Radverkehr in Berlin: Auf der Strecke geblieben

Es hakt an allen Enden beim Ausbau der Infrastruktur: Sicherheit und Komfort im Radverkehr genießen bei der CDU-Verkehrspolitik keine Priorität mehr.

Strampeln ohne Ende: Fahrraddemo vor dem Roten Rathaus Foto: Changing Cities

Vor einer guten Woche machte der Verein Changing Cities auf eine weitreichende Sparmaßnahme der Senatsverkehrsverwaltung aufmerksam: Nur eine der geplanten zehn Berliner Radschnellverbindungen wird tatsächlich zeitnah gebaut.

Eine weitere wird zumindest noch zu Ende geplant, alle anderen bleiben buchstäblich auf der Strecke. Die desolate Haushaltslage gebe vorerst nicht mehr her, heißt es. Aber mehrere Millionen Euro wurden bereits in die Vorplanung dieser Trassen investiert – ob und wann sie tatsächlich Realität werden, ist nun offen.

Die Rad- und Mobilitätswendelobby ruft zum Protest. Am Freitag organisierten Initiativen und Verbände Fahrraddemos zum Roten Rathaus, wo sie ein vielsagendes Bild inszenierten: eine Reihe von Heimtrainern, auf denen sich Menschen abstrampelten, ohne von der Stelle zu kommen, dahinter ein Banner mit der ironischen Aufschrift „Fahrradstadt Berlin“. Besonders enttäuscht sind die AktivistInnen, weil für die CDU-Verkehrsverwaltung die Finanzierung von Autoprojekten wie der TVO kein Problem zu sein scheint.

Mobilitätsgesetz mit zeitlich äußerst dehnbare Formeln

Fast schon als Randnotiz erscheint da die Tatsache, dass das Berliner Mobilitätsgesetz – dieses beim amtierenden Senat wenig geliebte Erbe zivilgesellschaftlichen Engagements und der rot-grün-roten Vorgängerregierung – den Bau von Schnellwegen vorschreibt. Wobei es sich eben nicht um eine knallharte Vorschrift handelt: „Es sollen mindestens 100 Kilometer Radschnellverbindungen errichtet werden“, heißt es darin. Eine zeitlich äußerst dehnbare Formel.

Auch der Umbau gefährlicher Knotenpunkte – sprich: unfallträchtiger Straßenkreuzungen – ist eine solche Vorgabe des Gesetzes: Mindestens 30 sollen jedes Jahr sicher gemacht werden. Hier hat gerade eine parlamentarische Anfrage der Grünen ergeben, dass es zwischen Mitte 2023 und Mitte 2024 gerade einmal sieben Kreuzungen waren, an denen vor allem zusätzliche Abbiegeampeln aufgestellt wurden. Der Senat begründet das unter anderem mit immer knapperen Kapazitäten bei den ausführenden Firmen.

Auf tragische Weise passt zu dieser Nachricht, dass eine Frau, die Ende Juli von einem Betonmischer an der Ecke Karl-Liebknecht-/Mollstraße unweit des Alexanderplatzes überrollt wurde, elf Tage später an ihren schweren Verletzungen gestorben ist. Dort befindet sich eine sogenannte Radweiche – jene Markierung, die geradeaus fahrende RadlerInnen genau zwischen zwei Kfz-Spuren lenkt.

Das galt vor 15 Jahren noch als state of the art, mittlerweile weiß man nur zu gut, dass diese Regelungen subjektive und objektive Gefährdungen erzeugen – aber bestehende „Weichen“ bleiben erst einmal erhalten.

Alarm aus Tempelhof-Schöneberg

Am Freitag meldete sich dann auch noch die grüne Verkehrsstadträtin von Tempelhof-Schöneberg mit einer neuen Hiobsbotschaft: Auf Twitter schrieb Saskia Ellenbeck, die Senatsverwaltung habe kurzfristig rotes Licht für die Ausschreibung der neuen, sicheren Radwege an der Grunewaldstraße gegeben – die Finanzierung sei nicht gesichert.

Die Verwaltung von Senatorin Ute Bonde (CDU) verwies dazu gegenüber der taz auf den Bund: Den habe man um eine Verlängerung der Förderung gebeten, der positive Bescheid lasse aber bedauerlicherweise auf sich warten. Notwendig geworden war die Verlängerung nach dem 2023 von Bondes Vorgängerin Manja Schreiner (ebenfalls CDU) verhängten Radwege-Prüfstopp.

Diese ganze Litanei zeigt: Sicherheit und Komfort der Berliner FahrradfahrerInnen sind längst keine Herzensangelegenheit mehr für den schwarz-roten Senat und insbesondere die CDU. Natürlich will niemand, dass Menschen zu Schaden kommen, aber man reißt sich in der zuständigen Senatsverwaltung am Köllnischen Park auch kein Bein für die „Vision Zero“ aus.

Dass die Radschnellverbindungen auf Eis gelegt wurden, scheint da erst einmal auf einem anderen Blatt zu stehen. Aber die Wahrheit ist: Mit ihnen stirbt die Vision einer Stadt, in der Radfahren eine echte Mobilitätsalternative ist – auch für längere Wege und abseits der Innenstadtbezirke, wo das Auto noch unangefochten regiert. Aber wo die Pedalkraft nicht zur neuen Normalität wird, werden auch die damit verbundenen Risiken nicht schnell abnehmen.

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Jahrgang 1969, lebt seit 1991 in Berlin. Seit 2001 arbeitet er mit Unterbrechungen bei der taz Berlin, mittlerweile als Redakteur für die Themen Umwelt, Mobilität, Natur- und Klimaschutz.

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