piwik no script img

Videoserie über Leben in der GroßstadtWenn es dunkel wird, kommt die Angst

Vier Frauen und eine nicht binäre Person erzählen in der Dokumentar-Videoserie „Roadnight“, wie bedrohlich sie Bremens Straßen in der Nacht empfinden.

Macht vielen Sorgen: Mit dem Fahrrad durch die düsteren Ecke der Stadt Foto: Jacqueline Peters / Videostill

Petra fühlt sich nachts in den Straßen von Bremen nicht sicher, seit sie dort traumatische Erfahrungen mit sexueller Gewalt gemacht hat. Franzina hat auf der Bremer Partymeile vor dem Bahnhof gearbeitet und wurde immer wieder auf dem Heimweg im Dunkeln von Männern verfolgt. Antje macht sich Sorgen, wenn ihre Tochter Janna nachts mit dem Fahrrad durch die Stadt fährt, denn als sie in deren Alter war, musste sie in ähnlichen Situationen „flüchten und über Zäune springen“. Und als Mary sich in Bremen noch nicht gut auskannte, dirigierte ihr Navi sie auf ihren abendlichen Fahrradfahrten in dunkle Ecken der Stadt, in denen sie sich sehr unwohl fühlte.

Die fünf Prot­ago­nis­t*in­nen der Videoserie „Roadnight“, vier Frauen und eine nicht binäre Person, sind von ihren Persönlichkeiten, ihrem Alter und ihrer sozialen Stellung her sehr unterschiedlich – doch sie alle vereint das Gefühl, dass die Straßen der Stadt für sie bedrohlich wirken, sobald es dunkel wird. Dies ist also keine individuelle, sondern eine kollektive Erfahrung, und der Bremer Filmemacherin Jacqueline Peters gelingt es, mit „Roadnight“ dieses Grundgefühl eindrücklich zu vermitteln.

In den vier jeweils etwa sechs Minuten langen dokumentarischen Kurzfilmen erzählen Petra, Franzina, Antje, Janna und Mary von ihren Erlebnissen und Ängsten auf den nächtlichen Straßen von Bremen. Auf einer zweiten Ebene folgt die Kamera ihnen dabei, wie sie auf den von ihnen beschriebenen Wegen durch die dunkle Stadt gehen oder mit dem Fahrrad fahren.

Jacqueline Peters hätte auch gut noch ein fünftes Video über sich selbst machen können, denn die Idee zu dem Projekt kam ihr, als sie darüber nachzudenken begann, wie unwohl sie sich nachts auf ihren Wegen durch die Stadt fühlt. Sie fragte Frauen aus ihrem Umkreis, und als diese von ganz ähnlichen Erfahrungen erzählten, nahm das Videoprojekt Gestalt an.

Die Videoserie

„Roadnight“. Regie: Jacqueline Peters, D 2024, 25 Min.

Premiere am Sa, 21. 12., 19 Uhr, im gläsernen Marktpavillon UMZU in der Papenstraße in der Bremer Innenstadt

Die Interviewsequenzen wurden im Glaspavillon UMZU in der Bremer Innenstadt aufgenommen, und die hellen Bilder vor dem Hintergrund von belebten und sonnigen Straßenszenen schaffen einen wirkungsvollen Kontrast zu den in der Nacht aufgenommen dokumentarischen Kamerabildern.

Nun wird die Videoreihe genau dort gezeigt, wo die Interviewsequenzen gedreht wurden. Bis zum 30. Dezember wird „Roadnight“ im UMZU in einer Endlosschleife gezeigt. So entsteht eine interessante Dopplung: Die Zu­schaue­r*in­nen werden durch das große Fenster des Pavillons einen Film sehen, der zum Teil in diesem Pavillon gedreht wurde. Wenn sie hineinschauen, sehen sie in einer Art von Gegenschuss den Blick der Kamera heraus.

Interessant an dem Projekt ist auch, dass Jacqueline Peters dafür ein Konzept entwickelt hat, das den Aufführungsort und sogar den Termin der Premiere mit einschließt. „Roadnight“ wird im Schaufenster des Pavillons gezeigt, wo vor allem Pas­san­t*in­nen stehenbleiben werden, um für ein paar Minuten Teile des Videos anzusehen. Er wird also im öffentlichen Raum vorgeführt, während zugleich in ihm der öffentliche Raum thematisch behandelt wird. Hier entsteht noch eine Dopplung, diesmal zwischen Inhalt und Präsentation.

Außerdem war Jacqueline Peters eine Premiere des Films am 21. Dezember wichtig, weil dies der Tag mit der längsten Nacht im Jahr ist. Darauf, dass an diesem symbolträchtigen Datum (es ist eben auch der kürzeste Tag des Jahres) bundesweit an über 300 Veranstaltungsorten der Kurzfilmtag stattfindet, wurde die junge Filmemacherin erst nachträglich bei einem Gespräch im Bremer Filmbüro aufmerksam gemacht. Jetzt wird die 25 Minuten lange Reihe der vier Videos als eine der über 300 Veranstaltungen mit Kurzfilmprogrammen gezeigt, die an diesem Tag bundesweit stattfinden – eine dritte Dopplung.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

14 Kommentare

 / 
  • Das ist weder ein neues Problem noch auf Bremen beschränkt und nicht nur auf Frauen.

    Die Frage ist, wie und von wem der öffentliche Raum gestaltet wird? Das sind in der Regel Menschen, die eben nicht nachts allein zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind.



    Extrem schlechte Beleuchtung, ja sogar das Abschalten der wenigen Lampen zum Schutz von Insekten oder dem verordneten Sparkurs, dient auch nicht der Sicherheit.

    Was geschehen müsste, ist klar, es muss nur gemacht werden.



    www.ndr.de/nachric...erplanning100.html

    Aber wen kümmert das, bleibt zu Hause, wenn etwas geschieht wird die Schuld sowieso bei den Opfern gesucht und gefunden.

    • @Octarine:

      Es gibt dennoch m.E. nach ein relevantes Ungleichgewicht welches zu Ungunsten von Frauen, als Frauen gelesene Personen und LGBTQ+ Personen ausfällt.

      Im Falle von sexueller Gewalt betrifft das, meines Wissens nach, Frauen bzw. als Frauen gelesene Personen dennoch erheblich stärker.



      Und bzgl. der „normalen“ Gewalterfahrung kann man eher davon Ausgehen, das ein größerer Teil männlicher Personen besser auf solch eine Situation reagieren kann, bzw. besser darauf Vorbereitet ist. Was ja selber als Verweis auf das Problem patriarchaler Gewalt angesehen werden kann.

      Sonst schöner Link, der die Problematik in und bzgl. der Gestaltung des öffentlichen Raums aufzeigt, von dessen Behebung letztlich alle profitieren würden.

      • @serious?:

        Ich stimme ihnen vollständig zu, für Frauen ist es noch schlimmer. Und was extrem bedrückend ist, sie werden immer noch nicht ernst genommen.

  • Schade, dass hier die Gelegenheit verpasst wurde, auch mal eine männliche Sichtweise zu integrieren.

    Womöglich erleben Männer vergleichbare Unsicherheitsgefühle.

    Hätte mich zumindest interessiert.

  • Woran erkennt der potentielle Täter im Dunklen eine nichtbinäre Person?



    Als weißer noch nicht so alter Mann fühle ich an solchen Orten auch unsicher und hab einfach Angst. Da kann ich jeden verstehen.



    Allerdings fehlt mir die Fantasie wie man das ändern könnte ohne Dauerüberwachung.

  • in unserem 15 000-Einw.-Kreisnest sind im Dunkel auch fast nur die unterwegs, denen man lieber nicht begegnen würde.

    • @Erfahrungssammler:

      Damit bringen Sie das Problem ziemlich auf den Punkt:



      Entscheidend ist, wer den öffentlichen Raum besetzt. Wenn alle sich in ihren Wohnungen /Häusern verkriechen, ist draußen kein Abbild der Gesellschaft mehr unterwegs, sondern ein u.U. spezielles Klientel.

      Andererseits muss man auch unterscheiden: sind tatsächlich gefährliche Leute unterwegs, oder wird nur eine Bedrohung befürchtet.



      Im Falle der im Artikel erwähnten Personen, die negative Erfahrungen gemacht haben, ist die Antwort wohl klar.

      Trotzdem: psychologisch ist es ein komplexes Phänomen auf beiden Seiten:



      Wer selbst Ungemach fürchtet, wird auch eher zum Täter, weil er sich in wehrhafter Haltung zur Umgebung sieht. Wer meint, sich in einem rechtsfreien Raum aufzuhalten (was auch von einem potentiellen Täter bedrohlich gefühlt werden kann), neigt dann eben auch dazu sich nicht ans Recht gebunden zu fühlen.

      Ergebnis:



      reclaim the streets!



      Nein, nicht den polizeilichen Überwachungsstaat brauchen wir. Wir brauchen viele Leute draußen, die sich nicht verbarrikadieren, Leute die (gemeinsam!) den Mund aufmachen. Ein langwieriger Prozess, aber dazu gehört auch, Strategien zu entwickeln, wie wir gemeinsam die Angst überwinden!

      • @Ringsle:

        Es gibt viele Fälle, in denen Leute gemeinsam den Mund aufmachen und trotzdem nichts erreichen.



        Wenn es in dieser Sache hart auf hart kommt, möchte ich nicht als Betroffener/Geschädigter auf UNSERE Behörden angewiesen sein. Eine "Wende" kat jedenfalls schon mal geklappt: Die Täter-Opfer-Wende.

  • Für mehr Sicherheit müsste Stadt und Staat in allen Winkeln Deutschlands sein Gewaltmonopol durchsetzen und nicht gewisse Gegenden komplett meiden. Wobei ich sehr gut verstehen kann, dass die Polizei in manchen Gegenden gar nicht präsent ist.

    • @Luftfahrer:

      Nicht zuletzt geht es auch um Stadtarchitektur und die nicht genutzten Möglichkeiten, öffentliche Räume so zu gestalten, dass diese Sicherheit ausstrahlen. Bspw. durch entsprechende Beluchtung, Vermeidung der Schaffung von dunklen Ecken und Gängen ... da ist noch viel Luft nach oben und nicht alles schreit direkt nach mehr Polizei oder Totalüberwachung, was auch nicht Sinn und Zweck sein kann.

      Ein freundlich und offen gestalteter Öffentlicher Raum lädt nämlich nicht zur Begehung von Straftaten ein, die in der Regel im Schutz der Dunkelheit und Anonymität verübt werden.

    • @Luftfahrer:

      In einem solchen von Ihnen imaginierten Polizeistaat mag ich nicht mein Dasein fristen. Ich möchte unbeschwert, unbeschränkt und vor allem Angst-befreit leben zu jeder Tages-und Nachtzeit. Im Übrigen rufe ich bei Problemen Freunde an, nicht die Polizei.

      • @Grusel:

        Sehnse - genau das tun andere auch.

    • @Luftfahrer:

      Hier geht es aber nicht um irgendwelche "Gegenden" (Parkanlagen, oder Bahnhöfe an sich) hier geht es um Straßen und Wege im öffentlichen Raum.

      Das Problem ist eher, dass in der Gesellschaft Gewalt, ausgehend von Männern, immer und immer wieder klein geredet wird.

      Ein Mann der einen Femizid begeht ist "geistig verwirrt" und ein Einzelfall, schade das diese Einzelfälle täglich stattfinden.