Forschung im Auftrag der Homöopathie

Ein Professor der Uni Oldenburg nutzt seine Stelle seit Jahren dazu, der Homöopathie einen wissenschaftlichen Anstrich zu verpassen. Die Uni sieht darin kein Problem

Behälter mit „Urtinktur“: Die hat sich auch der Oldenburger Professor ganz genau angeschaut Foto: Rolf Haid/dpa

Von Aljoscha Hoepfner

Der Titel des Forschungsprojekts an der Universität Oldenburg ist unspektakulär: „Mikrobiologische Untersuchung des Reifungsprozesses von Urtinkturen“. Der Geldgeber und das Wort „Urtinktur“ machen aber stutzig.

Das von 2016 bis 2023 laufende Projekt hat das Mikrobiom verschiedener Arzneipflanzen untersucht, die zur Herstellung von „Urtinkturen“ verwendet werden. Das sind die unverdünnten Ausgangsstoffe homöopathischer Heilmittel. Finanziert und maßgeblich kontrolliert hat das Projekt das Homöopathie-Unternehmen Wala.

Mit Wissenschaft hat Homöopathie wenig zu tun. Durch die extreme Verdünnung ist in den Präparaten oft kein einziges Molekül des Wirkstoffs mehr vorhanden. Es gibt keinen Beleg für die Wirksamkeit der Homöopathie und immer wieder werden Fälle bekannt, in denen die Einnahme homöopathischer Mittel anstelle wirksamer Medikamente zu höchstwahrscheinlich vermeidbaren oder vorzeitigen Toden führt. Laut Deutschem Ärztetag ist die Homöopathie in der Regel nicht mit rationaler Medizin und ärztlicher Ethik vereinbar. Warum forscht eine staatliche Universität dann an „Urtinkturen“?

Verantwortlich ist der Meeresbiologe Meinhard Simon, ehemaliger Dekan der naturwissenschaftlichen Fakultät. Seit 2020 ist er Mitglied der Kommission für gute wissenschaftliche Praxis der Universität und damit für die Einhaltung wissenschaftlicher Standards verantwortlich. Davor war er zehn Jahre lang Vorsitzender der Ethikkommission.

Auf Anfrage erklärt er, dass aktuelle Studien die Wirksamkeit der Homöopathie sehr wohl belegen würden. Publikationen und Presseartikel, die anderes besagen, seien „einseitig“ und „tendenziös“.

Seit Jahren nutzt er seine Stelle dazu, der Homöopathie einen wissenschaftlichen Anstrich zu verpassen. Er ist Co-Autor von mehreren Studien zu dem Thema, unterstützt von homöopathischen Unternehmen und Lobbyorganisationen. Wenn er und Kolleg*innen, trotz Finanzierung durch die Homöopathie-Industrie, keinen Effekt nachweisen können, machen sie, wie in einer Studie von 2011, einfach das Studiendesign für den Fehlschlag verantwortlich und bleiben entgegen ihrer eigenen Daten auf der Linie der Geldgeber. Simon und Kollegen gehen von „Kraft-ähnlichen (immateriellen) Resonanzeffekten“ der Homöopathie aus. Mit anderen Worten: Magie.

Wala hat in der Vergangenheit einen Lobbyisten finanziert, der Wis­sen­schaft­le­r*in­nen und Journalist*innen, die sich kritisch zur Homöopathie geäußert und vor ihren Risiken gewarnt haben, öffentlich angeprangert hat. Darunter war auch der Experte für Alternativmedizin, Edzard Ernst. Ernst sagt zur Zusammenarbeit der Universität mit Wala: „Ich sehe das eher kritisch, insbesondere wenn es sich um eine Firma handelt, deren Werbung die Kunden in die Irre führt.“

Meinhard Simon bezeichnet Fragen zu ethischen Aspekten der Zusammenarbeit mit Wala als „sinnlos“

„Als Grundlagenforscher in der Mikrobiologie halte ich Kooperationsprojekte mit einem Unternehmen wie Wala nicht nur für medizinethisch vertretbar, sondern für wichtig und zeitgemäß“, erklärt ­Simon. Er ist selbst Mitglied einer Lobby­gruppe für Alternativmedizin, die Teil der Wala-nahen „Stiftung Integrative Medizin & Pharmazie“ ist. Sie setzt sich unter anderem für die Behandlung von Krebs mit Misteln ein.

Meinhard Simon bezeichnet Fragen zu ethischen Aspekten der Zusammenarbeit mit Wala als „sinnlos“, auch weil das Projekt nichts mit Homöopathie zu tun habe. Tatsächlich wurde in dem Projekt aber nach Vorgaben des Homöopathischen Arzneibuchs gearbeitet, so steht es auch in der Studie.

Auf Anfrage erklärt die Universität Oldenburg, dass sie keinen Anlass sieht, Simons Forschung als negativ zu bewerten und verweist auf seinen guten Ruf. Fragen zu den zweifelhaften Methoden von Wala oder wie sich Simons lockeres Verhältnis zur Wissenschaft mit seiner Rolle als Wächter über Wissenschaftlichkeit und Ethik vereinbaren lassen, beantwortet sie nicht.