Neue Rechtsform für Unternehmen: Profite einzig für die Firma
Eine neue Rechtsform soll verhindern, dass Einzelne aus Unternehmen beliebig Geld abziehen können. Streit gibt es aber noch um das Wie.
Berlin taz | Unternehmer demonstrieren eher selten. An diesem Dienstag ist in Berlin damit aber zu rechnen: Chefinnen und Chefs kleiner und größerer Firmen sollen um den Bundestag auf die Straße gehen, um für eine Gesetzesreform zu plädieren. Es geht darum, eine neue Rechtsform einzuführen, die den Firmen zugutekommen könnte – die sogenannte Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV).
Organisiert hat das die Stiftung Verantwortungseigentum, die Dutzende Unternehmen als Mitglieder führt, etwa die BMW-Stiftung, die Globus Holding (Baumärkte), Ecosia (Suchmaschine), die GLS-Bank und Weleda (Kosmetik).
Seit Jahren arbeitet sie daran, eine neue Form der Kapitalgesellschaft zu etablieren, die die jeweilige Firma vor Ausverkauf und Ausplünderung schützen soll. Die Gewinne müssten komplett im Betrieb bleiben. Die Gesellschafter dürften sich nicht persönlich bereichern und die Firma nicht an spekulative Investoren verkaufen.
Aus Sicht der Stiftung könnte das auch ein Beitrag zur Lösung des Nachfolgeproblems im Mittelstand sein. Denn tausende kleinere und größere Betriebe stehen vor der Herausforderung, dass die Gründer, ihre Nachfahren oder Erben die Geschäfte nicht selbst weiterführen können, sie jedoch auch nicht auf Gedeih und Verderb an externe Investoren veräußern wollen. Gäbe es die neue Gesellschaft mit gebundenem Vermögen, könnte man in solchen Fällen externe Geschäftsführer hereinholen, die allerdings nur beschränkten Zugriff auf das Betriebskapital hätten.
Buschmanns Eckpunkte
Nachdem die Idee 2021 bereits Eingang in den Koalitionsvertrag der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP fand, lädt die Stiftung an diesem Dienstag auch zu einer Veranstaltung in den Bundestag. Wichtigster Punkt: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) wird wohl Eckpunkte eines Gesetzentwurfes präsentieren.
Kürzlich war bereits bekannt geworden, dass Buschmann sich ein Kernelement der Forderungen zu eigen machen will: Die Gesellschafter der neuen, „thesaurierenden Kapitalgesellschaft“ sollen „weder offen noch verdeckt Gewinne entnehmen oder ausschütten und dies auch nicht über eine Änderung des Gesellschaftsvertrags aufheben können“.
Darüber hinaus scheinen aber erhebliche Differenzen zu bestehen zwischen den Vorstellungen des Ministers und denen der Stiftung. Buschmann will erstens wohl keine eigene, dann neue Rechtsform ins Leben rufen, sondern die Konstruktion möglichst nah an der existierenden Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ansiedeln. Zweitens enthalten die Eckpunkte anscheinend die Regelung, dass die Vermögensbindung nur in Deutschland gilt und bei einer Verlagerung der jeweiligen Firma in ein anderes EU-Land wegfällt.
Beides stößt auf Kritik der Stiftung und ist wohl auch nicht im Sinne der Ampel-Fraktionen. Deren Abgeordnete Katharina Beck (Grüne), Otto Fricke (FDP) und Esra Limbacher (SPD) haben eine Gruppe von Juristinnen und Juristen bereits damit beauftragt, einen eigenen Gesetzentwurf zu formulieren. Die Beteiligten sprechen sich dafür aus, eine neue Rechtsform – eben die GmgV – zu schaffen, weil dies einfacher sei, als an die traditionelle GmbH anzudocken. Außerdem sehen sie kein Problem darin, die Vermögensbindung in Einklang mit EU-Recht zu bringen.
Leser*innenkommentare
warum_denkt_keiner_nach?
„weder offen noch verdeckt Gewinne entnehmen oder ausschütten und dies auch nicht über eine Änderung des Gesellschaftsvertrags aufheben können“
Und wer soll Geld in eine solche Gesellschaft investieren? Investitionen sollen doch Gewinne abwerfen. So klingt es für mich wie eine Schenkung. Das Geld ist weg und es kommt auch nichts zurück.
Frauke Z
Es gibt schon jetzt nicht wenige Unternehmen, die entsprechend gegen Zugriffe von außen abgesichert sind; meist in Form einer Stiftung.
Das hat offensichtliche Vor- und Nachteile:
Der Vorteil ist, das Unternehmen muss nicht jeden Firlefanz mitmachen, den sich ein Investor oder eine Analystin ausdenkt.
Der Nachteil: Wenn das Unternehmen schlecht läuft, schreit niemand auf - jedenfalls nicht mit der Machtposition eines Teilhabers. Das kann dann länger so weitergehen, ohne dass der Vorstand reagiert. Und pleite gehen kann ein Stiftungsunternehmen dennoch ...
Eine neue Rechtsform ist sinnvoll, denn Stiftungen sind kompliziert und Ländersache, d.h. es gibt das juristische Randthema auch noch in 16facher Ausführung (!!).
Vorteil der Stiftungen war allerdings, dass z,T. ein Teil des Gewinns an einen gemeinnützigen Zweck ging. Das ist hier wohl nicht vorgesehen.
Ein Kapitalschutz, der an den Staatsgrenze endet, ist natürlich nichts wert. Das wäre dann wieder eines der Gesetze, die man sich besser sparen sollte ...
Kriebs
"Die Gesellschafter der neuen, „thesaurierenden Kapitalgesellschaft“ sollen „weder offen noch verdeckt Gewinne entnehmen oder ausschütten und dies auch nicht über eine Änderung des Gesellschaftsvertrags aufheben können“."
Wie das gehen soll, ist mir ehrlicherweise schleierhaft. Die Errichtung und Auflösung einer Gesellschaft ist das Recht der Gesellschafter. Damit würde die Gesellschaft von ihren Gesellschaftern quasi entkoppelt und stünde vollständig für sich.
Kann man machen, ist aber mit dem derzeitigen Gesellschaftsrecht eher unvereinbar.
Janix
Zwei Gründe:
1) Der Patriarch traut seinen Kindern nicht/ die Firma ist sein Lieblingskind. Das ist kein Punkt für den Staat.
2) Man will verhindern, dass eine Firma staatliche Zuschüsse o.ä. aussaugt und an die Aktionäre durchreicht, danach eine 'kluge' Insolvenz hinzaubert. Vgl. auch Gemeinwohlökonomie. Das verstehe ich eher.
Das Risiko ist evtl. eine Kapitalbindung oder Überinvestition bei unsinnigen Bereichen - wird das Unternehmen sich gewandelt bekommen? Und wenn das mit dem Umzug nach Molwanien entfällt, wäre es zu leicht zu umgehen.
Zeit und Raum
wie soll das dann mit der haftung sein?
bisher konnten zb bei umweltschäden die entscheider mit ihren boni nach hause gehen, gezahlt die firma oder niemand.
Ciro
Ein großer Vorteil könnte sein, dass dann staatliche Zuschüsse und Entlastungen investiert werden und nicht in Ausschüttungen fließen.
FriedrichHecker
@Ciro Ein großer Nachteil könnte sein, dass nur Unternehmen diese Rechtsform wählen, bei denen "staatliche Zuschüsse und Entlastungen" eher den Charakter von Almosen haben.
Und den Optimismus bezüglich der Lösung für den - insbesondere handwerklichen - Mittelstand teile ich auch nur begrenzt. Bei einer Stiftung von Unternehmen mit angestellten Managern mit festem Salär kann man offenbar nicht einschätzen, wieviel der sich zumindest phasenweise selbstausbeutende Handwerksmeister zu Liquidität und wirtschaftlichen Erfolg beitragen kann. Vorfinanzierung von Material und Mitarbeiterlöhnen bis zur Bezahlung durch den Kunden bei teilweise schwankenden Auftragsvolumen oder -laufzeiten passen nicht immer zu einem regelmäßigen Geschäftsführergehalt.
Aber "Mittelstand" kann ja heutzutage auch ein leitender Angestellter sein, der mehr Gehalt bekommt als ein Handwerksmeister Einnahmen vor Bezahlung von Löhnen und Material hat...