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Wenig Nachfrage nach grünem WasserstoffEU-Wasserstoff-Ziele auf der Kippe

Erneuerbarer Wasserstoff soll der Industrie helfen, die Klimaziele zu erreichen. Der EU-Rechnungshof bemängelt: Das Vorhaben läuft nicht nach Plan.

Die EU-Kommission wird ihre Ziele zur Erzeugung und zum Import von grünem Wasserstoff voraussichtlich nicht erreichen Foto: dpa

Luxemburg dpa | – Die von der EU-Kommission ausgegebenen Ziele zur Erzeugung und zum Import von grünem Wasserstoff werden laut EU-Rechnungshof voraussichtlich nicht erreicht. Zwar habe die Kommission richtige Schritte unternommen auf dem Weg zu einem gerade erst entstehenden Markt für erneuerbaren Wasserstoff, heißt es in einem Bericht der EU-Prüfer mit Sitz in Luxemburg.

Allerdings gebe es entlang der gesamten Wertschöpfungskette noch Probleme. „Es drohen der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsselindustrien und neue strategische Abhängigkeiten“, warnen die Prüfer. Sie fordern die Kommission nun auf, ihre Wasserstoffstrategie zu aktualisieren. Die Brüsseler Behörde müsse sicherstellen, dass die Ziele sich verwirklichen ließen.

Grüner Wasserstoff – also solcher, der mit erneuerbaren Energien hergestellt wird – gilt als Hoffnungsträger der Energiewende. Grundsätzlich kann Wasserstoff als Basis für Kraft- und Brennstoffe dienen, um etwa in Industrie und Verkehr Kohle, Öl und Erdgas abzulösen. Seine Herstellung ist aber sehr energieintensiv und derzeit noch deutlich teurer im Vergleich zu fossilen Energieträgern.

Die Europäische Kommission sei bei der Festlegung der Ziele für die Nachfrage von erneuerbarem Wasserstoff zu ehrgeizig gewesen, monieren die Prüfer. Bis 2030 sollen 10 Millionen Tonnen grüner Wasserstoff erzeugt und 10 Millionen Tonnen importiert werden. Diese Ziele hätten aber nicht auf einer soliden Analyse beruht, sondern seien von politischem Willen geleitet gewesen, heißt es in der Mitteilung des Rechnungshofs. In seiner Analyse geht der Hof davon aus, dass bis Ende des Jahrzehnts nicht einmal 10 Millionen Tonnen nachgefragt werden.

Investitionsentscheidungen verschoben

Ebenso bemängeln die Prüfer, dass die Einigung darüber zu lange dauerte, was genau unter erneuerbarem Wasserstoff zu verstehen ist und welche Vorschriften für ihn gelten. Viele Investitionsentscheidungen seien dadurch verschoben worden. Auch Projektentwickler schöben Investitionsentscheidungen auf, da das Angebot von der Nachfrage abhänge und umgekehrt.

In einer Reaktion auf den Bericht versicherte die Europäische Kommission, die Nutzung und die Akzeptanz von erneuerbarem und kohlenstoffarmem Wasserstoff in Europa zu beschleunigen und weiterzuentwickeln.

„Die Kommission wird weiterhin mit den Interessengruppen zusammenarbeiten, um unsere Ambitionen in die Tat umzusetzen“, teilte ein Sprecher mit. Es sei klar, dass sich das Wasserstoff-Ökosystem schrittweise entwickeln werde. Wie schnell, sei von Sektor zu Sektor unterschiedlich – ebenso möglicherweise auch von Region zu Region.

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10 Kommentare

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  • "In seiner Analyse geht der Hof davon aus, dass bis Ende des Jahrzehnts nicht einmal 10 Millionen Tonnen nachgefragt werden."



    Wie kann das sein?



    "Jedes Jahr werden weltweit mehr als 600 Milliarden Kubikmeter Wasserstoff (rd. 30 Mio. t) für zahllose Anwendungen in Industrie und Technik gewonnen."[1]



    Verwendung für grünen Wasserstoff gäbe es also reichlich. Das Problem liegt auf der Angebotsseite, nicht auf der Nachfrageseite.



    [1] de.wikipedia.org/w...erstoff#Verwendung

  • „Es drohen der Verlust von Wettbewerbsfähigkeit in Schlüsselindustrien und neue strategische Abhängigkeiten“

    Oh, immerhin scheint man ja so etwas schon zu ahnen, dass das passieren könnte.

    Solche Dinge zu hinterfragen war doch sonst nur Schwurblern und Klimaleugnern vorbehalten.

    Lustig, dass solche Sachen dann immer einige Zeit nach den Beschlüssen der Verantwortungsträger in ihren Wolkenkuckucksheimen oder Elfenbeintürmen von den Leuten bemerkt werden, die berufsbedingt rechnen können müssen.

    Aber keine Sorge, die Elfenbeintürmler haben bestimmt schon den Nachfragebooster für die grünen wasserstoffbasierten Sachen im Köcher: Da war doch was, mit Vorschreiben, dass die Autobauer mindestens 40 % mit Wasserstoff produzierten Stahl einzusetzen haben in ihren Elektroautos. Und da fällt denen bestimmt noch viel mehr ein, was man noch regulieren könnte.

    Und am Ende: Huch, das kommt jetzt alles aus China (Indien, Korea, oder sogar vom Erbfeind Russland)? Und das Geld für all die schönen Projekte ist auch dort?

    • @EIN MANN:

      Was ist ihre Lösung?



      Das Problem ist doch, dass Wasserstoff mittlerweile überall eingesetzt werden soll, auch wenn es andere klimaneutrale Alternativen gäbe, die deutlich billiger wären. Und letztendlich bleibt uns auch zB nichts anderes übrig als weniger zu fliegen etc...

      • @Conor:

        Lösung: weiterhin wettbewerbsfähig bleiben durch weniger Regulierung.

        Dann werden sich die tragfähigen Konzepte ganz von alleine durchsetzen. Alles was nicht bleibt, ist nicht nachhaltig.

        Die absurd hohe staatliche Einmischung in allen Bereichen des menschlichen Zusammenlebens in Deutschland und der EU und daraus folgend die Verteuerung aller Prozesse ist eine der Hauptursachen für mangelnde Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.

        Das verstehen aber die Planwirtschaftler einfach nicht.

        Und das berühmte Gesundschrumpfen: dann ist Schluß mit Sozialstaat. Keine Kohle mehr dafür da.

        • @EIN MANN:

          Kann den Ausführungen von Chamäleon nur zustimmen. Möchte aber noch ergänzen:

          Bezüglich der Klimakrise ist eben nicht die "Innovationskraft des Marktes" entscheidend. Es existieren ja bereits Technologien, mit denen eine klimaneutrale Wirtschaft umsetzbar wäre. Es ist zB nicht verständlich, warum bis 2035 weiter Verbrenner zugelassen werden. Ist es aus physikalischer Sicht einfach unmöglich an die Effizienz eines batterieelektrischen Autos heranzukommen. Da kann man noch so viel Geld in der Forschung versenken, die Physik lässt sich nicht bestechen. An dieser Stelle ist ein Zulassungsverbot also unausweichlich, wenn nicht noch in 50 Jahren Verbrenner über unsere Straßen fahren sollen.

          Auf der anderen Seite gibt es Technologien, die absehbar nicht rechtzeitig markreif sein werden, um dem Klimawandel noch begegnen zu können. Hierzu zählt das Fliegen. Selbst wenn wir nur noch mit CO2-freien Fliegern durch die Welt reisen, werden die Nicht-CO2-Effekte weiterhin erheblichen Schaden am Klima verursachen. Auch hier kann Technik also nicht ansetzen. An dieser Stelle muss es zu einer Änderung der Gewohnheiten kommen. Dazu ist ein angemessener gesetzlicher Rahmen unausweichlich.

        • @EIN MANN:

          Die unsichtbare Hand des Marktes spielt bei Adam Smith keine wirkliche Rolle und wurde in seinem Hauptwerk nur an einer Stelle erwähnt.



          Ihre Gedanken sind jetzt mind. 40 Jahre alt und die Welt hat sich nicht zum besseren gewendet. Wenn ich mich als Planwirtschaftler begreife, denke ich auch so. Wenn ich mich als Gegenpart begreife, denke ich eben so. In beiden Fällen bewegt sich das Denken auf festgelegten Pfaden. Für einen strategischen Denker ist das eine intellektuelle Totgeburt. Sie verwechseln objektives Denken mit der Bestätigung ihrer Identität.



          Wie ist der Kapitalismus entstanden? In GB waren die Löhne so hoch, dass sich die Investition in mechanische Webstühle gelohnt hat! Das war der Ursprung, die Quelle für Innovation. Nach dem 2. WK lag die Steuer in den USA bei 90 % und die Wirtschaft prosperierte. In den 80er Jahren wurden die Profite nicht durch Innovation gesteigert, sondern durch Stellenstreichung. Nun ist die breite Masse in den USA verarmt und zum ersten Mal in der Geschichte geht es der kommenden Generation schlechter. Im Trend liegen Hartz-IV-Unternehmer, deren Geschäftsmodell nur überlebt, weil Sie permanent Löhne drücken. Sind Dumpinglöhne das Problem in D?

  • Dieser Artikel in der taz erklärt das grundsätzliche Problem:



    "Wasserstoffprojekt abgebrochen: Elektrolyseur ist einfach zu teuer "



    taz.de/Wasserstoff...ebrochen/!5974569/

  • Sozialistische Planwirtschaft ist überall gescheitert. Warum sollte diese ausgerechnet in der EU funktionieren?

  • Wasserstoff als Energieträger ist dann akzeptabel, wenn es sehr viel Überschuss an Strom aus alternativer Erzeugung gibt, und nur dann. Doch davon sind wir noch sehr weit entfernt.

    Alles andere ist nur das Abgreifen von Subventionen und damit von Geldern, die anderer Stelle, in dieser Gesellschaft dringend gebraucht werden. Und wenn sie hier nicht gebraucht würden, könnten sie in anderen Teilen der Welt, für sauberes Wasser und Schulen sorgen.

  • Leider ist es super schwer transparente, nicht durch Abgaben und Auflagen verzerrte Preise pro kWh Wasserstoff (grau, blau, grün) zu erlangen. Laut Statista sollen sich die Preise pro kWh Wasserstoff ziemlich angenähert haben. Ob das so unreflektiert übernommen werden kann, oder der wahre Preis für grünen Wasserstoff nicht an anderer Stelle gezahlt wird, kann sich ja mal jeder selbst überlegen. Im Juni 2024 lag der Preis pro Megawattstunde Strom an der Strombörse bei 70 €/MWh (=7 ct/kWh). Wenn man nun bedenkt, dass pro kWh Wasserstoff etwa 1,66 kWh Strom benötigt werden, kann sich ja jeder selber mal überlegen, wie da ab 2035 ein Preis zwischen 12 und 15 ct zusammengehen soll.

    Meine Mutmaßung ist aber, dass große Verbraucher, bevor sie auf grünen Wasserstoff umrüsten, sich wahrscheinlich eher für andere klimaschonende Optionen entscheiden und ggf. auch ihre Produktionsorte dahin verlagern, wo Energie kostengünstig ist oder kostengünstig regenerativ erzeugt werden kann.

    Grüner Wasserstoff würde, soweit man diesen Blödsinn wirklich praktizieren möchte, auch für e-Fuels benötigt.