piwik no script img

Die „Zeit“ und der Fall SchlesingerAch, da war nix

Die „Zeit“ bemüht sich um die Rehabilitation der Ex-RBB-Intendantin Patricia Schlesinger. Noch vor Abschluss der Ermittlungen vermutet sie Unschuld.

War da was? Die ehemalige RBB-Intendantin Patricia Schlesinger Foto: Britta Pedersen/picture alliance

M anche Kol­le­g*in­nen von der Zeit haben ja ein spezielles Verhältnis zu Patricia Schlesinger. Aktuell bemühen sich Stephan Lebert und Thomas E. Schmidt ellenlang um die Rehabilitation der ehemaligen Intendantin, die wegen des RBB-Skandals gehen musste. Lebert ist Redakteur im Zeit-Ressort „Verbrechen“ und hat noch vor Abschluss der Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft die ganz große Unschuldsvermutung. Da war nix. Ach, so ist das. Diese Formulierung merken wir uns für diesen Beitrag.

Wirklich so gar nichts? Paar Kleinigkeiten vielleicht, geben die Autoren zu. Ganz weltfremd sind Leber und Schmidt ja nicht. Aber nichts von wirklichem Belang. Aus dem Privattrip, den Schlesinger samt Ehemann und Freunden zu einem Wohltätigkeitsball in die City of London 2021 unternahm und den RBB zahlen ließ, wird so „eine ungenau abgerechnete Reise nach London“.

Aber sonst war da nix. Über die offenen Fragen, in welchem Verhältnis der Immobilienunternehmer und RBB-Verwaltungsratschef Wolf-Dieter Wolf zu den Beratern stand, die der RBB zur Planung seines Digitalen Medienhauses (DMH) beauftragte, findet sich kein Wort. Dass die noch vorm ersten Spatenstich explodierenden Kosten für das DMH höchst real fast zur Pleite des RBB geführt haben, kann auch nicht stimmen.

„Das DMH hätte den RBB technisch reformiert und möglicherweise schon nach wenigen Jahren seinen Haushalt entlastet. Mit Studiotechnik hätte das DMH wohl 160 Millionen Euro gekostet“, weiß das Blatt. Dass im Untersuchungsbericht des Brandenburger Landtags von 310,6 Millionen die Rede ist, kommt nicht vor.

Natürlich ist Springer schuld

An allem ist natürlich Springer schuld, denn zu diesem Reich des Bösen gebe es bis heute „diese direkte ‚Standleitung‘ aus dem RBB“, wie im Zeit-Text ein nicht genanntes Mitglied des aktuellen Verwaltungsrats klagt. Ja, Springer war bei der Berichterstattung mit seinem Businessinsider vorn mit dabei. Dass all das Kampagne war, wie jetzt die Zeit suggeriert, hatte schon Patricia Schlesinger behauptet. Aber was ist mit den Fakten?

Ach so, da war nix.

Und schuld sind, klar, die RBB-Mitarbeitenden. Die hätten eine „ganz eigene Rolle“ gespielt, weil sie den „zu erwartenden Stellenabbau im Zuge der Digitalisierung“ fürchteten und ihr piefig-überbesetztes Biotop retten wollten. Die Belegschaft hätte sich „im Sommer 2022 […] sogar als treibende Kraft“ erwiesen. „Es gelang ihr, die Geschäftsführung anzuprangern, während sie ihre Interessen erfolgreich wahrte.“

Genau, Millionensparkurs im Programm, Entlassung freier Mitarbeiter*innen, alles voll im Interesse einer Belegschaft, die nur von der Pause bis in die Kantine denkt. Sonst war da nix! Liebe Zeit, warum gibst du dich für so einen Stuss her? Aber vielleicht heuert Schlesinger ja bald bei euch an. Chefredakteur Giovanni di Lorenzo hat ja gerade die 65 vollgemacht. Und dann gnade uns die Göttin!

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • Na ja , mit dem Ton komme ich eigentlich sonst nicht zurecht. Um Missverständnisse auszuräumen : Die "Wiedereingliederung in das Sozial- und Arbeitsleben" ist "kein Sekundärziel". Das war früher, zu Zeiten der defizitorientierten Rehabilitation so. Das Recht auf Teilhabe ist als primäres Ziel zu verwirklichen. Deswegen lautet § 1 im SGB IX : Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft .

  • Giovanni hat seinen Vertrag gerade verlängert.

  • "...bemüht sich um die Rehabilitation der Ex-RBB-Intendantin... "



    Die Wiedereinsetzung in frühere Rechte nach erlittenem Unrecht heißt "Rehabilitierung".



    "Rehabilitation" ist die medizinische Bedeutung.



    Journalismus, Privat oder ÖRR bedeutet, dass Wichtiges dargestellt wird. Denn die Aufmerksamkeit des Lesers/Hörers/Sehers ist etwas einmalig kostbares in dessen Leben.

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Schonn! Gelächter too! But



      Unter Rehabilitation versteht man in der Medizin die Wiederherstellung der physischen und/oder psychischen Fähigkeiten eines Patienten im Anschluss an eine Erkrankung, ein Trauma oder eine Operation. Als Sekundärziel soll eine Wiedereingliederung in das Sozial- und Arbeitsleben erreicht werden.“



      Nachsichtig - paschd scho - wa? - 🙀🥳🧐



      & mein sidekick weist gern drauf hin -



      “Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!“



      Nicht jeder hat ne halb-humoristische



      Halbbildung! Wollnich 🐻ig



      (alt-gr. nur ein Jahr!;)) „Jung! Wechsel den Zug! Das hat keinen Zweck!“



      De Ohl nachner 1/4 Std!;)) I do!

      • @Lowandorder:

        Na ja , mit dem Ton komme ich eigentlich sonst nicht zurecht. Um Missverständnisse auszuräumen : Die "Wiedereingliederung in das Sozial- und Arbeitsleben" ist "kein Sekundärziel". Das war früher, zu Zeiten der defizitorientierten Rehabilitation so. Das Recht auf Teilhabe ist als primäres Ziel zu verwirklichen. Deswegen lautet § 1 im SGB IX : Selbstbestimmung und Teilhabe am Leben in der Gesellschaft

        • @Hans - Friedrich Bär:

          Mit Verlaub - wer wär ich denn¿ - hier etwa zu belehren. Mein‘s ist doch eher:



          “Das Wort Ironie kommt aus dem Altgriechischem und bedeutet Verstellung, geheuchelte Unwissenheit. Ironie zählt zu den Stilmitteln und wird genutzt, um Gesprochenes oder Geschriebenes wirkungsvoll zu gestalten. Hierzu wird das Gegenteilige von dem gesagt, was tatsächlich gemeint ist.“ mE etwas eng geführt - fürs Netz 🕸️ soll‘s aber mal reichen! Gelle un - liggers



          Scheunen Südach ook -

  • 6G
    611245 (Profil gelöscht)

    Das verstehe wer will. Kann man höchstens als Solidarität innerhalb der Upperclass abhaken. Zahlt schlicht auf das Konto der „Staatsfunk“ Kritiker ein.



    „Die da oben halten zusammen“.

    Wenn man überhaupt eine Chance haben möchte, den ÖRR zu retten, müssen Schlesingers möglichst schon enttarnt werden, bevor es zu solchen Exzessen kommt. Und das geht nur durch die Belegschaft. Whistleblowing.



    Die sind nämlich die Leidtragenden, Schlesingers gehen mit nem goldenen Fallschirm von Bord.

  • Ja wie? Die Spießbürgerliche Fischeinwickelgazette - post meiner Jugend?!



    Vor sich hin dümpelnd! Newahr

    “ Aber vielleicht heuert Schlesinger ja bald bei euch an.



    Chefredakteur Giovanni di Lorenzo hat ja gerade die 65 vollgemacht. Und dann gnade uns die Göttin!“

    Na klar. Das pascht scho! Gellewelle&Wollnichtwoll



    Dieser Journaille‘ista-Verschnitt - glaubte ja auch!



    Im Ernst!!! Er dürfe - zweimal - in Worten 2x - wählen!



    Und berühmte sich noch dieserhalb blindfischig dieserhalb •



    Ach ja - da war ja nix!



    Normal.

    kurz - Flaschenpost zu Flaschenlager! - 🙀🥳🧌 -

    Na Mahlzeit

  • "Noch vor Abschluss der Ermittlungen vermutet sie Unschuld". Auch nach längerem Nachdenken fällt mir nicht ein, wieso man der Zeit das zum Vorwurf machen will. Dass nicht nur bis zum Abschluss der Ermittlungen, sondern bis zum rechtskräftigen Urteil die Unschuld vermutet wird, ist eine Selbstverständlichkeit. Ob die Zeit einseitig zugunsten von Frau Schlesinger berichtet und ob man das gut findet, steht auf einem anderen Blatt. Warten wir halt ab, was am Ende herauskommt.