Kommentar von Jan Pfaff zur EU, die sich auf einen Präsidenten Trump vorbereiten muss
: Eigene Macht entwickeln – und gezielt einsetzen

Noch ist Donald Trump nicht zurück im Oval Office. Aber in den vergangenen Tagen ist seine Rückkehr sehr viel wahrscheinlicher geworden. Es bleibt also nicht viel Zeit für die EU, sich auf ein geopolitisches Worst-Case-Szenario vorzubereiten. Trumps außenpolitische Überzeugungen kennt man aus seiner ersten Präsidentschaft. In seiner Welt ist der Starke am mächtigsten allein, internationale Politik ist ein Nullsummenspiel – wenn einer etwas gewinnt, muss jemand anderes etwas verlieren.

Bei der Vorbereitung auf Trump 2.0 werden zunächst immer die Sicherheitspolitik und die Absicherung der Militärhilfe für die Ukraine genannt. Diese Priorisierung ist richtig, der Krieg in der Ukraine entscheidet über die Zukunft des Kontinents. Wenn es nicht gelingt, die russische Aggression zu stoppen, erübrigt sich vieles andere. Worauf sich Europa bei Trump 2.0 aber auch einstellen muss, ist, dass er die Wirtschaftskraft der USA wieder verstärkt als Waffe in der internationalen Politik einsetzen wird. Da geht es nicht nur um Protektionismus, sondern auch darum, Strafzölle und Sanktionen gegen Privatpersonen, einzelne Unternehmen und ganze Branchen als politische Triggerpunkte einzusetzen. Mit dem Office of ­Foreign Asset Control (OFAC) verfügen die USA über eine extrem mächtige Sanktionsbehörde. Die Angst, vom wichtigen US-Markt und vom Dollar als interna­tio­naler Leitwährung ausgeschlossen zu werden, lässt europäische Unternehmen und vor allem Banken auch kleinste außenpolitische Veränderungen in Washington beobachten und oft schon im vorauseilenden Gehorsam ihr Verhalten anpassen.

Zu den Aufgaben der gerade wiedergewählten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen müsste es daher gehören, den Aufbau eines EU-Sanktionsbüros ähnlich dem OFAC voranzutreiben. Nur wer glaubhaft mit ähnlich schmerzhaften Gegenmaßnahmen drohen kann, würde bei Verhandlungen mit einer möglichen Trump-2.0-Regierung ernst genommen. Noch wichtiger wäre, das Einstimmigkeitsprinzip in der Außen- und Sicherheitspolitik zugunsten qualifizierter Mehrheitsentscheidungen abzuschaffen. Nur darauf zu hoffen, dass Trump-Fan Viktor Orbán bei wichtigen Abstimmungen vor die Tür geht, ist auf Dauer keine Lösung. Orbán und den slowakischen Ministerpräsidenten Robert Fico aber dazu zu bringen, einer solchen Reform zuzustimmen und damit selber auf einen Machthebel zu verzichten, dürfte sehr schwer werden. Dennoch: Die EU ist einer Welt, in der es zunehmend ruppiger zugeht, nicht schutzlos ausgeliefert. Sie hat Macht, wenn sie sich richtig aufstellt. In einer zweiten Trump-Präsidentschaft wird sie lernen müssen, diese auch gezielt einzusetzen.