Deutsche und das syrische Regime: In der Tiefe
Die Assad-Diktatur hat sich von Nazis, DDR und Bundesrepublik inspirieren lassen. Die Geheimdienstarchive dürften manche Überraschung bereithalten.
J a, mit KZ-Vergleichen sollte man sparsam sein. Doch manchmal sind sie naheliegend.
Etwa dieser Tage, wenn die Syrer nach dem Fall des Assad-Regimes die Türen von Sednaya bei Damaskus aufbrechen und Beobachter sich an die Befreiung von Buchenwald erinnert fühlen. Sednaya war kein einfaches Gefängnis, sondern ein Ort, an dem Menschen verschwinden sollten.
Hier folterte und ermordete das Regime gezielt politische Gegner oder Menschen, die es dafür hielt. Auf der Suche nach Überlebenden dringen die Helfer immer tiefer vor, mit jedem weiteren Stockwerk, das sie finden, tut sich ein weiterer Kreis der Hölle auf. Die Überlebenden sind ausgemergelt, viele haben über die Jahre ihren Verstand verloren. Sednaya war kein überirdisches, mit Stacheldraht umzäuntes KZ, sondern eines, das sich in die Tiefe bohrte.
Das Assad-Regime war nicht gänzlich faschistisch, doch es ließ sich durchaus inspirieren – auch aus Deutschland. Die Vordenker des Baathismus, wie Michel Aflaq, standen dem Kommunismus näher, lehnten aber die marxistische Theorie des Klassenkampfes ab. Dagegen brachten die Baathisten eine panarabische Nation in Stellung, die die arabische Welt wieder zu alter Größe bringen würde, angeführt von einer revolutionären Herrschaftselite in einem Einparteiensystem.
Syrien und Alois Brunner
In Damaskus lebte jahrzehntelang ein älterer deutscher Herr mit blauen Augen, der sich Georg Fischer nannte. Fischer hieß in Wirklichkeit Alois Brunner und hatte unter den Nazis als hochrangiger Beamter im Sonderkommando der Sicherheitspolizei hunderttausende europäischer Juden in Vernichtungslager deportiert. Aus Damaskus lieferte Brunner später „Expertise“ über den Nahen Osten an den Bundesnachrichtendienst, der ihm im Gegenzug Geld schickte.
Auch dem syrischen Geheimdienst stellte Brunner seine Dienste zur Verfügung. So berichtete der irische Journalist Robert Fisk, der auf seine alten Tage die Giftgasverbrechen Baschar al-Assads leugnen sollte, Jahrzehnte vorher noch über die Verstrickungen Syriens mit Brunner. Fisk zufolge riet Brunner dem Geheimdienst Muchabarat in den 1960ern, Abhör-Equipment aus der DDR zu kaufen. Folterpraktiken gehörten ebenfalls zu Brunners Consulting-Portfolio. 1984 erwarb der Geheimdienst ein Instrument, das in Syrien nur als „deutscher Stuhl“ bekannt war. Das Opfer wurde darauf festgeschnallt und sein Rückgrat langsam gebrochen.
Berührungsängste mit selbsterklärten Faschisten hatte Baschar al-Assad nicht. 2005 nahm er die Syrische Soziale Nationalistische Partei (SSNP) in seine Koalition der „Nationalen Fortschrittsfront“ auf. Die SSNP bezieht sich im Gegensatz zur Baath-Partei direkt auf den Faschismus. Auf ihrer schwarzen Flagge sieht man einen weißen Kreis, worin, in leicht abgewandelter Form, ein rotes Hakenkreuz prangt. Als Assad ab 2011 sein eigenes Land in Blut ertränkte, kämpften SSNP-Einheiten der „Adler des Wirbelsturms“ an der Seite der Regimetruppen gegen die revolutionäre Opposition.
Deutsche Politiker, besonders aus der SPD, haben sich dennoch immer wieder mit Assad eingelassen. So gab Frank-Walter Steinmeier 2002 als Kanzleramtschef von Gerhard Schröder sein Einverständnis für eine Kooperation deutscher Sicherheitsbehörden mit den Folterknechten des syrischen Militärgeheimdienstes.
Vom Regime hofiert
Deutsche Firmen lieferten Überwachungstechnologie und Chemikalien, die zur Herstellung des Giftgases Sarin verwendet werden können – eine geächtete Waffe, die Assad später gegen die Zivilbevölkerung einsetzte. In den vergangenen Jahren reisten Politiker der AfD immer wieder nach Syrien und ließen sich dort vom Regime hofieren.
Deutschland sollte nicht nur bei KZ-Vergleichen aufhorchen, sondern genau hinschauen, wenn die Syrer die Folterverliese und die Aktenschränke in den Geheimdienstarchiven öffnen. Die Aufarbeitung wird lange dauern, doch sie wird mit Sicherheit neue Verstrickungen zwischen Assad und deutschen Behörden, Firmen, Parteien und Persönlichkeiten ans Tageslicht bringen. Wie gut, dass es heute so viele Deutschsyrer gibt, die uns daran erinnern können.
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