen Nationalmannschaft begann. Das Land wurde damals wieder einmal von Turbulenzen zwischen den Sprachgruppen erschüttert. Der Kapitän des Teams, Sohn einer Belgierin und eines kongolesischen Einwanderers, wandte sich mehrfach öffentlich gegen die erstarkende flämisch-nationalistische Rechte. Einer ihrer Politiker hatte 2012 nach dem Sieg bei den Antwerpener Kommunalwahlen verkündet, die Stadt gehöre an diesem Abend vor allem seiner Partei. Wenig später konterte Kompany nach einem entscheidenden Sieg in der WM-Qualifikation: „Belgien gehört allen, aber heute Abend gehört es vor allem uns!“

In der gleichen Phase betonte der eloquente Profi einmal: „Egal, was seine Abstammung ist: ein Belgier ist ein Belgier.“ Man muss nicht allzu viel Fantasie haben, um zu konstatieren: der neue Coach könnte das sehnsüchtig vermisste „mia san mia“ auf eine neue Stufe heben.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.