Repression in Pakistan: Paschtunenbewegung verboten
Die friedliche Paschtunenbewegung PTM fordert seit Jahren vom mächtigen Militär mutig Gerechtigkeit ein. Das greift stattdessen zum Antiterrorgesetz.
Die Polizei ging inzwischen sogar mit Tränengas und scharfer Munition gegen PTM-Aktivisten am Versammlungsort im Stammesgürtel vor. Vier wurden getötet, Dutzende verletzt.
PTM setzt sich für die Rechte der Paschtunen ein. Die sind mit einem Bevölkerungsanteil von knapp 20 Prozent und damit rund 45 Millionen Menschen die zweitgrößten Ethnie des Landes.
Als soziale Basisbewegung kritisiert PTM mutig die Unterdrückung ethnischer Minderheiten durch das mächtige Militär, das in Pakistan ein Staat im Staate ist. Immer wieder werden paschtunische Aktivisten wie auch die anderer Minderheiten wie etwa Belutschen von Militär und Polizei verschleppt, gefoltert und getötet. Dies wird nie juristisch aufgearbeitet.
Die Medien werden unter Druck gesetzt, nicht über PTM zu berichten. Die Bewegung fordert mit friedlichen Demonstrationen und Großkundgebungen eine Wahrheitskommission und ein Ende des Verschwindenlassens und von extralegalen Hinrichtungen.
Friedlich im Rahmen der Verfassung
Im Kontrast zu den terroristischen Taliban in Pakistan und Afghanistan, die sich auch aus beiden Seiten der Grenze lebenden Paschtunen rekrutieren, agiert PTM friedlich im Rahmen der Verfassung und mobilisiert stark über die sozialen Medien.
PTM sieht dabei die Paschtunen und sich selbst als Terroropfer wie auch als Opfer der Antiterrorgesetze. Die geben dem Militär weitreichende Befugnisse, wobei ihre Anwendung juristisch kaum überprüft werden kann.
Laut dem Anti-Terrorism-Act von 1997 bedarf es für Verbote von Organisationen wie jetzt von PTM keinerlei Beweise. Es reicht, wenn sie von den Sicherheitsorganen als terroristisch deklariert weren.
So begründete Informationsminister Attaullah Tarar das Verbot auch nur damit, dass PTM Beziehungen zu den pakistanischen Taliban wie zu ausländischen Geheimdiensten hätte, zu Gewalt und Hass aufstachele und „eine antipakistanische Rhetorik“ anwende und den Separatismus fördere. Beweise lieferte er nicht.
PTM weist die Vorwürfe zurück und betont seine Friedfertigkeit. Die unabhängige pakistanische Menschenrechtskommission nennt das PTM-Verbot eine „extreme Entscheidung“ und fordert wie auch Amnesty International deren Rücknahme. Die Menschenrechtsorganisation spricht von einem „Affront gegen das Recht auf Versammlungsfreiheit“.
Die zivilgesellschaftliche wie politische Bedeutung von PTM liegt in ihrer Herausforderung des Sicherheitsapparats und ihres Einsatz für marginalisierte Gemeinschaften, die sich für Demokratie, Gerechtigkeit und Menschenrechte einsetzen.
Einsatz einer Wahrheitskommission verlangt
Der erst 29-jährige PTM-Führer Manzoor Pashteen erklärte in Interviews, Militär und Regierung fühlten sich von PTM bedroht, „weil wir unsere Grundrechte auf Frieden in unseren Gebieten einfordern und vom Staat die Bildung einer Wahrheitskommission verlangen, um das Militär für sein brutales Vorgehen in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa und Belutschistan zur Rechenschaft zu ziehen.“
„Illegal und verfassungswidrig“ nennt die Menschenrechtsanwältin Iman Mazari das PTM-Verbot: „Eine Bewegung, die seit 2018 immer wieder ihre legitimen Rechte einfordert und nie in irgendeine Art von Gewalt verwickelt war, wird in dieselbe Kategorie wie viele terroristische Organisationen gestellt.“ So werde PTM zu gewaltsamen Aktionen gedrängt, um sich Gehör zu verschaffen.
Auch Samar Bilour von der oppositionellen liberalen Awami Nationalpartei kritisiert gegenüber der taz das Verbot der PTM. Sie lehnt aber auch PTMs Drohung mit einer Abspaltung paschtunischer Gebiete ab, sollten Paschtunenrechte weiter verletzt werden.
Während der britischen Kolonialzeit waren die paschtunischen Siedlungsgebiete 1893 durch die nach einem britischen Diplomaten benannte Durand-Linie getrennt worden. Seitdem leben Paschtunen beidseitig der kaum zu kontrollierenden 2.460 Kilometer langen pakistanisch-afghanischen Grenze.
Trotz Verbots und des Beschusses von Aktivisten will PTM die Jirga weiter abhalten.
Aus dem Englischen von Sven Hansen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen