„Das Gesetz treibt ein paar komische Blüten“

Jurist Thomas Steur erklärt, warum das Cannabis­gesetz gut ist – und trotzdem seine Mängel hat

Interview Philipp Brandstädter

taz: Herr Steur, sind wir mit der Teillegalisierung von Cannabis auf dem Weg zu einer vernünftigen Drogenpolitik?

Thomas Steur: Ja, ich habe immerhin keine Kleinvergehen mehr auf dem Tisch. Früher war ich wöchentlich mit Ermittlungsverfahren wegen überschaubarer Mengen Cannabis beschäftigt. In Bayern konnte es passieren, dass schon Mengen ab 0,3 Gramm verfolgt und saftig bestraft wurden. Das ist vorbei. Jetzt sind nur noch alte Fälle aufzuarbeiten, die nicht länger strafbar sind und eingestellt werden. Insgesamt sind die Betäubungsmitteldelikte viel weniger geworden. Auch bezüglich anderer Substanzen konnte ich keinen Anstieg beobachten.

taz: Heißt das, das Cannabisgesetz wirkt?

Thomas Steur: Es ist ein Schritt in die richtige Richtung. Der Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis sind nun einigermaßen geregelt. Trotzdem ist das Gesetz noch ein Wortsalat mit vielen Grauzonen. Die Sprache ist so kompliziert, dass selbst Juristen kaum verstehen, was nun erlaubt ist und was nicht. Bei aller Kritik darf man aber nicht vergessen, wie schwer solche Formulierungen sind, um alle zufriedenzustellen und auch den EU-Richtlinien gerecht zu werden. Wenn man so eine Sache detailliert regeln will, dann entstehen eben Gesetzesmonster, die auch mal am Ziel vorbeigehen können. Das Ziel ist, den Schwarzmarkt versiegen zu lassen und den kontrollierten Umgang mit Cannabis zu ermöglichen. Das funktioniert jedoch noch nicht ganz.

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Thomas Steur, 34, ist Fachanwalt für Strafrecht mit Schwerpunkt im Betäubungsmittelbereich. Er lebt und arbeitet in Würzburg.

taz: Wie kann man das Gesetz praktikabler machen?

Thomas Steur: Noch treibt das Gesetz ein paar komische Blüten. Es ist nicht ganz klar, wo man in der Öffentlichkeit konsumieren darf. Nicht gerade sinnvoll ist auch das Verbot der Abgabe von Cannabis. Denn dadurch macht sich jede Gruppe strafbar, die einen Joint kreisen lässt. Es ist lebensfremd zu glauben, dass alle zu Hause und alleine konsumieren. Auch die Regelung für den Anbau ist zu umständlich. Jeder darf drei Pflanzen besitzen, jedoch müssen diese strikt voneinander getrennt gehalten werden, am besten in einem abgeschlossenen Raum. Das bedeutet: Ich und meine Frau dürften zwar jeweils drei Pflanzen halten. Jedoch dürfte meine Frau ihre Pflanzen nicht zu meinen stellen oder meine Pflanzen gießen. Der Mitbesitz und Zugriff durch andere ist juristisch problematisch.

taz: Seit Juli können Cannabisclubs lizenziert werden, um gemeinschaftlich anzubauen. Klappt das?

Den Ernteüberschuss bloß nicht verschenken oder verkaufen, rät Fachanwalt Thomas Steur Foto: Piotr Pietrus

Thomas Steur: Das ist das größte Problem bisher. Die Gründung von Anbauvereinigungen muss erleichtert werden. Für sie gibt es noch immense Hürden. Daher gibt es bislang nur eine Handvoll Clubs. Doch je weniger es von ihnen gibt, desto größer bleibt der Schwarzmarkt. Anfangs gab es noch viele Interessenten. Ich habe sie beraten und Satzungen für Vereine erstellt. Doch die meisten Leute sind inzwischen wieder abgesprungen. Es ist zu kompliziert, die Erlaubnis von einer Behörde zu erhalten. Außerdem laufen die Gründer Gefahr, sich bei einem Fehler strafbar zu machen, etwa bei den Sicherungsmaßnahmen oder dem Jugendschutz. Und da die Clubs keinen Profit machen dürfen, sehen die meisten Leute davon ab, dort zu investieren.

taz: Also bleibt bis auf Weiteres der Anbau zu Hause. Worauf müssen die Hob­by­gärt­ne­r:in­nen achten?

Thomas Steur: Man sollte keine Schlupflöcher suchen und sich an die Vorgaben halten. Also: Wirklich nur drei Pflanzen pro Person! Am besten in einem abgeschlossenen Raum, damit niemand sonst Zugang hat. Oder im eigenen Garten und nicht in der Kleingartenanlage. Man sollte darauf achten, die Nachbarn nicht mit dem Geruch der Pflanzen oder dem Licht zu belästigen. Und wer schließlich über 50 Gramm Trockengewicht erntet, sollte den Überschuss vernichten und keinesfalls verschenken oder gar verkaufen.