piwik no script img

WissenschaftzeitvertragsgesetzMogelpaket für Forschende

Kommentar von Stella Lueneberg

Weil junge Forschende selten feste Stellen in der Wissenschaft bekommen, soll ein Gesetz nachgebessert werden. Doch die Reform geht nicht weit genug.

Erstsemester an der Uni in Köln. Auch ihre Zukunft als Forschende wird prekär bleiben Foto: Christoph Hardt/picture alliance

M ehr als achtzig Prozent der Angestellten im Wissenschaftsbetrieb hangeln sich von Vertrag zu Vertrag, von Jahr zu Jahr. Damit sind sie prekär beschäftigt, für sie ist der Wissenschaftsbetrieb weder attraktiv noch nachhaltig.

Kein Wunder, dass diese Befristungen von ihnen am häufigsten als Grund genannt werden, die Wissenschaft zu verlassen. Das will die Bundesregierung jetzt ändern, Arbeitsverträge in der Wissenschaft sollen sicherer werden, das sogenannte Wissenschaftzeitvertragsgesetz stand am Mittwochabend in den Beratungen im Bundestag auf der Tagesordnung.

Am wichtigsten dabei: bessere Aussichten auf entfristete Verträge. Davon profitieren nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Gesellschaft. Denn so kann die Wissenschaft ihre Fachkräfte besser halten. Momentan sind Postdocs maximal sechs Jahre befristet angestellt, danach werden sie oft gekündigt, nur die wenigsten werden entfristet. Somit katapultiert der Wissenschaftsbetrieb seinen Nachwuchs aus dem eigenen System, und meist zu einer Zeit, wenn sie gerade Fuß gefasst hatten.

An den Rausschmissen will die Reform aber leider nichts ändern. Stattdessen wurde sogar verschlimmbessert: Nach vier Jahren soll nun entschieden werden, ob jemand entfristet werden kann. Die Aussicht darauf bleibt so trüb wie zuvor.

taz.de mit neuem Layout

Hier sieht alles ungewohnt aus? Stimmt, seit Dienstag, 15.10.2024, hat die taz im Netz einen rundum erneuerten Auftritt. Damit stärken wir, was die taz seit Jahrzehnten auszeichnet: Themen setzen und laut sein. Alles zum Relaunch von taz.de, der Idee dahinter und der Umsetzung konkret lesen Sie hier.

Einen Mini-Fortschritt gibt es für studentische Hilfskräfte. Ihre Verträge sollen mindestens ein Jahr umfassen. FDP-Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger verteidigt derweil den Mythos, dass Befristungen Innovation steigern. Fluktuation und Selektion sorgten dafür, dass nur die Besten blieben – ein libertäres Dogma der FDP.

Um dem zu widersprechen, braucht es keine Moraldebatte. Der internationale Vergleich zeigt: Im Global Innovation Index von 2024 landet Deutschland nur auf dem neunten Platz. „In fast allen Fächern muss die Universität darum ringen, die Besten eines Jahrgangs an sich zu binden“, so der Deutsche Hochschulverband.

Der richtige Weg dafür sind Tarifverträge mit eigenen Regeln zur Befristung. Daher fordern SPD, Grüne und Gewerkschaften, Befristungen und Tarifsperren aufzuheben. Das sollte auch die FDP einsehen. Dann wäre eine Karriere in der Wissenschaft wieder attraktiver.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Arbeitet für das innenpolitische Ressort der taz. Studierte im Master "Politics, Economics and Philosophy" in Hamburg und in London. War Redakteurin beim ZEIT Studienführer. Schreibt für die taz besonders gerne über Proteste und Petitionen.
Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Als jemand, der selbst gerne in 2 ½ - 3 Jahren in die Wissenschaft will: schafft die 75%, 50% und weniger Stellen ab! Wer Vollzeit arbeitet sollte auch Vollzeit Lohn bekommen. Leider ist es immer noch die Regel, dass Promovierende mit derartigen Stellen abgespeist werden, weil sie ja zur Promotion eh keine andere Wahl haben. Bei uns Ingenieuren gibt es häufig noch (oder wieder?) 100% Stellen, aber diese Praxis muss ein Ende finden!

  • Als Alternative zur Uni-Laufbahn bieten sich auch wissenschaftliche Behörden an, wie z.B. Umweltbundesamt oder Bundesinstitut für Risikobewertung.

    Es gibt ziemlich viele Behörden und überall gehen jetzt die langsam die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand.

  • Tja, wenn es nicht besser wird, werden die jungen WissenschaftlerInnen weiterhin mit den Füßen abstimmen müssen.

  • Arbeitsverträge in der Wissenschaft sollen sicherer werden,....?



    ----



    Schon vor > 30 Jahren, als ich aus der UNI abhaute, war ein Job "als Freier mit Prognose".... sicherer, als DORT weiter "Bücklinge" zu machen! Habe den Wechsel bis Heute nicht bereut! :-)



    Ohne Vitamin-B, universitär, politisch, aus der Familie, usw. war da kein faires Fortkommen mit nur "fachlichen Qualifikationen!



    Und da gab es noch einen "Mittelbau", sprich, "Akademische RätInnen" usw., den es HEUTE nicht mehr gibt! :-(



    Da die UNI in der Zwischenzeit wenigstens bis zum BAC. zur "Berufsschule mutierte", es dafür weder Geld noch Stellen gab. ist die Möhre am Stock: "Kannst ja bei mir promovieren, vielleicht sogar nen priv.Doz. gar nen Ruf schaffen, langsam nur noch für "sehr Gläubige, aus der gleichen Schicht kommende" ein Anreiz!



    Btw. Ist wie überall! "Fachkräftemangel" & "Der Markt (Drittmittel) regelt das!" (Hausgemacht & auch gewollt) :-(



    Denn, freie Grundlagenforschung, ist "so teuer", dass die sich "wirklich nicht bezahlt" macht! :-((



    Angewandte Forschung, Kurzausbildung, usw. muss eine UNI bringen. Langfristig denken ist so was von gestern! Was sich nicht in kurzer Zeit "rentiert", braucht niemand :-(

  • "Davon profitieren nicht nur die Betroffenen, sondern auch die Gesellschaft. Denn so kann die Wissenschaft ihre Fachkräfte besser halten" Den Gewinn für die Gesellschaft sehe ich nicht. Was passiert denn mit den Leuten, die weggehen?



    Sie gehen in die Industrie, wo sie dringend gebraucht werden und dazu beitragen, dass Betriebe in Deutschland bleiben, Arbeitsplätze erhalten und Steuereinnahmen generieren (die unter anderem in die Wissenschaft zurück fließen). Oder sie gehen in den Schuldienst, wo man ebenfalls gute Leute braucht und die Wurzeln für die nächste Generation von Wissenschaftlern gelegt werden. Oder sie gehen an Institute ins Ausland, tragen so zum internationalen Austausch bei und von den Forschungsergebnissen profitieren wir trotzdem.



    Am Ende wird es nicht unbegrenzt mehr Stellen in der Forschung geben, das wäre nicht finanzierbar, vor allem werden die Leute ja wie oben erwähnt woanders auch gebraucht. Ohne Befristungen wird es einfach schwieriger werden, an Stellen zu kommen, weil die Stellen nichts schnell frei werden.

  • Ich (Informatiker) hatte jahrelang Zeitverträge als Hilfskraft und als Unimitarbeiter. Und ich kenne beide Seiten. Das Uni-Geld reicht nicht für alle. Also gibt es für fähige Lehrstühle Drittmittel, die in aller Regel befristet sind: 2 oder 3 Jahre. Da kann man sich entscheiden: entweder man nimmt die Stelle an, oder nicht. Aber dann soll man sich nicht beklagen, sondern eine unbefristete Stelle ausserhalb der Uni suchen.



    Wenn es außerhalb der Uni keine Stellen gibt, hat man das falsche studiert und muss sich umorientieren.



    Wohin die totale Unbefristung führt, habe ich sich anschaulich erlebt. Die GMD Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung hatte alle Mitarbeiter fest eingestellt und wurde dann abgewickelt, weil unreformierbar leistungsminimal bürokratisiert.

  • Nur mal so zur Einordnung: Nach sechs Jahren PostDoc, und ca. 4 Jahren Doktorandenzeit reden wir hier über 10 Jahre Berufserfahrung, mindestens!

    Es geht hier nicht um Nachwuchs im Sinne von Berufsanfängern. Hier wird ein ganzer Berufsstand ins Prekariat gedrängt. Das Wort Nachwuchswissenschaftler ist hier sehr fehlleitend.

    Das ist sowas wie Nachwuchsgroßeltern, wenn diese ihr erstes Enkelkind geschenkt bekommen.

    • @nanymouso:

      Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand, der in einem MINT-Fach promoviert und 10 Jahre in der Wissenschaft gearbeitet hat, nicht einen vernünftig bezahlten Job in der Wirtschaft bekommt. Und mit ein bisschen Flexibilität gilt das auch für Geisteswissenschaftler. Anders als bei großen Lay-offs in der Industrie weiß man ja hier auch vorher Bescheid, dass man wahrscheinlich irgendwann nochmal die Stelle wechseln muss.