Extremismus in England: Frauenhass ist Terror

Nach rechten Krawallen soll die Extremismusstrategie in UK geprüft werden. Die Idee, Frauenhass als Terrorismus zu werten, steht im Raum. Richtig so!

Rechte Gesinnungen gehen oft mit Frauenhass einher. Ein Demonstrant in Leeds, 3. 8. 2024 Foto: Hollie Adams/reuters

Wird sich der MI5, der britische Inlandsgeheimdienst, in Zukunft häufiger mit Gewalt gegen Frauen auseinandersetzen? Wird er mit seinem Motto „Regnum defende“ (Verteidige das Königreich) bald auch die nationale Bekämpfung von Frauenhassern und Gleichstellungsverweigerern koordinieren? Und könnten Staatstrojaner bald auf den Laptops von potenziellen Gefährdern für Frauen installiert werden? Wahrscheinlich nicht.

Aber der Begriff Extremismus könnte im Vereinigten Königreich bald ausgeweitet und mit einer interessanten Überarbeitung ausgestattet werden. Nämlich um extremen Frauenhass als Ideologie. Dieser soll dann wie islamistischer oder rechtsextremer Terror behandelt werden. Gut so! Denn Gewalt gegen Frauen ist Terrorismus und gehört mit allen politischen Mitteln bekämpft.

Terrorismus ist ein vager Begriff. Wenn Medien von einem terroristischen Anschlag reden, ist meistens unklar, worum es sich genau handelt. In den meisten Fällen aber um einen politisch motivierten Gewaltakt. Terrorismus wird meist aus direkter Indoktrination geboren. Personen, meist jung, aus instabilen Verhältnissen kommend und sinnsuchend, werden gezielt für höhere ideologische Zwecke manipuliert.

Alle Formen von Terrorismus haben Dinge gemein: Sie verfolgen ein konkretes Ziel und setzen eine extremistische Ideologie durch. Vor allem schürt Terrorismus aber Angst, indem er Menschen ihrer Sorglosigkeit beraubt.

Drohungen, Isolation, Gewalt

Und tatsächlich hat Terror gegen Frauen ein ähnliches Muster. Neben körperlicher Gewalt zeigt er sich vor allem dadurch, dass er auf die Biografie einer Frau Einfluss nimmt. Drohungen, emotionaler Druck und Isolation kontrollieren Betroffene. Insbesondere dann, wenn die Gewalt – wie in den meisten Fällen – in den eigenen vier Wänden ausgeübt wird und das eigene Zuhause in einen Ort verwandelt, in dem Angst regiert.

Und die Gefahr für Frauen in Großbritannien ist real. Die britische Polizei meldet jährlich rund eine Million Gewaltdelikte gegen Frauen. Das sind mehr als 2.700 an einem Tag. Und mehr als 20 Prozent aller Straftaten im ganzen Land. Dabei handelt es sich wohlgemerkt nur um die erfassten Straftaten. Die Dunkelziffer für Gewaltdelikte gegen Frauen dürfte wohl noch höher liegen.

Diese Zahlen zu senken gleiche einer Mammutaufgabe, der die Polizei allein nicht gewachsen sei: „Die Polizeiarbeit wird ihren Teil dazu beitragen, aber das Ausmaß und die Dringlichkeit der Herausforderung erfordern eine gesamtgesellschaftliche Reaktion“, hieß es im Juli aus britischen Polizeikreisen.

Indoktrinierung über Tiktok

Ob genau das der Grund der britischen Innenministerin Yvette Cooper war, den Terrorismusbegriff neu zu erwägen? Eher wollte sie wohl die Frage beantworten, wie die Regierung mit den rechtsextremen Ausschreitungen umgeht. Die Strategie, die im Oktober vorgestellt wird, soll „extremistische Trends erkennen und beobachten“. Einer dieser Trends ist die weiter zunehmende Radikalisierung der Gewalt gegen Frauen.

Zwar gibt es keinen misogynen Masterplan, den eine Handvoll Männer schmiedet und durchzusetzen versucht. Die Indoktrination erfolgt auch online. Wer will und seinen Algorithmus entsprechend füttert, bekommt auf Tiktok Massen an Videos reingespült, die stereotype Rollenbilder propagieren und Gewalt gegen Frauen verherrlichen.

Im August 2021 tötete ein 22-Jähriger fünf Personen in der englischen Hafenstadt Plymouth mit einer Waffe, nachdem er sich im Internet radikalisiert hatte. Er wurde mit der Incel-Bewegung in Verbindung gebracht, die das Leid und die Misere von jungen Männern im Feminismus und in der Emanzipation der Frau begründet sieht.

Es braucht politische Maßnahmen

Der Schock auf den tödlichen Anschlag war groß, Aufrufe zur Bekämpfung von schädlichen Online-Inhalten wurden laut und der Druck auf die mittlerweile regierende Labour Party nach 14 Jahren Tories war immens. Der Vorstoß der britischen Innenministerin wäre angesichts dessen ein guter Versuch, feministische Inhalte in der britischen Innenpolitik zu verankern.

Angesichts der aktuellen Gesetzeslage wäre der Vorschlag des britischen Innenministeriums eine 360-Grad-Drehung im Kampf gegen Gewalt an Frauen und deswegen wohl auch nur ein symbolischer Akt. Denn momentan gelten Straftaten, die gezielt Frauen und Mädchen ins Visier nehmen, nicht mal als Hassverbrechen.

Trotzdem: Um den fortschreitenden Frauenhass on- und offline zu bekämpfen, braucht es wirksame politische Maßnahmen. Und zwar jetzt. Am besten wäre dann beides: extreme Misogynie sowohl als Hassverbrechen als auch als Terrorismus zu verstehen.

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