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10 Jahre Alternativer Mieterschutzbund„Es wird schlimmer“

Vor 10 Jahren wurde der alternative Mieterverein AMV gegründet. Von den landeseigenen Wohnungsunternehmen hält Mitgründer Marcel Eupen wenig.

Siedlung Heerstraße Nord in Spandau: Seit 2019 in Landeshand, aber weiterhin problembehaftet Foto: Imago/Schöning
Interview von Yannic Walther

taz: Herr Eupen, am 27. September 2014, vor genau zehn Jahren, haben Sie den Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbund (AMV) gegründet. Wie waren die vergangenen zehn Jahre für Mieter in Berlin?

Marcel Eupen: Jahre, in denen sich die Situation extrem verschärft hat. Die Kaltmieten sind extrem angestiegen, und inzwischen kann man die Betriebs- und Heizkosten teilweise nicht mehr als zweite Miete bezeichnen, weil sie mitunter höher ausfallen als die Kaltmiete.

taz: Auch in den westlichen Außenbezirken, wo Sie vor allem Mieter vertreten?

Eupen: Die Gentrifizierung hat Menschen aus der Innenstadt in die Randbezirke verdrängt. Wir sind jetzt an einem Punkt, an dem eine weitere Verdrängung innerhalb Berlins kaum noch möglich ist. Sie können ja nicht einem Menschen, der sein Leben in Spandau verbracht hat, sagen: Ziehen Sie mal nach Marzahn-Hellersdorf, weil es dort unter Umständen noch eine preiswerte Wohnung gibt.

taz: Warum haben Sie 2014 den AMV gegründet?

Eupen: Ich habe damals im Falkenhagener Feld in Spandau einen Bedarf für die Mieterberatung gesehen. Damals hat die Siedlung noch zur Deutsche Wohnen gehört. Mit dem AMV konnten wir den Mietern, die Probleme hatten, kurze Wege zu einer Mieterberatung bieten. Wir sind vor Ort, leben im Kiez und bekommen Probleme hautnah mit.

Bild: AMV
Im Interview: Marcel Eupen

1961 in Köln geboren, lebt seit 1970 in Berlin. Eupen ist Vorsitzender des 2014 von ihm mitgegründeten Alternativen Mieter- und Verbraucherschutzbunds (AMV). Beim AMV und in einer Anwaltskanzlei arbeitet er als Jurist.

taz: Hatten die anderen Mietervereine solche Großwohnsiedlungen in den Außenbezirken vernachlässigt?

Eupen: Der Berliner Mieterverein ist in der Altstadt Spandau sehr aktiv. Im Falkenhagener Feld hatte aber niemand anderes eine Zweigstelle. Gerade die Großsiedlungen in Berlin sind überaltert. Da sind viele der Wohnungen, die in den 60er und 70er Jahren gebaut worden sind, noch im Erstbezug. Und nicht alle Mieter können sich einfach in ein Auto oder ein öffentliches Verkehrsmittel setzen, um irgendwo zum Büro eines Mietervereins zu fahren.

taz: Wie viele Mitglieder hat der AMV mittlerweile?

Eupen: Wir sind jetzt knapp um die 700 Mitglieder und haben mittlerweile auch einen Aufnahmestopp verhängt, weil wir nicht größer werden wollen. Mehr Mitgliedschaften würden dazu führen, dass man irgendwann nicht mehr jeden Einzelnen kennt und es anonym wird.

taz: Was war denn der größte Erfolg in den vergangenen zehn Jahren?

Eupen: Für mich sind die größten Erfolge immer gewesen, wenn die Früchte unserer Arbeit nicht nur unsere Vereinsmitglieder geerntet haben. Zum Beispiel hat die Adler Group eine Betriebskostenabrechnung für über 800 Mietparteien korrigiert, von denen wir vielleicht nur ein Zehntel vertreten haben. Und die Deutsche Wohnen hat zuletzt Fehler in der Heizkostenabrechnung in Staaken eingeräumt. Die Nachforderungen hat sie dann allen Mietern in der Wohnsiedlung erlassen.

taz: Rechnen Sie damit, dass es weiterhin zu solchen Betriebskostenabrechnungen mit Nachforderungen in Höhe von mehreren Tausend Euro kommt?

Eupen: Der führende Dienstleister für Heizkostenabrechnungen hat zuletzt Zahlen veröffentlicht, dass die Heizkosten noch einmal um bis zu 40 Prozent gestiegen sind. Das Problem sind Klauseln in den Wärmelieferverträgen, die die Kosten für die Mieter explodieren lassen, sobald die Preise an der Börse springen. Ob diese Preisänderungsklauseln unwirksam sind, werden wir erst in vielleicht zwei Jahren wissen, wenn es dazu Gerichtsurteile gibt.

taz: Die nächsten Abrechnungen landen aber schon ab Herbst in den Briefkästen.

Eupen: Die Politik muss reagieren. Auf Landesebene hat die Linke vorgeschlagen, einen Heizkostenfonds einzurichten für Fälle, in denen Mieter in Bedrängnis kommen. Wenn ich dann höre, wie der Sprecher für Mieten und Wohnen der CDU-Fraktion, Ersin Nas, im Abgeordnetenhaus sagt, man soll das Geld lieber zur Eigentumsförderung verwenden, kann ich nur sagen: Problem nicht erkannt, setzen, sechs.

taz: Mit hohen Heizkosten haben nicht nur Mieter in den Außenbezirken zu kämpfen. Würden Sie dennoch sagen, die Lage der Mieter in Spandau unterscheidet sich von der in anderen Teilen der Stadt?

Eupen: Spezifisch für die Außenbezirke ist vielleicht, dass wir hier Großwohnsiedlungen haben, die nun deutlich in die Jahre gekommen sind und eine Reihe von Mängeln aufweisen.

taz: Einige dieser Großwohnsiedlungen sind in den vergangenen Jahren kommunalisiert, also von landeseigenen Wohnungsunternehmen gekauft worden. Hat es das besser gemacht?

Eupen: Die Antwort wird Sie jetzt überraschen: Es wird schlimmer. Es kommen Mieter zu uns in die Beratung, deren Haus vorher berüchtigten Unternehmen wie Adler oder Deutsche Wohnen gehört haben. Viele sagen: Bei Adler oder der Deutsche Wohnen war es besser.

taz: Woran machen die Mieter das fest?

Eupen: Es geht da viel um die Meldung von Mängeln und um deren Beseitigung, den Kampf mit dem Callcenter, um endlich einen Termin zu bekommen. Da war die Handhabung früher einfacher, unkomplizierter und schneller.

taz: Welche Unterschiede nehmen Sie als Mietervertreter im Kontakt mit den Unternehmen wahr?

Eupen: Die außergerichtliche Korrespondenz mit Deutsche Wohnen und Vonovia ist erheblich einfacher als beispielsweise mit der landeseigenen Berlinovo. Wenn ich ein ­Schreiben schicke, dass eine Mieterhöhung ungerechtfertigt ist, dann kann man mit der Deutsche Wohnen eine Einigung finden, während die Berlinovo Schreiben einfach ignoriert. Bei der Gewobag gibt es mittlerweile einen direkten Ansprechpartner, an den ich mich als Mietervertreter wenden kann, wenn es Probleme gibt.

taz: In Berlin wird seit Jahren über den Rückkauf von Wohnungen und die Vergesellschaftung von Immobilienbeständen diskutiert. Die Erfahrungen, die Sie jetzt schildern, klingen nicht unbedingt nach einem Argument dafür.

Eupen: Wenn ich mir die Spandauer Siedlung Heerstraße Nord anschaue und sehe, dass es der Gewobag seit der Kommunalisierung 2019 nicht gelungen ist, diesen Bestand in den Griff zu bekommen – und wir sprechen von 3.400 Wohnungen –, dann frage ich mich, wie es möglich sein soll, 250.000 vergesellschaftete Wohnungen zu verwalten und zu bewirtschaften.

taz: Mit ausreichend Personal?

Eupen: Da fehlt mir die Fantasie, wo das herkommen soll. Als die Berlinovo Wohnungen im Falkenhagener Feld gekauft hat, hat sie als Erstes einen Verwaltervertrag mit der Deutsche Wohnen geschlossen, weil sie selbst zunächst gar nicht das Personal hatte, um die Objekte zu verwalten.

taz: Was ist für Sie ein geeignetes Instrument, der Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt etwas entgegenzusetzen?

Eupen: Ich bin ein großer Fan der Einführung einer starken neuen Wohngemeinnützigkeit als nicht profitorientiertem Sektor auf dem Wohnungsmarkt. 30 Prozent des Wohnungsbestandes sollten wieder gemeinnützig bewirtschaftet werden. Es sollte eine klare Vorgabe geben, bis wann dieses Ziel erreicht werden soll.

taz: Ein Argument für einen größeren öffentlichen Wohnungsbestand ist ja, dass sich politisch steuern lässt, was mit dem geschieht.

Eupen: Das hat der Senat in den zurückliegenden Jahren auch gemacht, indem er den Landeseigenen durch Kooperationsvereinbarungen und Mietbegrenzungen Fußfesseln angezogen hat. Unter Schwarz-Rot werden diese mittlerweile aber wieder gelockert.

taz: Auch die privaten Unternehmen scheint man einfach machen zu lassen. Sie haben in den vergangenen zwei Jahren immer wieder fast im Alleingang aufgedeckt, wie Unternehmen gegen die Selbstverpflichtungen des Mietenbündnisses mit dem Senat verstoßen haben.

Eupen: Ich verstehe bis heute nicht, warum da nur der AMV den Finger in die Wunde gelegt und Verstöße öffentlich gemacht hat, die Flaggschiffe Mieterverein und Mietergemeinschaft aber nicht. Im Vergleich zum Mieterverein ist der AMV ja ein Staubkorn.

taz: Auch nachdem sich Vonovia als letztes privates Unternehmen im Juli mit der Ankündigung, Mieten um 15 Prozent zu erhöhen, von den Bündnisvereinbarungen verabschiedet hat, hieß es vom Senat weiterhin: Das Bündnis ist nicht gescheitert. Wie können Sie sich das erklären?

Eupen: Ich denke, dass dieses Mietenbündnis mit zu viel Tamtam ins Leben gerufen wurde, als dass man sich jetzt einfach eingestehen könnte, dass sich der Senat am Nasenring durch die Manege hat führen lassen.

taz: Wo lag der Fehler?

Eupen: Der lag schon in der Geburt des Bündnisses. Schauen Sie mal nach Spandau: Der Bezirk hat mit der Deutsche Wohnen eine gemeinsame Vereinbarung zur sozialverträglichen Modernisierung der Siedlung An der Kappe geschlossen. Da steht drin, dass das eine Vereinbarung zugunsten Dritter ist. Die Mieter können sich also rechtlich auf das Vereinbarte berufen. Beim Bündnis des Senats fehlt so ein Passus. Der Text ist handwerklich einfach grottenschlecht.

taz: Wahrscheinlich war einfach nicht mehr zu machen mit den Unternehmen?

Eupen: Ich habe den Eindruck, hier spielt Champions League gegen Kreisliga, mit Profis wie dem Vonovia-Chef Rolf Buch an der Spitze, die die Landespolitik ausdribbeln können, wie sie wollen.

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1 Kommentar

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  • Interessant, dass ein Experte sagt, die Enteignungsforderung sei Quatsch, weil die städtischen Wohnungsbaugesellschaften nicht unbedingt besser sind

    Entspricht meiner Erfahrung.