Nur bedingt freiheitsliebend

Als Maßnahme gegen Islamismus: Die Bremer FDP-Bürgerschaftsfraktion fordert ein Demonstrationsverbot für alle, die keinen EU-Pass besitzen. Dabei ist das rechtswidrig

Soll es nach Ansicht der Bremer FDP-Fraktion nicht mehr geben: islamistische Demonstration in Hamburg Foto: Axel Heimken/dpa

Von Luisa Gohlke

Wer keinen EU-Pass besitzt, soll sich in Bremen nach Ansicht der FDP-Bürgerschaftsfraktion nicht mehr zu Demonstrationen versammeln dürfen. So steht es jedenfalls in einer am Montag veröffentlichen Liste, in der die Fraktion ihre Forderungen gegen Islamismus zusammengetragen hat. Die FDP habe sich in der Debatte über den Umgang mit islamistischen Einstellungen mit dieser Forderung „vorgewagt“, so der Fraktionssprecher für Inneres und Justiz, Marcel Schröder, um einer „Unterwanderung von Demonstrationen durch feindliche ausländische Kräfte“ zu begegnen, die die FDP offenbar befürchtet. Während sich andere Fraktionen über die Forderung empören, schätzen juristische ­Ex­per­t*in­nen die Forderung als ohnehin unzulässig ein.

Insgesamt 17 Forderungen stellt die Bremer FDP-Fraktion in ihrem Positionspapier auf. Darunter befindet sich etwa auch, dass die Sicherheitsbehörden mehr Geld erhalten und die demokratische Bildung ausgebaut werden soll – Forderungen also, die von der FDP schon früher erhoben wurden. Jedoch: Auch die Forderung nach einem Demonstrationsverbot ist in der FDP nicht gänzlich neu. So hatte die frühere FDP-Bundesjustizministerin und heutige nordrhein-westfälische Antisemitismus-Beauftragte, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, selbiges zur Debatte gestellt.

Während Leutheusser-Schnarrenberger nach lauter Kritik an ihrem Vorstoß zurückruderte, steht die Bremer FDP-Fraktion zur Forderung. „Erst die Integration, dann das politische Engagement“, begründet Schröder das Verbot. Schließlich würden Demonstrationen die politische Debatte prägen – diese soll also nicht durch Nicht-EU-Bürger*innen beeinflusst werden. Angesichts islamistischer Demonstrationen samt den Rufen nach der Errichtung eines Kalifats, wie etwa in Hamburg vor einigen Monaten, müsse der Staat schon vor den eigentlichen Straftaten auf einer Demonstration tätig werden – und entsprechend Nicht-EU-Bürger*innen nicht zu Demonstrationen zulassen. „Es geht darum, uns für Freiheit und Demokratie einzusetzen“, erklärt Schröder.

Irritation und Empörung auf diesen Vorstoß äußerten umgehend Linke, Grüne und SPD, die ihn als „illiberal“ und „populistisch“ bezeichneten. Aber auch aus Sicht von juristischen Ex­per­t*in­nen ist die Forderung nicht zulässig. So ist die Versammlungsfreiheit nach dem Grundgesetz zwar ein Recht für deutsche Staatsbürger*innen, gilt aber nach EU-Recht und nach der Europäischen Menschenrechtskonvention für alle – unabhängig des Passes, betont Nele Austermann, Juristin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel. Folglich verstoße die Forderung gegen die Menschenrechtskonvention.

Zwar ist die Versammlungs-freiheit nach dem Grundgesetz ein Recht für deutsche Staatsbürger*innen, gilt aber nach EU-Recht und Europäischer Menschenrechts-konvention für alle

Hinzu kommt: Die Bremer Landesverfassung erweitert das Versammlungsrecht um den Aspekt des Wohnens. So heißt es in Artikel 16, dass das Recht, sich friedlich und unbewaffnet zu versammeln, „allen Bewohnern der Freien Hansestadt Bremen“ zusteht. Menschen ohne deutschen oder EU-Pass, die aber in Bremen wohnen, können sich laut Austermann also auf die Landesverfassung beziehen. Die Forderung der FDP nach einem entsprechend geänderten Landesversammlungsgesetz wäre also rechtswidrig, weil es gegen die Landesverfassung verstoßen würde.

Die Rechtswidrigkeit ihrer Forderung sieht die Bremer FDP-Fraktion allerdings nicht, ist sich aber anscheinend der praktischen Probleme ihrer Forderung bewusst. „Natürlich kann es bei Demonstrationen keinen Einlass mit Ausweiskontrolle wie bei einem Festival geben“, sagt Schröder. Das Verbot würde eher allgemein gelten und solle vor allem der Polizei und dem Ordnungsamt beim Umgang mit islamistischen De­mons­tran­t*in­nen helfen. „Das wird sich aber in der Umsetzung natürlich nicht in jedem Fall zu 100 Prozent kontrollieren lassen“, sagt Schröder.