Toxische Männlichkeit: Reden Frauen zu oft über Männer?
Frauen sprechen untereinander sehr viel über Männer und ihr toxisches Verhalten. Unsere Autorin ist davon genervt – aber findet es auch wichtig.
V or ein paar Monaten, ich sitze mit einer Freundin im Café. Wir sprechen über alles Mögliche, vor allem über Männer. Sie erzählt von dem Typen, der ihre Freundin am Vorabend auf dem Nachhauseweg verfolgt hat. Ich erzähle von meinem Kollegen, der monatelang mit mir geflirtet hatte und mir auf meine Frage nach seinem Beziehungsstatus nicht nur keine Antwort gab, sondern auch erklärte, dass es gar keinen Flirt gegeben habe und ich mal mit meinen Hoffnungen haushalten solle.
Danach handeln wir Freunde ab, die die „Aber nicht alle Männer“-Keule schwingen und Ex-Freunde, die einen therapiereif gemacht haben. Sicher eine Stunde lang geht das so.
Nachdem wir uns verabschiedet haben, bin ich genervt. Schon wieder Lebenszeit an Männer verloren – ohne dass einer von ihnen überhaupt am Tisch saß. Fast jedes Gespräch mit meinen Freundinnen wird früher oder später zur Wutdebatte über toxische Männlichkeit. Schnell wird daraus ein feministischer Krisengipfel. Anders als in der Politik, wo nach Gipfeln im besten Fall Beschlüsse, Maßnahmen und Veränderung folgen, sind die Männer, über die wir uns aufregen, danach immer noch die gleichen. Das Patriarchat pfeift auf unsere Resolutionen am Cafétisch.
Manchmal stelle ich mir vor, dass die Männer, um die es in unseren Gesprächen geht, wie bei der MTV-Dating-Show „Room Raiders“ in einem Lieferwagen sitzen und uns beobachten, wir wir uns mit dramatischen Gesten und tiefen Zornesfalten echauffieren. Ich stelle mir vor, wie sie sich lustig machen über uns, die unabhängig von ihnen sein wollen und ihnen dann einen halben Nachmittag widmen. Wie viel Macht, frage ich mich, haben Männer über uns, wenn sich ein Großteil unserer Aufmerksamkeit um sie kreist? Und wie gesund ist das?
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Politisch-gesellschaftlich relevantes Lästern
Was wir machen, ist ja nichts anderes als politisch-gesellschaftlich relevantes Lästern. Lästern kann befreiend sein, aber als Dauerbeschäftigung, sagt die Wissenschaft, wird es ungesund. Dann wird aus der Seelenreinigung Stress. Mit physischen Folgen: Der Blutdruck steigt, die Muskeln spannen sich an, Hormone und Nerven bringen den Körper in den Kampfmodus. Blöd nur, dass ich nach unseren feministischen Diskursen nicht in den Boxring steige, sondern auf mein Fahrrad. Der Ärger radelt mit und mit ihm der Ärger über den Ärger.
Aber natürlich sind da auch andere Gefühle. Wenn ich an meiner Zurechnungsfähigkeit zweifle, weil ich mir den Flirt mit meinem Kollegen offenbar nur eingebildet habe, oder wenn ich denke, meine Hose war vielleicht zu kurz, als mir in der Straßenbahn in den Schritt gegriffen wurde, weiß ich spätestens nach dem nächsten Krisengipfel: Nein! Dabei erfahre ich nicht nur Zuspruch, sondern auch Solidarität. Denn fast immer hat mindestens eine aus der Runde den gleichen Scheiß in Grün erlebt.
In gesundem Maße, das sagen Experten auch, schafft Lästern Verbundenheit, Vertrauen und auch eine Art von Schutz. Schließlich spricht man dabei eine Warnung vor problematischen – in unserem Fall männlichen – Mitmenschen aus. So gesehen: Entziehen wir Männern vielleicht sogar ein Stück ihrer Macht, wenn wir uns über sie aufregen?
Vielleicht gilt es bei diesem Thema den guten alten Mittelweg einzuschlagen, um eine Balance zu finden zwischen Daueraufregung und Verdrängung, Kritisieren und Ignorieren. Vielleicht mit einer Eieruhr, die ich beim nächsten Krisengipfel auf den Tisch stelle. Dann bekommt jede ein paar Minuten für ihre Mackermomente der Woche und es bleibt noch Zeit für andere, erbaulichere Themen.
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