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Krieg in NahostEntführt aus dem Chalet

Die israelische Armee hat im Libanon bisher 2.968 Menschen getötet und mindestens eine Million vertrieben. Auch in Nordgaza gehen die Angriffe weiter.

Patroullieren nun auch in Batroun: Libanesische Soldaten in der Küstenstadt Foto: Mohamed Abd El Ghany/reuters

Berlin taz | Im libanesischen Dorf Khiam hatten Rettungshelfer am Sonntagmorgen noch Hoffnung: 21 Menschen waren unter Trümmern verschüttet, darunter Frauen und Kinder. Seit Montag hatte das Rote Kreuz versucht, die dort zerstörten Häuser zu erreichen. Doch israelisches Artilleriefeuer und Luftangriffe hatten laut lokalen Medien die Rettungsaktion verhindert. Am Sonntag schaffte das Rote Kreuz es endlich in das Grenzdorf im Südlibanon. Doch sie fanden nur noch Leichen. Fünf Tote wurden geborgen, der Tod der 21 Feldarbeiter bestätigt.

Durch israelische Angriffe wurden im Libanon bisher 2.968 Menschen getötet und mindestens eine Million vertrieben. Neun Dörfer im Süden und Osten haben „keinen Tropfen Wasser“ mehr, so das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef. Mindestens 29 Wasseranlagen, die sonst mehr als 360.000 Menschen versorgen, seien beschädigt. Reparaturteams fürchten, selbst zum Ziel von israelischen Angriffen zu werden.

In der nördlichen Küstenstadt Batroun kam in der Nacht auf Samstag eine israelische Kommandoeinheit der Marine über das Meer und nahm einen Mann aus einem Chalet am Meer gefangen. Libanesische Beamte identifizierten ihn als Imad Amhaz. Er wurde von den bewaffneten Soldaten aus dem Gebäude geholt und mit Schnellbooten entführt, so libanesische Medien.

Amhaz wird von der israelischen Armee als „Hisbollah-Agent“ bezeichnet. Die Hisbollah hat das nicht bestätigt. Der libanesische Ministerpräsident Najib Mikati verurteilte die Entführung und kündigte an, bei den Vereinten Nationen Beschwerde einzureichen.

Angriff auf das Spital Sheikh Radwan in Nordgaza

Auch in Gaza gehen die Angriffe des israelischen Militärs weiter. Von einem „tödlichen Wochenende voller Angriffe in Nordgaza“, sprach Unicef-Direktorin Catherine Russell am Samstag. „Allein in den letzten 48 Stunden wurden Berichten zufolge über 50 Kinder in Ja­balia getötet, wo Angriffe zwei Wohnhäuser dem Erdboden gleichmachten, in denen Hunderte von Menschen untergebracht waren.“

Durch israelische Angriffe wurden im Libanon bisher 2.968 Menschen getötet

Während einer Polio-Impfaktion in Nordgaza, in der Klinik Sheikh Radwan, traf ein israelischer Angriff am Samstag das Impfzentrum. Laut UN-Angaben wurden mindestens sechs Menschen verletzt, vier davon Kinder. Die Klinik sei getroffen worden, „als Eltern ihre Kinder zur lebensrettenden Polio-Impfung brachten, in einem Gebiet, in dem eine humanitäre Pause vereinbart worden war“, sagte der Leiter der Weltgesundheitsorganisation Tedros Adhanom Ghebreyesus am Sonntag. Der Angriff sei ein weiteres Beispiel für die wahllosen Angriffe auf Zivilist*innen.

In Gaza droht der Bevölkerung durch die israelische Kriegsführung weiter der Tod durch Hunger, Dehydrierung, Infektionskrankheiten, Wasserverschmutzung, Bomben und Folter. Fünfzehn humanitäre Organisationen, darunter UN-Hilfswerke, fordern Israel auf, die Angriffe auf Gaza und Hel­fe­r*in­nen einzustellen. „Krankenhäuser sind fast vollständig von der Versorgung abgeschnitten und weiteren Angriffen ausgesetzt“, schrieben die Organisationen am Freitag.

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5 Kommentare

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  • Es sollte erwähnt werden, dass sich angeblich die deutsche Marine, die an der UNIFIL-Mission beteiligt ist, bei der Entführung beteiligt hat. Berichten zufolge ermittelt die libanesische Regierung. Das wäre damit die zweite aktive Einmischung Deutschlands in den Libanon-Konflikt nach dem Abschuss einer Hezbollah-Drohne.

    • @maebi:

      Es ist gut, wenn Deutschland dazu beiträgt, dass mutmaßliche Terroristen der Gerichtsbarkeit zugeführt werden.

  • Also eine Verhaftung, kein Kidnapping?

    "The terrorist captured, Emad Fadel Amhaz, is a senior member of Hezbollah, according to Al-Hadath. Reports also stated that he is part of the Lebanese Navy. Amhaz was arrested to be questioned about Hezbollah’s naval operations, the official told Ravid."

    Immerhin gibt es den JPost Claim:

    "The operation was reportedly carried out in coordination with German naval forces operating as part of UNIFIL, Israeli media reported, citing claims by Lebanese officials."

    und UNIFIL bestätigt, dass sie an keinem Kidnapping teilgenommen haben.

    ""UNIFIL has no involvement in facilitating any kidnapping or any other violation of Lebanese sovereignty," a UN spokesperson was quoted by Saudi channel Asharq News. "

    Dass für einen Zivilisten so ein Aufwand betrieben wird ist unplausibel.

    • @ToSten23:

      Eine Verhaftung ist es wenn zum Beispiel ein internationaler Haftbefehl vorgelegen hätte oder zumindest ein israelischer. Dann hätte man aber in beiden Fällen die libanesische Regierung um die Verhaftung und eine Auslieferung bitten müssen. 1972 gab es die UN-Resolution 317 vom Sicherheitsrat wo man die Gefangenennahme von syrischen und libanesischen Militärpersonal und deren Überführung nach Israel auch als Kidnapping bezeichnet hat. Jetzt stellen sie sich mal vor jedes Land fängt an, Menschen die sie als Terroristen bezeichen von einem anderen Staatsgebiet in das ihre zu verschleppen. Hätten die Amerikaner also Julian Assange gewaltsam aus GB in die USA bringen können? Wenn man sowas beklatscht sollte man sich immer fragen wie es andersrum wäre. Nur weil ein demokratischer Staat sowas macht, ist es noch lange nicht richtig und v.a. verliert man die moralische Überlegenheit wenn dann ein Staat wie Iran das gleiche macht.