Betrugsprozess in Duisburg: Rasante akademische Karriere

Ein falscher Doktor hat jahrelang für die NRW-Landesregierung gearbeitet. Nun steht der Ex-Regierungsberater als Hochstapler vor Gericht.

Ein Gerichtsgebäude

Das Amtsgericht Duisburg, hier begann der Prozess Ahmet Ü Foto: Christophe Gateau/dpa

DUISBURG dpa/taz | Er hat jahrelang die nordrhein-westfälische Landesregierung in Islamfragen beraten. Als vermeintlicher Experte diskutierte er mit dem Bundespräsidenten. Nun steht ein 47-Jähriger als mutmaßlicher Hochstapler vor Gericht. Er sei weder Professor noch Doktor, nicht einmal das Staatsexamen als Lehrer habe er bestanden, gab Ahmet Ü. zu Prozessbeginn am Freitag im Amtsgericht Duisburg zu. Seine rasante akademische Karriere habe sich irgendwann fast von allein entwickelt.

Von seiner Expertise ist der Angeklagte auch weiterhin überzeugt – doch juristisch geht es gar nicht darum, ob er einen guten Job gemacht hat. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Urkundenfälschung, Betrug und den unbefugten Gebrauch akademischer Grade in insgesamt 28 Fällen vor.

Angefangen habe alles mit einer gefälschten Urkunde aus seinem Lehramtsstudium, berichtete der 47-Jährige. Aus Zeitgründen sei er nie zum Staatsexamen angetreten. Um trotzdem als Lehrer verbeamtet zu werden, habe er die Urkunden seiner Frau genommen, sorgfältig den Vornamen überklebt und davon eine echt aussehende Kopie gemacht. „Nichts mit moderner Technik“, betonte er.

Später habe er in ähnlicher Weise eine Urkunde über eine bestandene Promotion, als die Prüfung für den Doktortitel, gefälscht. Eine Behörde beglaubigte die Urkunden. „Das hat mir alle Türen geöffnet“, sagte der Angeklagte.

Experte für Islamischen Religionsunterricht

Er habe sich weitergebildet, an seiner Rhetorik gefeilt. Nach und nach erarbeitete er sich einen Ruf als Experte für Integration, wurde landesweit als Referent eingeladen. Schließlich sei das NRW-Schulministerium auf ihn aufmerksam geworden und habe ihm ein Angebot als wissenschaftlicher Mitarbeiter gemacht.

Im Ministerium beschäftigte er sich unter anderem mit den Folgen von Migration für das Schulwesen und schließlich immer mehr mit dem politisch umstrittenen Thema Islamischer Religionsunterricht. Seine Vorgesetzten seien immer zufrieden gewesen, erzählte er. Ungewöhnlich rasch stieg er die Karriereleiter hoch.

Lehraufträge kamen hinzu. Als Religionssoziologe lehrte er an den Hochschulen in Bielefeld, Münster, Duisburg-Essen und an der NRW-Polizeihochschule. Er bekam eine Auszeichnung für seine Lehre, wurde als Experte zu prominent besetzten Podien eingeladen, nahm an Diskussionsveranstaltungen etwa mit dem früheren Bundespräsidenten Christian Wulff teil.

Schließlich beriet der Mann direkt Minister der NRW-Landesregierung, vor allem in Islamfragen. „Ich war als Lehrer und als Experte gut und anerkannt“, sagte er den Richtern. Zweifel an seinen akademischen Fähigkeiten habe es nie gegeben. Dass der angebliche „Prof. Dr.“ dabei Zeugnisse über seine formalen Qualifikationen gefälscht habe, bereue er heute.

Vor drei Jahren wurden Zweifel öffentlich

2021 flog der ganze Schwindel auf. Nachdem die Welt den Skandal enthüllt hatte, beendete das Land NRW öffentlichkeitswirksam die Zusammenarbeit. Es gebe „begründete Zweifel in Bezug auf die akademische Laufbahn“, schrieb die Landesregierung damals zur Begründung. Außerdem erstattete das Land Anzeige gegen den heute 47-Jährigen.

Der Staatsanwalt zeigte sich von dem früheren akademischen Ruhm des Angeklagten wenig beeindruckt. Er habe Urkunden gefälscht, Titel zu Unrecht getragen und den Staat um seinen Verdienst aus zwölf Jahren als Beamter betrogen, argumentierte der Anklagevertreter. Denn ohne die gefälschten Dokumente hätte er nie Beamter werden können.

Dass der mutmaßliche Hochstapler die NRW-Landesregierung beraten hat, spielt juristisch übrigens keine Rolle: Für eine solche Tätigkeit sind keine speziellen Qualifikationen vorgeschrieben, so dass in diesem Punkt wohl keine Straftat vorliegt. Für den Angeklagten gilt bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens die Unschuldsvermutung. Ein Urteil könnte in zwei Wochen verkündet werden.

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