Clubsterben in Berlin: Eine Schneise der Verwüstung

Der traditionsreiche Technoclub Wilde Renate soll Ende nächsten Jahres schließen. Schuld ist noch nicht die A100, sondern ein dubioser Spekulant.

Eigentümer Padovicz hat den nett gemeinten Hinweis am Club der Wilden Renate wohl nicht gelesen Foto: IMAGO / Emmanuele Contini

BERLIN taz | Die Nachricht, dass der Technoclub Wilde Renate wahrscheinlich schon bis zum Ende nächsten Jahres schließen muss, schockiert. Die Renate ist seit ihrer Gründung 2007 aus dem Berliner Nachtleben nicht mehr wegzudenken. Der Club erstreckt sich über mehrere Etagen in einem unsanierten Altbau. Statt riesiger Floors laden liebevoll dekorierte Zimmer sowie ein ausladender und verwinkelter Garten dazu ein, sich in einer verwirrenden wie charmanten Parallelwelt zu verlieren. Dass etwas Vergleichbares an anderer Stelle wieder neu entstehen könnte, ist im durchgentrifizierten Berlin höchst unwahrscheinlich. Wo findet man schon einen unsanierten Altbau?

Der Grund, den die Be­trei­be­r:in­nen in einer Pressemitteilung am Mittwoch nennen, ist so banal wie frustrierend: Der Eigentümer, der berüchtigte Immobilienhai Gijora Padovicz, will den Mietvertrag mit den Be­trei­be­r:in­nen nicht mehr verlängern.

„Trotz intensiver Bemühungen, eine Verlängerung des Vertrags oder alternative Lösungen zu finden, müssen sich die Clubbetreibenden der Tatsache stellen, dass die Renate nach diesem Zeitpunkt nicht mehr in ihrer derzeitigen Form bestehen kann“, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Statement des Clubs.

Padovicz’ Geschäftsmodell besteht darin, heruntergerockte Immobilien billig zu kaufen und etwaige Zwischennutzer:innen, die der maximalen Verwertung im Weg stehen, rabiat zu entmieten. Allein in Friedrichshain sind über 200 Immobilien im Eigentum von Padovicz’ Firmengeflecht. Die Liste an Clubs und Hausprojekten, die dem Profitstreben des Unternehmers in den vergangenen Jahren zum Opfer gefallen sind, kann es durchaus mit der A100 aufnehmen.

Das Autobahnprojekt droht bekanntlich eine kulturpolitische Schnneise der Verwüstung druch Friedrichshain zu ziehen. Das zeigt allein schon die schier endlos lange Liste an bedrohten Projekten: das About Blank, die Neue Zukunft, das Oxi, das Void, die Villa Kuriosum, der Club Ost, die Else und last but not least – die Wilde Renate.

Meister der Verdrängung

Doch während der 17. Bauabschnitt der A100 nur auf dem Papier existiert, hat Padovicz bereits wie ein Bulldozer in der Berliner Kulturlandschaft gewütet. Da wäre der Technoclub Rummelsbucht, zwei Mietshäuser und der queere Wagenplatz „Mollies“, die an der Rummelsburger See Luxusneubauten weichen mussten. Oder das queerfeministische Hausprojekt Liebig 34, das 2020 mit einem massiven Polizeiaufgebot geräumt worden ist.

Latent bedroht ist aktuell auch das Watergate an der Oberbaumbrücke. Wie schon bei der Renate verdoppelte Padovicz 2017 kurzerhand die Miete und brachte den Club in existenzielle Schwierigkeiten. Auch im Wiesenweg 1–4 am Lichtenberger Gleisdreieck will der Immobilienunternehmer hoch hinaus. Dort, wo jetzt der Oxi-Club sein Zuhause hat, soll bald ein Büroturm entstehen. Ob der Klub an dem Standort gehalten werden kann, ist unklar.

Die Frage ist, was Padovicz mit dem brüchigen Altbau, der der Wilden Renate ihren Charme verleiht, aber zum Wohnen denkbar ungeeignet ist, überhaupt anstellen will. Zumal die Frage, ob das ganze Gebäude für die A 100 abgerissen werden muss, nach wie vor im Raum steht.

Einen Ausblick bietet das Schicksal der Liebig 34. Nach oberflächlicher Sanierung verpachtete Padovicz das Haus an einen dubiosen Subunternehmer, der wiederum die Schrottwohnungen zu überhöhten Preisen an Geflüchtete vermietete.

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